Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895.Hinsicht enge Schranken gezogen seien, und dass, wo ein Patient nicht nach 1-3 Versuchen somnambul wurde, ich auch kein Mittel besass, ihn dazu zu machen. Der Procentsatz der Somnambulen blieb aber in meiner Erfahrung weit hinter dem von Bernheim angegebenen zurück. So stand ich vor der Wahl, entweder die kathartische Methode in den meisten Fällen, die sich dazu eignen mochten, zu unterlassen, oder den Versuch zu wagen, sie ausserhalb des Somnambulismus in leichten und selbst in zweifelhaften Fällen von hypnotischer Beeinflussung auszuüben. Welchem Grad von Hypnose - nach einer der hiefür aufgestellten Scalen - der nicht somnambule Zustand entsprach, schien mir gleichgiltig, da ja jede Richtung der Suggerirbarkeit von der anderen ohnedies unabhängig ist, und die Hervorrufung von Katalepsie, automatischen Bewegungen udgl. für eine Erleichterung in der Erweckung von vergessenen Erinnerungen, wie ich sie brauchte, nichts präjudicirt. Ich gewöhnte mir auch bald die Vornahme jener Versuche ab, welche den Grad der Hypnose bestimmen sollen, da diese in einer ganzen Reihe von Fällen den Widerstand der Kranken rege machten und mir das Zutrauen trübten, das ich für die wichtigere psychische Arbeit brauchte. Ueberdiess war ich bald müde geworden, auf die Versicherung und den Befehl: "Sie werden schlafen, schlafen Sie!" immer wieder bei leichteren Graden von Hypnose den Einspruch zu hören: "Aber Herr Doctor, ich schlafe ja nicht", um dann die allzuheikle Unterscheidung vorbringen zu müssen: "Ich meine ja nicht den gewöhnlichen Schlaf, ich meine die Hypnose. Sehen Sie, Sie sind hypnotisirt, Sie können ja die Augen nicht öffnen udgl. Uebrigens brauche ich den Schlaf gar nicht" udgl. Ich bin selbst überzeugt, dass viele meiner Collegen in der Psychotherapie sich aus diesen Schwierigkeiten geschickter zu ziehen wissen als ich; die mögen dann auch anders verfahren. Ich finde aber, wenn man in solcher Häufigkeit darauf rechnen darf, sich durch den Gebrauch eines Wortes Verlegenheit zu bereiten, thut man besser daran, dem Wort und der Verlegenheit aus dem Weg zu gehen. Wo also der erste Versuch nicht Somnambulismus oder einen Grad von Hypnose mit ausgesprochenen körperlichen Veränderungen ausgab, da lies ich die Hypnose scheinbar fallen, verlangte nur "Concentrirung" und ordnete die Rückenlage und willkürlichen Verschluss der Augen als Mittel zur Erreichung dieser "Concentrirung" an. Ich mag dabei mit leichter Mühe zu so tiefen Graden der Hypnose gelangt sein, als es überhaupt erreichbar war. Hinsicht enge Schranken gezogen seien, und dass, wo ein Patient nicht nach 1–3 Versuchen somnambul wurde, ich auch kein Mittel besass, ihn dazu zu machen. Der Procentsatz der Somnambulen blieb aber in meiner Erfahrung weit hinter dem von Bernheim angegebenen zurück. So stand ich vor der Wahl, entweder die kathartische Methode in den meisten Fällen, die sich dazu eignen mochten, zu unterlassen, oder den Versuch zu wagen, sie ausserhalb des Somnambulismus in leichten und selbst in zweifelhaften Fällen von hypnotischer Beeinflussung auszuüben. Welchem Grad von Hypnose – nach einer der hiefür aufgestellten Scalen – der nicht somnambule Zustand entsprach, schien mir gleichgiltig, da ja jede Richtung der Suggerirbarkeit von der anderen ohnedies unabhängig ist, und die Hervorrufung von Katalepsie, automatischen Bewegungen udgl. für eine Erleichterung in der Erweckung von vergessenen Erinnerungen, wie ich sie brauchte, nichts präjudicirt. Ich gewöhnte mir auch bald die Vornahme jener Versuche ab, welche den Grad der Hypnose bestimmen sollen, da diese in einer ganzen Reihe von Fällen den Widerstand der Kranken rege machten und mir das Zutrauen trübten, das ich für die wichtigere psychische Arbeit brauchte. Ueberdiess war ich bald müde geworden, auf die Versicherung und den Befehl: „Sie werden schlafen, schlafen Sie!