Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895.geworden. Sie hätte sich gesträubt, weil es ihr unangenehm war, im Schlaf gestört zu werden, und "weil sich das nicht gehört hat". Ich musste diese Begebenheit ausführlich berichten, weil sie für das Verständniss alles Späteren eine grosse Bedeutung besitzt. - Sie erzählt dann noch andere Erlebnisse aus etwas späterer Zeit, wie sie sich seiner abermals in einem Wirthshaus zu erwehren hatte, als er vollbetrunken war, udgl. mehr. Auf meine Frage, ob sie bei diesen Anlässen etwas Aehnliches verspürt wie die spätere Athemnoth, antwortet sie mit Bestimmtheit, dass sie dabei jedesmal den Druck auf die Augen und auf die Brust bekam, aber lange nicht so stark wie bei der Scene der Entdeckung. Unmittelbar nach Abschluss dieser Reihe von Erinnerungen beginnt sie eine zweite zu erzählen, in welcher es sich um Gelegenheiten handelt, wo sie auf etwas zwischen dem Onkel und der Francisca aufmerksam wurde. Wie sie einmal, die ganze Familie, die Nacht auf einem Heuboden in Kleidern verbracht und sie in Folge eines Geräusches plötzlich aufwachte; sie glaubte zu bemerken, dass der Onkel, der zwischen ihr und der Francisca gelegen war, wegrückte und die Francisca sich gerade legte. Wie sie ein anderes Mal in einem Wirthshaus des Dorfes N . . übernachteten, sie und der Onkel in dem einen Zimmer, die Francisca in einem anderen nebenan. In der Nacht erwachte sie plötzlich und sah eine lange weisse Gestalt bei der Thür, im Begriff, die Klinke niederzudrücken: "Jesses, Onkel, sein Sie's? Was wollen's bei der Thür?" - "Sei still, ich hab' nur was gesucht." - "Da geht man ja bei der anderen Thür heraus." - "Ich hab mich halt verirrt u. s. w. Ich frage sie, ob sie damals einen Argwohn gehabt. "Nein, gedacht hab' ich mir gar nichts dabei, es ist mir nur immer aufgefallen, aber ich hab' nichts weiter daraus gemacht." - Ob sie bei diesen Gelegenheiten auch die Angst bekommen? - Sie glaubt, ja, aber diesmal ist sie dessen nicht so sicher. Nachdem sie diese beiden Reihen von Erzählungen beendigt, hält sie inne. Sie ist wie verwandelt, das mürrische, leidende Gesicht hat sich belebt, die Augen sehen frisch drein, sie ist erleichtert und gehoben. Mir aber ist unterdess das Verständniss ihres Falles aufgegangen; was sie mir zuletzt anscheinend planlos erzählt hat, erklärt vortrefflich ihr Benehmen bei der Scene der Entdeckung. Sie trug damals zwei Reihen von Erlebnissen mit sich, die sie erinnerte aber nicht verstand, zu keinem Schluss verwertete; beim Anblick des geworden. Sie hätte sich gesträubt, weil es ihr unangenehm war, im Schlaf gestört zu werden, und „weil sich das nicht gehört hat“. Ich musste diese Begebenheit ausführlich berichten, weil sie für das Verständniss alles Späteren eine grosse Bedeutung besitzt. – Sie erzählt dann noch andere Erlebnisse aus etwas späterer Zeit, wie sie sich seiner abermals in einem Wirthshaus zu erwehren hatte, als er vollbetrunken war, udgl. mehr. Auf meine Frage, ob sie bei diesen Anlässen etwas Aehnliches verspürt wie die spätere Athemnoth, antwortet sie mit Bestimmtheit, dass sie dabei jedesmal den Druck auf die Augen und auf die Brust bekam, aber lange nicht so stark wie bei der Scene der Entdeckung. Unmittelbar nach Abschluss dieser Reihe von Erinnerungen beginnt sie eine zweite zu erzählen, in welcher es sich um Gelegenheiten handelt, wo sie auf etwas zwischen dem Onkel und der Francisca aufmerksam wurde. Wie sie einmal, die ganze Familie, die Nacht auf einem Heuboden in Kleidern verbracht und sie in Folge eines Geräusches plötzlich aufwachte; sie glaubte zu bemerken, dass der Onkel, der zwischen ihr und der Francisca gelegen war, wegrückte und die Francisca sich gerade legte. Wie sie ein anderes Mal in einem Wirthshaus des Dorfes N . . übernachteten, sie und der Onkel in dem einen Zimmer, die Francisca in einem anderen nebenan. In der Nacht erwachte sie plötzlich und sah eine lange weisse Gestalt bei der Thür, im Begriff, die Klinke niederzudrücken: „Jesses, Onkel, sein Sie’s? Was wollen’s bei der Thür?