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Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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an der Aare hinab sich in Händen der Verschwörer befand mit all den Waffenvorräthen, die dort aufbewahrt lagen.

Aber als Nachmittags die Kunde durch die Stadt flog, der Hauptmann Henzi sei bei einem verzweifelten Fluchtversuche und erst nach grimmigem Kampfe mitten in der Aare von dem Haarkräuslergesellen des Meisters Hänni festgenommen worden, da hatte sich die Lage mit einem Schlage gewendet. Die Straßen bedeckten sich plötzlich wie auf ein gegebenes Zeichen mit bewaffneten Schaaren, die nach dem Rathhause zogen, um sich dort unter die Befehle der Baretliherren zu stellen, und in kaum zwei Stunden stand die Stadt gerüstet, wie in den Nothtagen langvergangener Heldenzeit. Bald jedoch mußte die Einsicht die Oberhand gewinnen, daß nun selbst diese Rüstungen überflüssig geworden. Vom Lande her, von dem man befürchtet, daß es mit der Verschwörung im Bunde stehe, kamen alle ausgeschickten Kundschafter mit der Botschaft zurück, daß die Bevölkerung weit und breit sich wie ein Mann erhebe, um dem Regimente der gnädigen Herren und Obern zu Hülfe zu eilen, und in der Stadt waren ja die Verschwörer gefangen, oder von ihren eigenen Freunden verrathen und im Stiche gelassen. So kam es denn, daß die ganze Waffenerhebung bald ein mehr heiteres und lebenslustiges, als Gefahr und Tod drohendes Aussehen gewann, wie ja der Mensch stets nach kaum überstandener Noth wieder am eifrigsten dem frohen Genusse

an der Aare hinab sich in Händen der Verschwörer befand mit all den Waffenvorräthen, die dort aufbewahrt lagen.

Aber als Nachmittags die Kunde durch die Stadt flog, der Hauptmann Henzi sei bei einem verzweifelten Fluchtversuche und erst nach grimmigem Kampfe mitten in der Aare von dem Haarkräuslergesellen des Meisters Hänni festgenommen worden, da hatte sich die Lage mit einem Schlage gewendet. Die Straßen bedeckten sich plötzlich wie auf ein gegebenes Zeichen mit bewaffneten Schaaren, die nach dem Rathhause zogen, um sich dort unter die Befehle der Baretliherren zu stellen, und in kaum zwei Stunden stand die Stadt gerüstet, wie in den Nothtagen langvergangener Heldenzeit. Bald jedoch mußte die Einsicht die Oberhand gewinnen, daß nun selbst diese Rüstungen überflüssig geworden. Vom Lande her, von dem man befürchtet, daß es mit der Verschwörung im Bunde stehe, kamen alle ausgeschickten Kundschafter mit der Botschaft zurück, daß die Bevölkerung weit und breit sich wie ein Mann erhebe, um dem Regimente der gnädigen Herren und Obern zu Hülfe zu eilen, und in der Stadt waren ja die Verschwörer gefangen, oder von ihren eigenen Freunden verrathen und im Stiche gelassen. So kam es denn, daß die ganze Waffenerhebung bald ein mehr heiteres und lebenslustiges, als Gefahr und Tod drohendes Aussehen gewann, wie ja der Mensch stets nach kaum überstandener Noth wieder am eifrigsten dem frohen Genusse

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[0072] an der Aare hinab sich in Händen der Verschwörer befand mit all den Waffenvorräthen, die dort aufbewahrt lagen. Aber als Nachmittags die Kunde durch die Stadt flog, der Hauptmann Henzi sei bei einem verzweifelten Fluchtversuche und erst nach grimmigem Kampfe mitten in der Aare von dem Haarkräuslergesellen des Meisters Hänni festgenommen worden, da hatte sich die Lage mit einem Schlage gewendet. Die Straßen bedeckten sich plötzlich wie auf ein gegebenes Zeichen mit bewaffneten Schaaren, die nach dem Rathhause zogen, um sich dort unter die Befehle der Baretliherren zu stellen, und in kaum zwei Stunden stand die Stadt gerüstet, wie in den Nothtagen langvergangener Heldenzeit. Bald jedoch mußte die Einsicht die Oberhand gewinnen, daß nun selbst diese Rüstungen überflüssig geworden. Vom Lande her, von dem man befürchtet, daß es mit der Verschwörung im Bunde stehe, kamen alle ausgeschickten Kundschafter mit der Botschaft zurück, daß die Bevölkerung weit und breit sich wie ein Mann erhebe, um dem Regimente der gnädigen Herren und Obern zu Hülfe zu eilen, und in der Stadt waren ja die Verschwörer gefangen, oder von ihren eigenen Freunden verrathen und im Stiche gelassen. So kam es denn, daß die ganze Waffenerhebung bald ein mehr heiteres und lebenslustiges, als Gefahr und Tod drohendes Aussehen gewann, wie ja der Mensch stets nach kaum überstandener Noth wieder am eifrigsten dem frohen Genusse

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

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Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/72>, abgerufen am 23.11.2024.