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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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bearbeitet werden. Deutlichkeit ist die erste Regel,
welche alle, die reden und schreiben, beobachten müssen,
weil ihre Absicht ist, die Gedanken und Begriffe zu
mahlen, und durch Worte auszudrücken. Wozu dient
es, die richtigsten, stärksten und glänzendesten Ideen
zu denken, wenn man sie nicht verständlich ausdrücken
kann? Vielen von unsern Schriftstellern gefällt ein
verworrner Styl; sie schließen eine Parenthese in
die andere, und oft findet man erst am Ende einer
Seite das Wort, von welchem der Sinn der ganzen
Periode abhängt. Nichts verwirrt die Construktion
mehr; anstatt reich zu seyn, ist man nachläßig, und es
würde leichter seyn, das Räthsel des Sphynx aufzulö-
sen, als ihre Gedanken. Eben so schädlich für die Fort-
schritte der Wissenschaften, als die Fehler, welche ich
unsrer Sprache und unserm Styl vorgeworfen, ist der
Mangel eines gründlichen Studirens. Man hat un-
serer Nation ehemals Pedanterie vorgeworfen, weil
wir eine Menge Commentatoren, und gar zu sorgfäl-
tige Untersucher von Kleinigkeiten unter unsern Ge-
lehrten hatten. Um sich von diesem Vorwurf zu be-
freyen, fängt man itzt an, das Studium der gelehrten
Sprachen ganz zu vernachläßigen; und um nicht für
einen Pedanten gehalten zu werden, bleibt man in
allen Wissenschaften nur bey der Oberfläche stehn.
Wenige unsrer heutigen Gelehrten können ohne Schwie-
rigkeit die griechischen und lateinischen klassischen

Schrift-

bearbeitet werden. Deutlichkeit iſt die erſte Regel,
welche alle, die reden und ſchreiben, beobachten muͤſſen,
weil ihre Abſicht iſt, die Gedanken und Begriffe zu
mahlen, und durch Worte auszudruͤcken. Wozu dient
es, die richtigſten, ſtaͤrkſten und glaͤnzendeſten Ideen
zu denken, wenn man ſie nicht verſtaͤndlich ausdruͤcken
kann? Vielen von unſern Schriftſtellern gefaͤllt ein
verworrner Styl; ſie ſchließen eine Parentheſe in
die andere, und oft findet man erſt am Ende einer
Seite das Wort, von welchem der Sinn der ganzen
Periode abhaͤngt. Nichts verwirrt die Conſtruktion
mehr; anſtatt reich zu ſeyn, iſt man nachlaͤßig, und es
wuͤrde leichter ſeyn, das Raͤthſel des Sphynx aufzuloͤ-
ſen, als ihre Gedanken. Eben ſo ſchaͤdlich fuͤr die Fort-
ſchritte der Wiſſenſchaften, als die Fehler, welche ich
unſrer Sprache und unſerm Styl vorgeworfen, iſt der
Mangel eines gruͤndlichen Studirens. Man hat un-
ſerer Nation ehemals Pedanterie vorgeworfen, weil
wir eine Menge Commentatoren, und gar zu ſorgfaͤl-
tige Unterſucher von Kleinigkeiten unter unſern Ge-
lehrten hatten. Um ſich von dieſem Vorwurf zu be-
freyen, faͤngt man itzt an, das Studium der gelehrten
Sprachen ganz zu vernachlaͤßigen; und um nicht fuͤr
einen Pedanten gehalten zu werden, bleibt man in
allen Wiſſenſchaften nur bey der Oberflaͤche ſtehn.
Wenige unſrer heutigen Gelehrten koͤnnen ohne Schwie-
rigkeit die griechiſchen und lateiniſchen klaſſiſchen

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[15/0021] bearbeitet werden. Deutlichkeit iſt die erſte Regel, welche alle, die reden und ſchreiben, beobachten muͤſſen, weil ihre Abſicht iſt, die Gedanken und Begriffe zu mahlen, und durch Worte auszudruͤcken. Wozu dient es, die richtigſten, ſtaͤrkſten und glaͤnzendeſten Ideen zu denken, wenn man ſie nicht verſtaͤndlich ausdruͤcken kann? Vielen von unſern Schriftſtellern gefaͤllt ein verworrner Styl; ſie ſchließen eine Parentheſe in die andere, und oft findet man erſt am Ende einer Seite das Wort, von welchem der Sinn der ganzen Periode abhaͤngt. Nichts verwirrt die Conſtruktion mehr; anſtatt reich zu ſeyn, iſt man nachlaͤßig, und es wuͤrde leichter ſeyn, das Raͤthſel des Sphynx aufzuloͤ- ſen, als ihre Gedanken. Eben ſo ſchaͤdlich fuͤr die Fort- ſchritte der Wiſſenſchaften, als die Fehler, welche ich unſrer Sprache und unſerm Styl vorgeworfen, iſt der Mangel eines gruͤndlichen Studirens. Man hat un- ſerer Nation ehemals Pedanterie vorgeworfen, weil wir eine Menge Commentatoren, und gar zu ſorgfaͤl- tige Unterſucher von Kleinigkeiten unter unſern Ge- lehrten hatten. Um ſich von dieſem Vorwurf zu be- freyen, faͤngt man itzt an, das Studium der gelehrten Sprachen ganz zu vernachlaͤßigen; und um nicht fuͤr einen Pedanten gehalten zu werden, bleibt man in allen Wiſſenſchaften nur bey der Oberflaͤche ſtehn. Wenige unſrer heutigen Gelehrten koͤnnen ohne Schwie- rigkeit die griechiſchen und lateiniſchen klaſſiſchen Schrift-

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/21>, abgerufen am 24.11.2024.