Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

geworden, wie dasjenige des alten Mannes selbst, und nur aus seinen Augen brach eine dunkle, brennende Glut hervor. Ja, ich will mein Leben für Eure Ehre wagen, rief er, nicht um Eure Goldkronen; aber gegen das Versprechen, Euerm Kinde, Eurer Tochter den freien, ungehemmten Willen zu lassen!

Der Oberst blickte mit großen, erstaunten Augen auf und sagte langsam, als müßte er sich über seine Worte besinnen, oder als traute er dem gesunden Verstande des jungen Mannes nicht mehr: Versteht sich, den ungehemmten Willen soll meine Julie schon haben und Ihr die versprochenen Kronen obendrein, Meyer.

Wohlan denn ... gedenkt Eures Wortes, rief Theobald, das Oberkleid von den Schultern streifend und einen Blick den Fluß hinabwerfend, wo der Flüchtling bereits die Brücke hinter sich gelassen; bleib' ich unten, so bringt Julien meinen letzten Gruß, Herr Oberst.

Dieser streckte plötzlich die Hand aus, als ob er den Sprungfertigen noch zurückhalten wolle, nicht aus Mitleid und Besorgniß, denn es ging ein grimmiges Zucken und Beben über sein Gesicht, da er wohl erst mit dem letzten Worte Theobald's den vollen Sinn und die Tragweite seines Versprechens erfaßt haben mochte; aber er kam zu spät, und es achtete seiner auch Niemand in dem Augenblicke, wo die trüben Fluten bereits über dem kühnen Schwimmer zusammenschlugen.

Aber nicht lange bedeckten sie ihn; nach einer kur-

geworden, wie dasjenige des alten Mannes selbst, und nur aus seinen Augen brach eine dunkle, brennende Glut hervor. Ja, ich will mein Leben für Eure Ehre wagen, rief er, nicht um Eure Goldkronen; aber gegen das Versprechen, Euerm Kinde, Eurer Tochter den freien, ungehemmten Willen zu lassen!

Der Oberst blickte mit großen, erstaunten Augen auf und sagte langsam, als müßte er sich über seine Worte besinnen, oder als traute er dem gesunden Verstande des jungen Mannes nicht mehr: Versteht sich, den ungehemmten Willen soll meine Julie schon haben und Ihr die versprochenen Kronen obendrein, Meyer.

Wohlan denn … gedenkt Eures Wortes, rief Theobald, das Oberkleid von den Schultern streifend und einen Blick den Fluß hinabwerfend, wo der Flüchtling bereits die Brücke hinter sich gelassen; bleib' ich unten, so bringt Julien meinen letzten Gruß, Herr Oberst.

Dieser streckte plötzlich die Hand aus, als ob er den Sprungfertigen noch zurückhalten wolle, nicht aus Mitleid und Besorgniß, denn es ging ein grimmiges Zucken und Beben über sein Gesicht, da er wohl erst mit dem letzten Worte Theobald's den vollen Sinn und die Tragweite seines Versprechens erfaßt haben mochte; aber er kam zu spät, und es achtete seiner auch Niemand in dem Augenblicke, wo die trüben Fluten bereits über dem kühnen Schwimmer zusammenschlugen.

Aber nicht lange bedeckten sie ihn; nach einer kur-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0070"/>
geworden, wie dasjenige des alten Mannes      selbst, und nur aus seinen Augen brach eine dunkle, brennende Glut hervor. Ja, ich will mein      Leben für Eure Ehre wagen, rief er, nicht um Eure Goldkronen; aber gegen das Versprechen, Euerm      Kinde, Eurer Tochter den freien, ungehemmten Willen zu lassen!</p><lb/>
        <p>Der Oberst blickte mit großen, erstaunten Augen auf und sagte langsam, als müßte er sich über      seine Worte besinnen, oder als traute er dem gesunden Verstande des jungen Mannes nicht mehr:      Versteht sich, den ungehemmten Willen soll meine Julie schon haben und Ihr die versprochenen      Kronen obendrein, Meyer.</p><lb/>
        <p>Wohlan denn &#x2026; gedenkt Eures Wortes, rief Theobald, das Oberkleid von den Schultern      streifend und einen Blick den Fluß hinabwerfend, wo der Flüchtling bereits die Brücke hinter      sich gelassen; bleib' ich unten, so bringt Julien meinen letzten Gruß, Herr Oberst.</p><lb/>
        <p>Dieser streckte plötzlich die Hand aus, als ob er den Sprungfertigen noch zurückhalten wolle,      nicht aus Mitleid und Besorgniß, denn es ging ein grimmiges Zucken und Beben über sein Gesicht,      da er wohl erst mit dem letzten Worte Theobald's den vollen Sinn und die Tragweite seines      Versprechens erfaßt haben mochte; aber er kam zu spät, und es achtete seiner auch Niemand in      dem Augenblicke, wo die trüben Fluten bereits über dem kühnen Schwimmer zusammenschlugen.</p><lb/>
        <p>Aber nicht lange bedeckten sie ihn; nach einer kur-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0070] geworden, wie dasjenige des alten Mannes selbst, und nur aus seinen Augen brach eine dunkle, brennende Glut hervor. Ja, ich will mein Leben für Eure Ehre wagen, rief er, nicht um Eure Goldkronen; aber gegen das Versprechen, Euerm Kinde, Eurer Tochter den freien, ungehemmten Willen zu lassen! Der Oberst blickte mit großen, erstaunten Augen auf und sagte langsam, als müßte er sich über seine Worte besinnen, oder als traute er dem gesunden Verstande des jungen Mannes nicht mehr: Versteht sich, den ungehemmten Willen soll meine Julie schon haben und Ihr die versprochenen Kronen obendrein, Meyer. Wohlan denn … gedenkt Eures Wortes, rief Theobald, das Oberkleid von den Schultern streifend und einen Blick den Fluß hinabwerfend, wo der Flüchtling bereits die Brücke hinter sich gelassen; bleib' ich unten, so bringt Julien meinen letzten Gruß, Herr Oberst. Dieser streckte plötzlich die Hand aus, als ob er den Sprungfertigen noch zurückhalten wolle, nicht aus Mitleid und Besorgniß, denn es ging ein grimmiges Zucken und Beben über sein Gesicht, da er wohl erst mit dem letzten Worte Theobald's den vollen Sinn und die Tragweite seines Versprechens erfaßt haben mochte; aber er kam zu spät, und es achtete seiner auch Niemand in dem Augenblicke, wo die trüben Fluten bereits über dem kühnen Schwimmer zusammenschlugen. Aber nicht lange bedeckten sie ihn; nach einer kur-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/70
Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/70>, abgerufen am 23.11.2024.