Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Und dann, als er abends bei der Bescherung mit den Geschenken herauskam! Er hatte für alle etwas, sogar eine seidene Schürze für das Dienstmädchen.

"Aber, Elisabeth, was sagst Du jetzt!" rief die Mama freudestrahlend, als das Mädchen in einem Tintenfaß, das aber nur Atrappe war, eine zierliche Filigrannadel mit Türkisen fand. Sie sprach in ihrer Herzensfreude nicht anders mit ihr, als mit der zehnjährigen Frieda, und ruhte nicht, bis sie ihr selbst die Brosche auf dem schwarzen Kleid angesteckt hatte. Sie hätte den Neffen extra dafür küssen mögen, daß er Lisbeth kein Buch geschenkt hatte.

Am zweiten Weihnachtstage gab es die gewöhnliche kleine Gesellschaft: Doktor Eybe mit seiner Frau; Apotheker Rehbein mit drei Töchtern; ein paar Kapitäne, pensionirt und so stumm wie die meisten Wasserbewohner; zwei Lehrer, davon einer verheirathet und im Begriff, Vater zu werden, was die ganze Gesellschaft in Aufregung hielt, da er beständig auf ein Klopfen horchte, das ihn hinausrufen sollte; dann eine Schreib- und Zeichenlehrerin, die auch mit Wasserfarben Aepfel und Birnen nach der Natur malen lehrte. Die neue Erscheinung, der junge Chemiker, interessirte sofort alle. Er war aber auch ein gewandter Plauderer; mit Doktor Eybe sprach er über Kopenhagener Aerzte und erzählte Klinikgeschichten, daß dem über die Kühnheit seiner Kollegen die Haare zu Berge stiegen; mit

Und dann, als er abends bei der Bescherung mit den Geschenken herauskam! Er hatte für alle etwas, sogar eine seidene Schürze für das Dienstmädchen.

„Aber, Elisabeth, was sagst Du jetzt!“ rief die Mama freudestrahlend, als das Mädchen in einem Tintenfaß, das aber nur Atrappe war, eine zierliche Filigrannadel mit Türkisen fand. Sie sprach in ihrer Herzensfreude nicht anders mit ihr, als mit der zehnjährigen Frieda, und ruhte nicht, bis sie ihr selbst die Brosche auf dem schwarzen Kleid angesteckt hatte. Sie hätte den Neffen extra dafür küssen mögen, daß er Lisbeth kein Buch geschenkt hatte.

Am zweiten Weihnachtstage gab es die gewöhnliche kleine Gesellschaft: Doktor Eybe mit seiner Frau; Apotheker Rehbein mit drei Töchtern; ein paar Kapitäne, pensionirt und so stumm wie die meisten Wasserbewohner; zwei Lehrer, davon einer verheirathet und im Begriff, Vater zu werden, was die ganze Gesellschaft in Aufregung hielt, da er beständig auf ein Klopfen horchte, das ihn hinausrufen sollte; dann eine Schreib- und Zeichenlehrerin, die auch mit Wasserfarben Aepfel und Birnen nach der Natur malen lehrte. Die neue Erscheinung, der junge Chemiker, interessirte sofort alle. Er war aber auch ein gewandter Plauderer; mit Doktor Eybe sprach er über Kopenhagener Aerzte und erzählte Klinikgeschichten, daß dem über die Kühnheit seiner Kollegen die Haare zu Berge stiegen; mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0372" n="364"/>
          <p>Und dann, als er abends bei der Bescherung mit den Geschenken herauskam! Er hatte für alle etwas, sogar eine seidene Schürze für das Dienstmädchen.</p>
          <p>&#x201E;Aber, Elisabeth, was sagst Du jetzt!&#x201C; rief die Mama freudestrahlend, als das Mädchen in einem Tintenfaß, das aber nur Atrappe war, eine zierliche Filigrannadel mit Türkisen fand. Sie sprach in ihrer Herzensfreude nicht anders mit ihr, als mit der zehnjährigen Frieda, und ruhte nicht, bis sie ihr selbst die Brosche auf dem schwarzen Kleid angesteckt hatte. Sie hätte den Neffen extra dafür küssen mögen, daß er Lisbeth kein Buch geschenkt hatte.</p>
          <p>Am zweiten Weihnachtstage gab es die gewöhnliche kleine Gesellschaft: Doktor Eybe mit seiner Frau; Apotheker Rehbein mit drei Töchtern; ein paar Kapitäne, pensionirt und so stumm wie die meisten Wasserbewohner; zwei Lehrer, davon einer verheirathet und im Begriff, Vater zu werden, was die ganze Gesellschaft in Aufregung hielt, da er beständig auf ein Klopfen horchte, das ihn hinausrufen sollte; dann eine Schreib- und Zeichenlehrerin, die auch mit Wasserfarben Aepfel und Birnen nach der Natur malen lehrte. Die neue Erscheinung, der junge Chemiker, interessirte sofort alle. Er war aber auch ein gewandter Plauderer; mit Doktor Eybe sprach er über Kopenhagener Aerzte und erzählte Klinikgeschichten, daß dem über die Kühnheit seiner Kollegen die Haare zu Berge stiegen; mit
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0372] Und dann, als er abends bei der Bescherung mit den Geschenken herauskam! Er hatte für alle etwas, sogar eine seidene Schürze für das Dienstmädchen. „Aber, Elisabeth, was sagst Du jetzt!“ rief die Mama freudestrahlend, als das Mädchen in einem Tintenfaß, das aber nur Atrappe war, eine zierliche Filigrannadel mit Türkisen fand. Sie sprach in ihrer Herzensfreude nicht anders mit ihr, als mit der zehnjährigen Frieda, und ruhte nicht, bis sie ihr selbst die Brosche auf dem schwarzen Kleid angesteckt hatte. Sie hätte den Neffen extra dafür küssen mögen, daß er Lisbeth kein Buch geschenkt hatte. Am zweiten Weihnachtstage gab es die gewöhnliche kleine Gesellschaft: Doktor Eybe mit seiner Frau; Apotheker Rehbein mit drei Töchtern; ein paar Kapitäne, pensionirt und so stumm wie die meisten Wasserbewohner; zwei Lehrer, davon einer verheirathet und im Begriff, Vater zu werden, was die ganze Gesellschaft in Aufregung hielt, da er beständig auf ein Klopfen horchte, das ihn hinausrufen sollte; dann eine Schreib- und Zeichenlehrerin, die auch mit Wasserfarben Aepfel und Birnen nach der Natur malen lehrte. Die neue Erscheinung, der junge Chemiker, interessirte sofort alle. Er war aber auch ein gewandter Plauderer; mit Doktor Eybe sprach er über Kopenhagener Aerzte und erzählte Klinikgeschichten, daß dem über die Kühnheit seiner Kollegen die Haare zu Berge stiegen; mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/372
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/372>, abgerufen am 24.11.2024.