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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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horsame Gattinn Folge geleistet, aber alle Ver-
bindung mit England, war auf das strengste ge-
hemmt; selbst Briefe dahin zu befördern war
mit großer Schwierigkeit verknüpft. So ver-
zögerte sich, zu unsrer Freude, diese gefürchtete
so oft angesetzte und eben so oft vereitelte Ab-
reise bis zum Jahre 1806, wo man endlich
wagte, den Rückweg durch Deutschland, über
Hamburg anzutreten. Schmerzhafte Trennung
von allen Seiten! Wir zerflossen in Thrä-
nen. Meine lebhafte Mutter schalt mitten in
ihren Thränen, auf den Krieg, schmähete den
König von England, die Ausgewanderten, die
Revolution, ja selbst den Kaiser. Sie warf alles
durcheinander, und suchte bei jedem Leiden, im-
mer eine nächste Ursache, an welcher sie sich ihres
heftigen Gefühls entladen konnt. Mein Vater
und Deine Mutter hielten sich lange sprachlos
umarmt; sie fühlten, es war die letzte Umar-
mung für dieses Leben. Ungeachtet eine Ahn-
dung dieser Art, in ihrer Lage, recht sehr natür-
lich war, so konnte doch damahls wohl niemand
glauben, auf welche unwahrscheinliche Weise sie
in Erfüllung gehen sollte.

horſame Gattinn Folge geleiſtet, aber alle Ver-
bindung mit England, war auf das ſtrengſte ge-
hemmt; ſelbſt Briefe dahin zu befoͤrdern war
mit großer Schwierigkeit verknuͤpft. So ver-
zoͤgerte ſich, zu unſrer Freude, dieſe gefuͤrchtete
ſo oft angeſetzte und eben ſo oft vereitelte Ab-
reiſe bis zum Jahre 1806, wo man endlich
wagte, den Ruͤckweg durch Deutſchland, uͤber
Hamburg anzutreten. Schmerzhafte Trennung
von allen Seiten! Wir zerfloſſen in Thraͤ-
nen. Meine lebhafte Mutter ſchalt mitten in
ihren Thraͤnen, auf den Krieg, ſchmaͤhete den
Koͤnig von England, die Ausgewanderten, die
Revolution, ja ſelbſt den Kaiſer. Sie warf alles
durcheinander, und ſuchte bei jedem Leiden, im-
mer eine naͤchſte Urſache, an welcher ſie ſich ihres
heftigen Gefuͤhls entladen konnt. Mein Vater
und Deine Mutter hielten ſich lange ſprachlos
umarmt; ſie fuͤhlten, es war die letzte Umar-
mung fuͤr dieſes Leben. Ungeachtet eine Ahn-
dung dieſer Art, in ihrer Lage, recht ſehr natuͤr-
lich war, ſo konnte doch damahls wohl niemand
glauben, auf welche unwahrſcheinliche Weiſe ſie
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[92/0102] horſame Gattinn Folge geleiſtet, aber alle Ver- bindung mit England, war auf das ſtrengſte ge- hemmt; ſelbſt Briefe dahin zu befoͤrdern war mit großer Schwierigkeit verknuͤpft. So ver- zoͤgerte ſich, zu unſrer Freude, dieſe gefuͤrchtete ſo oft angeſetzte und eben ſo oft vereitelte Ab- reiſe bis zum Jahre 1806, wo man endlich wagte, den Ruͤckweg durch Deutſchland, uͤber Hamburg anzutreten. Schmerzhafte Trennung von allen Seiten! Wir zerfloſſen in Thraͤ- nen. Meine lebhafte Mutter ſchalt mitten in ihren Thraͤnen, auf den Krieg, ſchmaͤhete den Koͤnig von England, die Ausgewanderten, die Revolution, ja ſelbſt den Kaiſer. Sie warf alles durcheinander, und ſuchte bei jedem Leiden, im- mer eine naͤchſte Urſache, an welcher ſie ſich ihres heftigen Gefuͤhls entladen konnt. Mein Vater und Deine Mutter hielten ſich lange ſprachlos umarmt; ſie fuͤhlten, es war die letzte Umar- mung fuͤr dieſes Leben. Ungeachtet eine Ahn- dung dieſer Art, in ihrer Lage, recht ſehr natuͤr- lich war, ſo konnte doch damahls wohl niemand glauben, auf welche unwahrſcheinliche Weiſe ſie in Erfuͤllung gehen ſollte.

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/102>, abgerufen am 27.11.2024.