Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.
Argument gebraucht; da, und im grösten Theil Um sich zu überzeugen, wie wenig Geschmack noch bis will- C 2
Argument gebraucht; da, und im groͤſten Theil Um ſich zu uͤberzeugen, wie wenig Geſchmack noch bis will- C 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#fr"><pb facs="#f0041" n="35"/> Argument gebraucht; da, und im groͤſten Theil<lb/> ſeiner Rede bedient er ſich des Enthymema; da iſt<lb/> eine Apoſtrophe; da eine Proſopopeia; da eine Me-<lb/> tapher; hier eine Hyperbel</hi>. Dies alles iſt recht<lb/> gut, aber wenn der Lehrer die Schoͤnheiten ſeines<lb/> Schriftſtellers nicht beſſer zu entwickeln, und auch die<lb/> Fehler (welche doch den groͤſten Rednern entwiſchen)<lb/> zu bemerken weiß; ſo erfuͤllt er ſeine Pflicht nicht ganz.<lb/> Ich dringe auf alles dieſes ſo ſehr, weil ich wuͤnſchte,<lb/> daß unſre Juͤnglinge die Schulen mit deutlichen und<lb/> beſtimmten Ideen verlaſſen moͤchten, und daß die Leh-<lb/> rer ſich nicht begnuͤgten, ihr Gedaͤchtniß anzufuͤllen,<lb/> ſondern vornehmlich ihre Urtheilskraft zu bilden ſuch-<lb/> ten, damit ſie das Gute von dem Schlechten unterſchei-<lb/> den lernen, und nicht blos ſagen, <hi rendition="#fr">dies gefaͤllt mir<lb/> nicht</hi>, ſondern auch Gruͤnde angeben koͤnnen, warum<lb/> ſie etwas billigen oder verwerfen.</p><lb/> <p>Um ſich zu uͤberzeugen, wie wenig Geſchmack noch bis<lb/> itzt in <placeName>Deutſchland</placeName> herrſche, duͤrfen Sie nur unſre oͤffent-<lb/> lichen Schauſpiele beſuchen. Sie finden daſelbſt die ab-<lb/> ſcheulichen Stuͤcke von <persName>Shakeſpear</persName> aufgefuͤhrt, die man<lb/> in unſre Sprache uͤberſetzt hat. Die ganze Verſamm-<lb/> lung findet ein ausnehmendes <choice><sic>Vergnuͤgendaran</sic><corr>Vergnuͤgen daran</corr></choice>, dieſe<lb/> laͤcherlichen Farcen anzuſehn, die nur wuͤrdig waͤren, vor<lb/> den Wilden von <persName>Canada</persName> geſpielt zu werden. Ich <choice><sic>be-<lb/> nrtheile</sic><corr>be-<lb/> urtheile</corr></choice> dieſe Stuͤcke ſo hart, weil ſie wider alle Regeln<lb/> des Schauſpiels ſuͤndigen. Dieſe Regeln ſind nicht<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">will-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0041]
Argument gebraucht; da, und im groͤſten Theil
ſeiner Rede bedient er ſich des Enthymema; da iſt
eine Apoſtrophe; da eine Proſopopeia; da eine Me-
tapher; hier eine Hyperbel. Dies alles iſt recht
gut, aber wenn der Lehrer die Schoͤnheiten ſeines
Schriftſtellers nicht beſſer zu entwickeln, und auch die
Fehler (welche doch den groͤſten Rednern entwiſchen)
zu bemerken weiß; ſo erfuͤllt er ſeine Pflicht nicht ganz.
Ich dringe auf alles dieſes ſo ſehr, weil ich wuͤnſchte,
daß unſre Juͤnglinge die Schulen mit deutlichen und
beſtimmten Ideen verlaſſen moͤchten, und daß die Leh-
rer ſich nicht begnuͤgten, ihr Gedaͤchtniß anzufuͤllen,
ſondern vornehmlich ihre Urtheilskraft zu bilden ſuch-
ten, damit ſie das Gute von dem Schlechten unterſchei-
den lernen, und nicht blos ſagen, dies gefaͤllt mir
nicht, ſondern auch Gruͤnde angeben koͤnnen, warum
ſie etwas billigen oder verwerfen.
Um ſich zu uͤberzeugen, wie wenig Geſchmack noch bis
itzt in Deutſchland herrſche, duͤrfen Sie nur unſre oͤffent-
lichen Schauſpiele beſuchen. Sie finden daſelbſt die ab-
ſcheulichen Stuͤcke von Shakeſpear aufgefuͤhrt, die man
in unſre Sprache uͤberſetzt hat. Die ganze Verſamm-
lung findet ein ausnehmendes Vergnuͤgen daran, dieſe
laͤcherlichen Farcen anzuſehn, die nur wuͤrdig waͤren, vor
den Wilden von Canada geſpielt zu werden. Ich be-
urtheile dieſe Stuͤcke ſo hart, weil ſie wider alle Regeln
des Schauſpiels ſuͤndigen. Dieſe Regeln ſind nicht
will-
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