“ – „Sei still, ich hab’ nur was gesucht.“ – „Da geht man ja bei der anderen Thür heraus.“ – „Ich hab mich halt verirrt u. s. w. Ich frage sie, ob sie damals einen Argwohn gehabt. „Nein, gedacht hab’ ich mir gar nichts dabei, es ist mir nur immer aufgefallen, aber ich hab’ nichts weiter daraus gemacht.“ – Ob sie bei diesen Gelegenheiten auch die Angst bekommen? – Sie glaubt, ja, aber diesmal ist sie dessen nicht so sicher. Nachdem sie diese beiden Reihen von Erzählungen beendigt, hält sie inne. Sie ist wie verwandelt, das mürrische, leidende Gesicht hat sich belebt, die Augen sehen frisch drein, sie ist erleichtert und gehoben. Mir aber ist unterdess das Verständniss ihres Falles aufgegangen; was sie mir zuletzt anscheinend planlos erzählt hat, erklärt vortrefflich ihr Benehmen bei der Scene der Entdeckung. Sie trug damals zwei Reihen von Erlebnissen mit sich, die sie erinnerte aber nicht verstand, zu keinem Schluss verwertete; beim Anblick des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0118" n="112"/> geworden. Sie hätte sich gesträubt, weil es ihr unangenehm war, im Schlaf gestört zu werden, und „weil sich das nicht gehört hat“.</p> <p>Ich musste diese Begebenheit ausführlich berichten, weil sie für das Verständniss alles Späteren eine grosse Bedeutung besitzt. – Sie erzählt dann noch andere Erlebnisse aus etwas späterer Zeit, wie sie sich seiner abermals in einem Wirthshaus zu erwehren hatte, als er vollbetrunken war, udgl. mehr. Auf meine Frage, ob sie bei diesen Anlässen etwas Aehnliches verspürt wie die spätere Athemnoth, antwortet sie mit Bestimmtheit, dass sie dabei jedesmal den Druck auf die Augen und auf die Brust bekam, aber lange nicht so stark wie bei der Scene der Entdeckung.</p> <p>Unmittelbar nach Abschluss dieser Reihe von Erinnerungen beginnt sie eine zweite zu erzählen, in welcher es sich um Gelegenheiten handelt, wo sie auf etwas zwischen dem Onkel und der Francisca aufmerksam wurde. Wie sie einmal, die ganze Familie, die Nacht auf einem Heuboden in Kleidern verbracht und sie in Folge eines Geräusches plötzlich aufwachte; sie glaubte zu bemerken, dass der Onkel, der zwischen ihr und der Francisca gelegen war, wegrückte und die Francisca sich gerade legte. Wie sie ein anderes Mal in einem Wirthshaus des Dorfes N . . übernachteten, sie und der Onkel in dem einen Zimmer, die Francisca in einem anderen nebenan. In der Nacht erwachte sie plötzlich und sah eine lange weisse Gestalt bei der Thür, im Begriff, die Klinke niederzudrücken: „Jesses, Onkel, sein Sie’s? Was wollen’s bei der Thür?“ – „Sei still, ich hab’ nur was gesucht.“ – „Da geht man ja bei der anderen Thür heraus.“ – „Ich hab mich halt verirrt u. s. w.</p> <p>Ich frage sie, ob sie damals einen Argwohn gehabt. „Nein, gedacht hab’ ich mir gar nichts dabei, es ist mir nur immer aufgefallen, aber ich hab’ nichts weiter daraus gemacht.“ – Ob sie bei diesen Gelegenheiten auch die Angst bekommen? – Sie glaubt, ja, aber diesmal ist sie dessen nicht so sicher.</p> <p>Nachdem sie diese beiden Reihen von Erzählungen beendigt, hält sie inne. Sie ist wie verwandelt, das mürrische, leidende Gesicht hat sich belebt, die Augen sehen frisch drein, sie ist erleichtert und gehoben. Mir aber ist unterdess das Verständniss ihres Falles aufgegangen; was sie mir zuletzt anscheinend planlos erzählt hat, erklärt vortrefflich ihr Benehmen bei der Scene der Entdeckung. Sie trug damals zwei Reihen von Erlebnissen mit sich, die sie erinnerte aber nicht verstand, zu keinem Schluss verwertete; beim Anblick des </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0118]
geworden. Sie hätte sich gesträubt, weil es ihr unangenehm war, im Schlaf gestört zu werden, und „weil sich das nicht gehört hat“.