“ immer wieder bei leichteren Graden von Hypnose den Einspruch zu hören: „Aber Herr Doctor, ich schlafe ja nicht“, um dann die allzuheikle Unterscheidung vorbringen zu müssen: „Ich meine ja nicht den gewöhnlichen Schlaf, ich meine die Hypnose. Sehen Sie, Sie sind hypnotisirt, Sie können ja die Augen nicht öffnen udgl. Uebrigens brauche ich den Schlaf gar nicht“ udgl. Ich bin selbst überzeugt, dass viele meiner Collegen in der Psychotherapie sich aus diesen Schwierigkeiten geschickter zu ziehen wissen als ich; die mögen dann auch anders verfahren. Ich finde aber, wenn man in solcher Häufigkeit darauf rechnen darf, sich durch den Gebrauch eines Wortes Verlegenheit zu bereiten, thut man besser daran, dem Wort und der Verlegenheit aus dem Weg zu gehen. Wo also der erste Versuch nicht Somnambulismus oder einen Grad von Hypnose mit ausgesprochenen körperlichen Veränderungen ausgab, da lies ich die Hypnose scheinbar fallen, verlangte nur „Concentrirung“ und ordnete die Rückenlage und willkürlichen Verschluss der Augen als Mittel zur Erreichung dieser „Concentrirung“ an. Ich mag dabei mit leichter Mühe zu so tiefen Graden der Hypnose gelangt sein, als es überhaupt erreichbar war. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0098" n="92"/> Hinsicht enge Schranken gezogen seien, und dass, wo ein Patient nicht nach 1–3 Versuchen somnambul wurde, ich auch kein Mittel besass, ihn dazu zu machen. Der Procentsatz der Somnambulen blieb aber in meiner Erfahrung weit hinter dem von <hi rendition="#g">Bernheim</hi> angegebenen zurück.</p> <p>So stand ich vor der Wahl, entweder die kathartische Methode in den meisten Fällen, die sich dazu eignen mochten, zu unterlassen, oder den Versuch zu wagen, sie ausserhalb des Somnambulismus in leichten und selbst in zweifelhaften Fällen von hypnotischer Beeinflussung auszuüben. Welchem Grad von Hypnose – nach einer der hiefür aufgestellten Scalen – der nicht somnambule Zustand entsprach, schien mir gleichgiltig, da ja jede Richtung der Suggerirbarkeit von der anderen ohnedies unabhängig ist, und die Hervorrufung von Katalepsie, automatischen Bewegungen udgl. für eine Erleichterung in der Erweckung von vergessenen Erinnerungen, wie ich sie brauchte, nichts präjudicirt. Ich gewöhnte mir auch bald die Vornahme jener Versuche ab, welche den Grad der Hypnose bestimmen sollen, da diese in einer ganzen Reihe von Fällen den Widerstand der Kranken rege machten und mir das Zutrauen trübten, das ich für die wichtigere psychische Arbeit brauchte. Ueberdiess war ich bald müde geworden, auf die Versicherung und den Befehl: „Sie werden schlafen, schlafen Sie!