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Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895.

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15 Jahren); sie wollte um Hilfe rufen, konnte aber nicht und verlor die Sprache bis zum Abend dieses Tages. Da sie in ihrer wachen Unterhaltung so häufig von Irrenhäusern spricht, unterbreche ich sie und frage nach den anderen Gelegenheiten, bei denen es sich um Irre gehandelt hat. Sie erzählt, ihre Mutter war selbst einige Zeit im Irrenhaus. Sie hätten einmal eine Magd gehabt, deren Frau lange im Irrenhaus war, und die ihr Schauergeschichten zu erzählten pflegte, wie dort die Kranken an Stühle angebunden seien, gezüchtigt werden u. dgl. Dabei krampfen sich ihre Hände vor Grausen, sie sieht dies alles vor Augen. Ich bemühe mich, ihre Vorstellungen von einem Irrenhaus zu corrigiren, versichere ihr, sie werde von einer solchen Anstalt hören können, ohne eine Beziehung auf sich zu verspüren, und dabei glättet sich ihr Gesicht.

Sie fährt in der Aufzählung ihrer Schreckerinnerungen fort: Wie sie ihre Mutter, vom Schlage gerührt, auf dem Boden liegen fand (mit 15 Jahren), die dann noch 4 Jahre lebte, und wie sie mit 19 Jahren einmal nach Hause kam und die Mutter todt fand, mit verzerrtem Gesicht. Diese Erinnerungen abzuschwächen, bereitet mir natürlich grössere Schwierigkeiten, ich versichere nach längerer Auseinandersetzung, dass sie auch dieses Bild nur verschwommen und kraftlos wiedersehen wird. - Ferner wie sie mit 19 Jahren unter einem Stein, den sie aufgehoben, eine Kröte gefunden und darüber die Sprache für Stunden verloren.1

Ich überzeuge mich in dieser Hypnose, dass sie alles weiss, was in der vorigen Hypnose vorgekommen, während sie im Wachen nichts davon weiss.

Am 10. Mai morgens: Sie hat heute zum erstenmal anstatt eines warmen Bades ein Kleienbad genommen. Ich finde sie mit verdriesslichem, krausem Gesicht, die Hände in einen Shawl eingehüllt, über Kälte und Schmerzen klagend. Befragt, was ihr sei, erzählt sie, sie habe in der zu kurzen Wanne unbequem gesessen und davon Schmerzen bekommen. Während der Massage beginnt sie, dass sie sich doch wegen des gestrigen Verrathes an Dr. Breuer kränke; ich beschwichtige sie durch die fromme Lüge, dass ich von Anfang an darum wusste, und damit ist ihre Aufregung (Schnalzen, Gesichtscontractur) behoben. So macht sich jedesmal schon während der Massage mein Einfluss geltend, sie wird ruhiger und klarer und findet auch ohne hypnotisches Befragen die Gründe ihrer jedesmaligen Verstimmung. Auch das Gespräch, das sie während des Massirens mit mir führt,

1 An die Kröte muss sich wohl eine besondere Symbolik geknüpft haben, die ich zu ergründen leider nicht versucht habe.

15 Jahren); sie wollte um Hilfe rufen, konnte aber nicht und verlor die Sprache bis zum Abend dieses Tages. Da sie in ihrer wachen Unterhaltung so häufig von Irrenhäusern spricht, unterbreche ich sie und frage nach den anderen Gelegenheiten, bei denen es sich um Irre gehandelt hat. Sie erzählt, ihre Mutter war selbst einige Zeit im Irrenhaus. Sie hätten einmal eine Magd gehabt, deren Frau lange im Irrenhaus war, und die ihr Schauergeschichten zu erzählten pflegte, wie dort die Kranken an Stühle angebunden seien, gezüchtigt werden u. dgl. Dabei krampfen sich ihre Hände vor Grausen, sie sieht dies alles vor Augen. Ich bemühe mich, ihre Vorstellungen von einem Irrenhaus zu corrigiren, versichere ihr, sie werde von einer solchen Anstalt hören können, ohne eine Beziehung auf sich zu verspüren, und dabei glättet sich ihr Gesicht.

Sie fährt in der Aufzählung ihrer Schreckerinnerungen fort: Wie sie ihre Mutter, vom Schlage gerührt, auf dem Boden liegen fand (mit 15 Jahren), die dann noch 4 Jahre lebte, und wie sie mit 19 Jahren einmal nach Hause kam und die Mutter todt fand, mit verzerrtem Gesicht. Diese Erinnerungen abzuschwächen, bereitet mir natürlich grössere Schwierigkeiten, ich versichere nach längerer Auseinandersetzung, dass sie auch dieses Bild nur verschwommen und kraftlos wiedersehen wird. – Ferner wie sie mit 19 Jahren unter einem Stein, den sie aufgehoben, eine Kröte gefunden und darüber die Sprache für Stunden verloren.1

Ich überzeuge mich in dieser Hypnose, dass sie alles weiss, was in der vorigen Hypnose vorgekommen, während sie im Wachen nichts davon weiss.

