Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

zeugung hatte sich immer frei von Menschensatzun-
gen erhalten. Jch wünschte, sagte er mit leisem
Kopfschütteln, der Glaube der Kirche und ihr vor-
geschriebenes Zeremonial könnten dieses liebe ge-
brochene Herz heilen! Er traf gar keine Anstalten
für seinen Gram, aber er gab sich emsiger sei-
nen Geschäften hin, und suchte, mehr als je,
den Wohlstand und die geistige Ausbildung der
Gemeinde zu befördern, und allmählig kehrte
eine sanfte Heiterkeit in sein Gemüth zurück.
Nur wenn sein Auge auf meine Mutter traf,
trübte sich sein Blick. Jch suchte seinem Bei-
spiele zu folgen, auch zwang mich die Lage der
Umstände, den tiefen stillen Gram zu zügeln.

Meine Mutter wurde immer schwächer, sie
nahm an keinem irdischen Geschäfte mehr Theil,
und lebte nur noch ihren Andachtsübungen.
Vergebens suchten wir sie auf alle Weise zu
erheitern, sie war nicht wieder für das Leben
zu gewinnen. Mir lagen nun die Geschäfte
des Haushalts ob, und unbeschränkt in diesem
Kreise, lernte ich mich bald darein finden. So
schwand mir der Winter trübe, aber nicht all-
zulangsam vorüber. Mucius hatte mehrmahls

zeugung hatte ſich immer frei von Menſchenſatzun-
gen erhalten. Jch wuͤnſchte, ſagte er mit leiſem
Kopfſchuͤtteln, der Glaube der Kirche und ihr vor-
geſchriebenes Zeremonial koͤnnten dieſes liebe ge-
brochene Herz heilen! Er traf gar keine Anſtalten
fuͤr ſeinen Gram, aber er gab ſich emſiger ſei-
nen Geſchaͤften hin, und ſuchte, mehr als je,
den Wohlſtand und die geiſtige Ausbildung der
Gemeinde zu befoͤrdern, und allmaͤhlig kehrte
eine ſanfte Heiterkeit in ſein Gemuͤth zuruͤck.
Nur wenn ſein Auge auf meine Mutter traf,
truͤbte ſich ſein Blick. Jch ſuchte ſeinem Bei-
ſpiele zu folgen, auch zwang mich die Lage der
Umſtaͤnde, den tiefen ſtillen Gram zu zuͤgeln.

Meine Mutter wurde immer ſchwaͤcher, ſie
nahm an keinem irdiſchen Geſchaͤfte mehr Theil,
und lebte nur noch ihren Andachtsuͤbungen.
Vergebens ſuchten wir ſie auf alle Weiſe zu
erheitern, ſie war nicht wieder fuͤr das Leben
zu gewinnen. Mir lagen nun die Geſchaͤfte
des Haushalts ob, und unbeſchraͤnkt in dieſem
Kreiſe, lernte ich mich bald darein finden. So
ſchwand mir der Winter truͤbe, aber nicht all-
zulangſam voruͤber. Mucius hatte mehrmahls

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0152" n="142"/>
zeugung hatte &#x017F;ich immer frei von Men&#x017F;chen&#x017F;atzun-<lb/>
gen erhalten. Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte, &#x017F;agte er mit lei&#x017F;em<lb/>
Kopf&#x017F;chu&#x0364;tteln, der Glaube der Kirche und ihr vor-<lb/>
ge&#x017F;chriebenes Zeremonial ko&#x0364;nnten die&#x017F;es liebe ge-<lb/>
brochene Herz heilen! Er traf gar keine An&#x017F;talten<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;einen Gram, aber er gab &#x017F;ich em&#x017F;iger &#x017F;ei-<lb/>
nen Ge&#x017F;cha&#x0364;ften hin, und &#x017F;uchte, mehr als je,<lb/>
den Wohl&#x017F;tand und die gei&#x017F;tige Ausbildung der<lb/>
Gemeinde zu befo&#x0364;rdern, und allma&#x0364;hlig kehrte<lb/>
eine &#x017F;anfte Heiterkeit in &#x017F;ein Gemu&#x0364;th zuru&#x0364;ck.<lb/>
Nur wenn &#x017F;ein Auge auf meine Mutter traf,<lb/>
tru&#x0364;bte &#x017F;ich &#x017F;ein Blick. Jch &#x017F;uchte &#x017F;einem Bei-<lb/>
&#x017F;piele zu folgen, auch zwang mich die Lage der<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde, den tiefen &#x017F;tillen Gram zu zu&#x0364;geln.</p><lb/>
          <p>Meine Mutter wurde immer &#x017F;chwa&#x0364;cher, &#x017F;ie<lb/>
nahm an keinem irdi&#x017F;chen Ge&#x017F;cha&#x0364;fte mehr Theil,<lb/>
und lebte nur noch ihren Andachtsu&#x0364;bungen.<lb/>
Vergebens &#x017F;uchten wir &#x017F;ie auf alle Wei&#x017F;e zu<lb/>
erheitern, &#x017F;ie war nicht wieder fu&#x0364;r das Leben<lb/>
zu gewinnen. Mir lagen nun die Ge&#x017F;cha&#x0364;fte<lb/>
des Haushalts ob, und unbe&#x017F;chra&#x0364;nkt in die&#x017F;em<lb/>
Krei&#x017F;e, lernte ich mich bald darein finden. So<lb/>
&#x017F;chwand mir der Winter tru&#x0364;be, aber nicht all-<lb/>
zulang&#x017F;am voru&#x0364;ber. Mucius hatte mehrmahls<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0152] zeugung hatte ſich immer frei von Menſchenſatzun- gen erhalten. Jch wuͤnſchte, ſagte er mit leiſem Kopfſchuͤtteln, der Glaube der Kirche und ihr vor- geſchriebenes Zeremonial koͤnnten dieſes liebe ge- brochene Herz heilen! Er traf gar keine Anſtalten fuͤr ſeinen Gram, aber er gab ſich emſiger ſei- nen Geſchaͤften hin, und ſuchte, mehr als je, den Wohlſtand und die geiſtige Ausbildung der Gemeinde zu befoͤrdern, und allmaͤhlig kehrte eine ſanfte Heiterkeit in ſein Gemuͤth zuruͤck. Nur wenn ſein Auge auf meine Mutter traf, truͤbte ſich ſein Blick. Jch ſuchte ſeinem Bei- ſpiele zu folgen, auch zwang mich die Lage der Umſtaͤnde, den tiefen ſtillen Gram zu zuͤgeln. Meine Mutter wurde immer ſchwaͤcher, ſie nahm an keinem irdiſchen Geſchaͤfte mehr Theil, und lebte nur noch ihren Andachtsuͤbungen. Vergebens ſuchten wir ſie auf alle Weiſe zu erheitern, ſie war nicht wieder fuͤr das Leben zu gewinnen. Mir lagen nun die Geſchaͤfte des Haushalts ob, und unbeſchraͤnkt in dieſem Kreiſe, lernte ich mich bald darein finden. So ſchwand mir der Winter truͤbe, aber nicht all- zulangſam voruͤber. Mucius hatte mehrmahls

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/152
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/152>, abgerufen am 21.11.2024.