“ immer wieder bei leichteren Graden von Hypnose den Einspruch zu hören: „Aber Herr Doctor, ich schlafe ja nicht“, um dann die allzuheikle Unterscheidung vorbringen zu müssen: „Ich meine ja nicht den gewöhnlichen Schlaf, ich meine die Hypnose. Sehen Sie, Sie sind hypnotisirt, Sie können ja die Augen nicht öffnen udgl. Uebrigens brauche ich den Schlaf gar nicht“ udgl. Ich bin selbst überzeugt, dass viele meiner Collegen in der Psychotherapie sich aus diesen Schwierigkeiten geschickter zu ziehen wissen als ich; die mögen dann auch anders verfahren. Ich finde aber, wenn man in solcher Häufigkeit darauf rechnen darf, sich durch den Gebrauch eines Wortes Verlegenheit zu bereiten, thut man besser daran, dem Wort und der Verlegenheit aus dem Weg zu gehen. Wo also der erste Versuch nicht Somnambulismus oder einen Grad von Hypnose mit ausgesprochenen körperlichen Veränderungen ausgab, da lies ich die Hypnose scheinbar fallen, verlangte nur „Concentrirung“ und ordnete die Rückenlage und willkürlichen Verschluss der Augen als Mittel zur Erreichung dieser „Concentrirung“ an. Ich mag dabei mit leichter Mühe zu so tiefen Graden der Hypnose gelangt sein, als es überhaupt erreichbar war.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0098]
Hinsicht enge Schranken gezogen seien, und dass, wo ein Patient nicht nach 1–3 Versuchen somnambul wurde, ich auch kein Mittel besass, ihn dazu zu machen. Der Procentsatz der Somnambulen blieb aber in meiner Erfahrung weit hinter dem von Bernheim angegebenen zurück.
So stand ich vor der Wahl, entweder die kathartische Methode in den meisten Fällen, die sich dazu eignen mochten, zu unterlassen, oder den Versuch zu wagen, sie ausserhalb des Somnambulismus in leichten und selbst in zweifelhaften Fällen von hypnotischer Beeinflussung auszuüben. Welchem Grad von Hypnose – nach einer der hiefür aufgestellten Scalen – der nicht somnambule Zustand entsprach, schien mir gleichgiltig, da ja jede Richtung der Suggerirbarkeit von der anderen ohnedies unabhängig ist, und die Hervorrufung von Katalepsie, automatischen Bewegungen udgl. für eine Erleichterung in der Erweckung von vergessenen Erinnerungen, wie ich sie brauchte, nichts präjudicirt. Ich gewöhnte mir auch bald die Vornahme jener Versuche ab, welche den Grad der Hypnose bestimmen sollen, da diese in einer ganzen Reihe von Fällen den Widerstand der Kranken rege machten und mir das Zutrauen trübten, das ich für die wichtigere psychische Arbeit brauchte. Ueberdiess war ich bald müde geworden, auf die Versicherung und den Befehl: „Sie werden schlafen, schlafen Sie!“ immer wieder bei leichteren Graden von Hypnose den Einspruch zu hören: „Aber Herr Doctor, ich schlafe ja nicht“, um dann die allzuheikle Unterscheidung vorbringen zu müssen: „Ich meine ja nicht den gewöhnlichen Schlaf, ich meine die Hypnose. Sehen Sie, Sie sind hypnotisirt, Sie können ja die Augen nicht öffnen udgl. Uebrigens brauche ich den Schlaf gar nicht“ udgl. Ich bin selbst überzeugt, dass viele meiner Collegen in der Psychotherapie sich aus diesen Schwierigkeiten geschickter zu ziehen wissen als ich; die mögen dann auch anders verfahren. Ich finde aber, wenn man in solcher Häufigkeit darauf rechnen darf, sich durch den Gebrauch eines Wortes Verlegenheit zu bereiten, thut man besser daran, dem Wort und der Verlegenheit aus dem Weg zu gehen. Wo also der erste Versuch nicht Somnambulismus oder einen Grad von Hypnose mit ausgesprochenen körperlichen Veränderungen ausgab, da lies ich die Hypnose scheinbar fallen, verlangte nur „Concentrirung“ und ordnete die Rückenlage und willkürlichen Verschluss der Augen als Mittel zur Erreichung dieser „Concentrirung“ an. Ich mag dabei mit leichter Mühe zu so tiefen Graden der Hypnose gelangt sein, als es überhaupt erreichbar war.
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