rere zurückkommende Soldaten seines Regiments uns versicherten, sie hätten ihn, bei der Einnahme von Victoria auf der Brücke vordringen und, den Adler in der Hand, die Freiwilligen des Corps auf- munternd hinüber führen sehen. Auf der Mitte aber sey er über das niedrige Geländer herabge- drängt und unfehlbar von dem reißenden Strome verschlungen worden, da man ihn nicht wieder gese- hen habe. Nun war es entschieden, mir blieb nichts zu hoffen, nichts zu fürchten übrig, so glaubte ich wenigstens, und richtete mich an diesem traurigen Troste gewaltsam auf. Jetzt bin ich nichts als deine Tochter! rief ich, und warf mich um meines Vaters Hals. Wir bleiben uns, sagte er, und drückte mich zärtlich an die Brust, Auch er trauerte schmerzlich über den Verlust des wackern Jünglings, er hatte ihn als Sohn geliebt. Wir redeten oft von den lieben Ver- lorenen, und labten uns an der Erinnerung ihres irdischen Daseyns. Das ist das Loos des Schönen auf der Erde, sagte mein Vater, daß es schnell verblüht! --
So verlebten wir unsere Wintertage. Jch
rere zuruͤckkommende Soldaten ſeines Regiments uns verſicherten, ſie haͤtten ihn, bei der Einnahme von Victoria auf der Bruͤcke vordringen und, den Adler in der Hand, die Freiwilligen des Corps auf- munternd hinuͤber fuͤhren ſehen. Auf der Mitte aber ſey er uͤber das niedrige Gelaͤnder herabge- draͤngt und unfehlbar von dem reißenden Strome verſchlungen worden, da man ihn nicht wieder geſe- hen habe. Nun war es entſchieden, mir blieb nichts zu hoffen, nichts zu fuͤrchten uͤbrig, ſo glaubte ich wenigſtens, und richtete mich an dieſem traurigen Troſte gewaltſam auf. Jetzt bin ich nichts als deine Tochter! rief ich, und warf mich um meines Vaters Hals. Wir bleiben uns, ſagte er, und druͤckte mich zaͤrtlich an die Bruſt, Auch er trauerte ſchmerzlich uͤber den Verluſt des wackern Juͤnglings, er hatte ihn als Sohn geliebt. Wir redeten oft von den lieben Ver- lorenen, und labten uns an der Erinnerung ihres irdiſchen Daſeyns. Das iſt das Loos des Schoͤnen auf der Erde, ſagte mein Vater, daß es ſchnell verbluͤht! —
So verlebten wir unſere Wintertage. Jch
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rere zuruͤckkommende Soldaten ſeines Regiments
uns verſicherten, ſie haͤtten ihn, bei der Einnahme
von Victoria auf der Bruͤcke vordringen und, den
Adler in der Hand, die Freiwilligen des Corps auf-
munternd hinuͤber fuͤhren ſehen. Auf der Mitte
aber ſey er uͤber das niedrige Gelaͤnder herabge-
draͤngt und unfehlbar von dem reißenden Strome
verſchlungen worden, da man ihn nicht wieder geſe-
hen habe. Nun war es entſchieden, mir blieb nichts
zu hoffen, nichts zu fuͤrchten uͤbrig, ſo glaubte
ich wenigſtens, und richtete mich an dieſem
traurigen Troſte gewaltſam auf. Jetzt bin ich
nichts als deine Tochter! rief ich, und warf mich
um meines Vaters Hals. Wir bleiben uns,
ſagte er, und druͤckte mich zaͤrtlich an die Bruſt,
Auch er trauerte ſchmerzlich uͤber den Verluſt
des wackern Juͤnglings, er hatte ihn als Sohn
geliebt. Wir redeten oft von den lieben Ver-
lorenen, und labten uns an der Erinnerung
ihres irdiſchen Daſeyns. Das iſt das Loos
des Schoͤnen auf der Erde, ſagte mein Vater,
daß es ſchnell verbluͤht! —
So verlebten wir unſere Wintertage. Jch
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/156>, abgerufen am 16.02.2025.
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