Am 10. Mai morgens: Sie hat heute zum erstenmal anstatt eines warmen Bades ein Kleienbad genommen. Ich finde sie mit verdriesslichem, krausem Gesicht, die Hände in einen Shawl eingehüllt, über Kälte und Schmerzen klagend. Befragt, was ihr sei, erzählt sie, sie habe in der zu kurzen Wanne unbequem gesessen und davon Schmerzen bekommen. Während der Massage beginnt sie, dass sie sich doch wegen des gestrigen Verrathes an Dr. Breuer kränke; ich beschwichtige sie durch die fromme Lüge, dass ich von Anfang an darum wusste, und damit ist ihre Aufregung (Schnalzen, Gesichtscontractur) behoben. So macht sich jedesmal schon während der Massage mein Einfluss geltend, sie wird ruhiger und klarer und findet auch ohne hypnotisches Befragen die Gründe ihrer jedesmaligen Verstimmung. Auch das Gespräch, das sie während des Massirens mit mir führt,

1 An die Kröte muss sich wohl eine besondere Symbolik geknüpft haben, die ich zu ergründen leider nicht versucht habe.
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15 Jahren); sie wollte um Hilfe rufen, konnte aber nicht und verlor die Sprache bis zum Abend dieses Tages. Da sie in ihrer wachen Unterhaltung so häufig von Irrenhäusern spricht, unterbreche ich sie und frage nach den anderen Gelegenheiten, bei denen es sich um Irre gehandelt hat. Sie erzählt, ihre Mutter war selbst einige Zeit im Irrenhaus. Sie hätten einmal eine Magd gehabt, deren Frau lange im Irrenhaus war, und die ihr Schauergeschichten zu erzählten pflegte, wie dort die Kranken an Stühle angebunden seien, gezüchtigt werden u. dgl. Dabei krampfen sich ihre Hände vor Grausen, sie sieht dies alles vor Augen. Ich bemühe mich, ihre Vorstellungen von einem Irrenhaus zu corrigiren, versichere ihr, sie werde von einer solchen Anstalt hören können, ohne eine Beziehung auf sich zu verspüren, und dabei glättet sich ihr Gesicht.</p>
          <p>Sie fährt in der Aufzählung ihrer Schreckerinnerungen fort: Wie sie ihre Mutter, vom Schlage gerührt, auf dem Boden liegen fand (mit 15 Jahren), die dann noch 4 Jahre lebte, und wie sie mit 19 Jahren einmal nach Hause kam und die Mutter todt fand, mit verzerrtem Gesicht. Diese Erinnerungen abzuschwächen, bereitet mir natürlich grössere Schwierigkeiten, ich versichere nach längerer Auseinandersetzung, dass sie auch dieses Bild nur verschwommen und kraftlos wiedersehen wird. &#x2013; Ferner wie sie mit 19 Jahren unter einem Stein, den sie aufgehoben, eine Kröte gefunden und darüber die Sprache für Stunden verloren.<note place="foot" n="1">An die Kröte muss sich wohl eine besondere Symbolik geknüpft haben, die ich zu ergründen leider nicht versucht habe.</note></p>
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[44/0050] 15 Jahren); sie wollte um Hilfe rufen, konnte aber nicht und verlor die Sprache bis zum Abend dieses Tages. Da sie in ihrer wachen Unterhaltung so häufig von Irrenhäusern spricht, unterbreche ich sie und frage nach den anderen Gelegenheiten, bei denen es sich um Irre gehandelt hat. Sie erzählt, ihre Mutter war selbst einige Zeit im Irrenhaus. Sie hätten einmal eine Magd gehabt, deren Frau lange im Irrenhaus war, und die ihr Schauergeschichten zu erzählten pflegte, wie dort die Kranken an Stühle angebunden seien, gezüchtigt werden u. dgl. Dabei krampfen sich ihre Hände vor Grausen, sie sieht dies alles vor Augen. Ich bemühe mich, ihre Vorstellungen von einem Irrenhaus zu corrigiren, versichere ihr, sie werde von einer solchen Anstalt hören können, ohne eine Beziehung auf sich zu verspüren, und dabei glättet sich ihr Gesicht. Sie fährt in der Aufzählung ihrer Schreckerinnerungen fort: Wie sie ihre Mutter, vom Schlage gerührt, auf dem Boden liegen fand (mit 15 Jahren), die dann noch 4 Jahre lebte, und wie sie mit 19 Jahren einmal nach Hause kam und die Mutter todt fand, mit verzerrtem Gesicht. Diese Erinnerungen abzuschwächen, bereitet mir natürlich grössere Schwierigkeiten, ich versichere nach längerer Auseinandersetzung, dass sie auch dieses Bild nur verschwommen und kraftlos wiedersehen wird. – Ferner wie sie mit 19 Jahren unter einem Stein, den sie aufgehoben, eine Kröte gefunden und darüber die Sprache für Stunden verloren. 1 Ich überzeuge mich in dieser Hypnose, dass sie alles weiss, was in der vorigen Hypnose vorgekommen, während sie im Wachen nichts davon weiss. Am 10. Mai morgens: Sie hat heute zum erstenmal anstatt eines warmen Bades ein Kleienbad genommen. Ich finde sie mit verdriesslichem, krausem Gesicht, die Hände in einen Shawl eingehüllt, über Kälte und Schmerzen klagend. Befragt, was ihr sei, erzählt sie, sie habe in der zu kurzen Wanne unbequem gesessen und davon Schmerzen bekommen. Während der Massage beginnt sie, dass sie sich doch wegen des gestrigen Verrathes an Dr. Breuer kränke; ich beschwichtige sie durch die fromme Lüge, dass ich von Anfang an darum wusste, und damit ist ihre Aufregung (Schnalzen, Gesichtscontractur) behoben. So macht sich jedesmal schon während der Massage mein Einfluss geltend, sie wird ruhiger und klarer und findet auch ohne hypnotisches Befragen die Gründe ihrer jedesmaligen Verstimmung. Auch das Gespräch, das sie während des Massirens mit mir führt, 1 An die Kröte muss sich wohl eine besondere Symbolik geknüpft haben, die ich zu ergründen leider nicht versucht habe.

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Zitationshilfe: Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/freud_hysterie_1895/50>, abgerufen am 21.11.2024.