Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ah ... drum habt Ihr ihn gleich frisch an diesem Punkte angebohrt. Na ... trinkt eins, Meister Bölzlein; für was wäre man Wirth zum kleinen Anker, wüßte man nicht, wo solche Praktiken sich brauchen ließen. Wißt Ihr doch auch, wo die Schneiderhölle liegt ... he? Ha, ha! Der Schneider leerte sein Glas und lachte mit dem pfiffigsten Gesichte, das er aufzutreiben vermochte, zur Gesellschaft mit; wie alle klugen Leute wollte er nicht ohne Schein an sich fallen lassen, als ob er sich nicht so gut wie Andere auf seinen eigenen Vortheil verstände. Dann aber sagte er weiter: Und Ihr haltet den Herrn wirklich für einen deutschländischen Grafen oder Fürsten und dergleichen? Und Ihr zweifelt daran? erwiderte der Wirth, indem sich wieder ein Zug der Geringschätzung um seinen Mund legte; aber habt Ihr denn keine Augen im Kopfe? Oder habt Ihr an unsern gnädigen Herren schon solche Manieren gesehen? Solche, solche ... ja, wie soll's unsereins ausdrücken! Nein! die bringen's ihr Leben lang nicht zu Stande, sie mögen stolzieren und sich spreizen, wie sie wollen. Aber er hat auch nicht einen einzigen Goldring am Finger, entgegnete Bölzlein, während er sein Auge auf ein kleines Reifchen sinken ließ, das einen seiner eigenen Finger umspannte; ich hab' genau Achtung gegeben, sobald er den Handschuh zog. So, und Ihr meint, solche Herren brauchen der- Ah … drum habt Ihr ihn gleich frisch an diesem Punkte angebohrt. Na … trinkt eins, Meister Bölzlein; für was wäre man Wirth zum kleinen Anker, wüßte man nicht, wo solche Praktiken sich brauchen ließen. Wißt Ihr doch auch, wo die Schneiderhölle liegt … he? Ha, ha! Der Schneider leerte sein Glas und lachte mit dem pfiffigsten Gesichte, das er aufzutreiben vermochte, zur Gesellschaft mit; wie alle klugen Leute wollte er nicht ohne Schein an sich fallen lassen, als ob er sich nicht so gut wie Andere auf seinen eigenen Vortheil verstände. Dann aber sagte er weiter: Und Ihr haltet den Herrn wirklich für einen deutschländischen Grafen oder Fürsten und dergleichen? Und Ihr zweifelt daran? erwiderte der Wirth, indem sich wieder ein Zug der Geringschätzung um seinen Mund legte; aber habt Ihr denn keine Augen im Kopfe? Oder habt Ihr an unsern gnädigen Herren schon solche Manieren gesehen? Solche, solche … ja, wie soll's unsereins ausdrücken! Nein! die bringen's ihr Leben lang nicht zu Stande, sie mögen stolzieren und sich spreizen, wie sie wollen. Aber er hat auch nicht einen einzigen Goldring am Finger, entgegnete Bölzlein, während er sein Auge auf ein kleines Reifchen sinken ließ, das einen seiner eigenen Finger umspannte; ich hab' genau Achtung gegeben, sobald er den Handschuh zog. So, und Ihr meint, solche Herren brauchen der- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <pb facs="#f0013"/> <p>Ah … drum habt Ihr ihn gleich frisch an diesem Punkte angebohrt.</p><lb/> <p>Na … trinkt eins, Meister Bölzlein; für was wäre man Wirth zum kleinen Anker, wüßte man nicht, wo solche Praktiken sich brauchen ließen. Wißt Ihr doch auch, wo die Schneiderhölle liegt … he? Ha, ha!</p><lb/> <p>Der Schneider leerte sein Glas und lachte mit dem pfiffigsten Gesichte, das er aufzutreiben vermochte, zur Gesellschaft mit; wie alle klugen Leute wollte er nicht ohne Schein an sich fallen lassen, als ob er sich nicht so gut wie Andere auf seinen eigenen Vortheil verstände. Dann aber sagte er weiter: Und Ihr haltet den Herrn wirklich für einen deutschländischen Grafen oder Fürsten und dergleichen?</p><lb/> <p>Und Ihr zweifelt daran? erwiderte der Wirth, indem sich wieder ein Zug der Geringschätzung um seinen Mund legte; aber habt Ihr denn keine Augen im Kopfe? Oder habt Ihr an unsern gnädigen Herren schon solche Manieren gesehen? Solche, solche … ja, wie soll's unsereins ausdrücken! Nein! die bringen's ihr Leben lang nicht zu Stande, sie mögen stolzieren und sich spreizen, wie sie wollen.</p><lb/> <p>Aber er hat auch nicht einen einzigen Goldring am Finger, entgegnete Bölzlein, während er sein Auge auf ein kleines Reifchen sinken ließ, das einen seiner eigenen Finger umspannte; ich hab' genau Achtung gegeben, sobald er den Handschuh zog.</p><lb/> <p>So, und Ihr meint, solche Herren brauchen der-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
Ah … drum habt Ihr ihn gleich frisch an diesem Punkte angebohrt.
Na … trinkt eins, Meister Bölzlein; für was wäre man Wirth zum kleinen Anker, wüßte man nicht, wo solche Praktiken sich brauchen ließen. Wißt Ihr doch auch, wo die Schneiderhölle liegt … he? Ha, ha!
Der Schneider leerte sein Glas und lachte mit dem pfiffigsten Gesichte, das er aufzutreiben vermochte, zur Gesellschaft mit; wie alle klugen Leute wollte er nicht ohne Schein an sich fallen lassen, als ob er sich nicht so gut wie Andere auf seinen eigenen Vortheil verstände. Dann aber sagte er weiter: Und Ihr haltet den Herrn wirklich für einen deutschländischen Grafen oder Fürsten und dergleichen?
Und Ihr zweifelt daran? erwiderte der Wirth, indem sich wieder ein Zug der Geringschätzung um seinen Mund legte; aber habt Ihr denn keine Augen im Kopfe? Oder habt Ihr an unsern gnädigen Herren schon solche Manieren gesehen? Solche, solche … ja, wie soll's unsereins ausdrücken! Nein! die bringen's ihr Leben lang nicht zu Stande, sie mögen stolzieren und sich spreizen, wie sie wollen.
Aber er hat auch nicht einen einzigen Goldring am Finger, entgegnete Bölzlein, während er sein Auge auf ein kleines Reifchen sinken ließ, das einen seiner eigenen Finger umspannte; ich hab' genau Achtung gegeben, sobald er den Handschuh zog.
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