Ich musste diese Begebenheit ausführlich berichten, weil sie für das Verständniss alles Späteren eine grosse Bedeutung besitzt. – Sie erzählt dann noch andere Erlebnisse aus etwas späterer Zeit, wie sie sich seiner abermals in einem Wirthshaus zu erwehren hatte, als er vollbetrunken war, udgl. mehr. Auf meine Frage, ob sie bei diesen Anlässen etwas Aehnliches verspürt wie die spätere Athemnoth, antwortet sie mit Bestimmtheit, dass sie dabei jedesmal den Druck auf die Augen und auf die Brust bekam, aber lange nicht so stark wie bei der Scene der Entdeckung.
Unmittelbar nach Abschluss dieser Reihe von Erinnerungen beginnt sie eine zweite zu erzählen, in welcher es sich um Gelegenheiten handelt, wo sie auf etwas zwischen dem Onkel und der Francisca aufmerksam wurde. Wie sie einmal, die ganze Familie, die Nacht auf einem Heuboden in Kleidern verbracht und sie in Folge eines Geräusches plötzlich aufwachte; sie glaubte zu bemerken, dass der Onkel, der zwischen ihr und der Francisca gelegen war, wegrückte und die Francisca sich gerade legte. Wie sie ein anderes Mal in einem Wirthshaus des Dorfes N . . übernachteten, sie und der Onkel in dem einen Zimmer, die Francisca in einem anderen nebenan. In der Nacht erwachte sie plötzlich und sah eine lange weisse Gestalt bei der Thür, im Begriff, die Klinke niederzudrücken: „Jesses, Onkel, sein Sie’s? Was wollen’s bei der Thür?“ – „Sei still, ich hab’ nur was gesucht.“ – „Da geht man ja bei der anderen Thür heraus.“ – „Ich hab mich halt verirrt u. s. w.
Ich frage sie, ob sie damals einen Argwohn gehabt. „Nein, gedacht hab’ ich mir gar nichts dabei, es ist mir nur immer aufgefallen, aber ich hab’ nichts weiter daraus gemacht.“ – Ob sie bei diesen Gelegenheiten auch die Angst bekommen? – Sie glaubt, ja, aber diesmal ist sie dessen nicht so sicher.
Nachdem sie diese beiden Reihen von Erzählungen beendigt, hält sie inne. Sie ist wie verwandelt, das mürrische, leidende Gesicht hat sich belebt, die Augen sehen frisch drein, sie ist erleichtert und gehoben. Mir aber ist unterdess das Verständniss ihres Falles aufgegangen; was sie mir zuletzt anscheinend planlos erzählt hat, erklärt vortrefflich ihr Benehmen bei der Scene der Entdeckung. Sie trug damals zwei Reihen von Erlebnissen mit sich, die sie erinnerte aber nicht verstand, zu keinem Schluss verwertete; beim Anblick des
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