spielte die Harfe fleißiger als je, und sang manches neue Lied, das für unsere Lage paßte und meinen Vater erfreuete. Dieser suchte seine Studien wieder hervor, setzte mit mir den Un- terricht in den neueren Sprachen eifrig fort, oder übersetzte für mich die trefflichsten Stellen der Klassiker. Das Studium der Geschichte, be- sonders der ältern, füllte regelmäßig unsere Abendstunden, wobei es nicht an Vergleichun- gen fehlte, welche mancher neuerlich aufgestellten Meinung nicht sehr günstig waren. Jch be- schäftigte mich daneben aufs emsigste mit künst- licher Stickerei und Weberei, wobei mich mein Vater lächelnd mit Penelope verglich.
Als die Hirtenflöten wieder durch die Thä- ler tönten, hüpfte auch ich wieder kindlich froh über die blumigen Matten. Das leichte Blut meiner Heimath verleugnet sich nicht lange in dem jugendlichen Herzen, es wirft die schwarze, trübe Mischung hinaus, und hüpft fröhlich durch die Adern; so auch bei mir. Wenn ich zum Sternenhimmel aufsah, und weinend an meinen Mucius dachte, so entzückte mich doch bald das Flöten der Nachtigallen, und der
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ſpielte die Harfe fleißiger als je, und ſang manches neue Lied, das fuͤr unſere Lage paßte und meinen Vater erfreuete. Dieſer ſuchte ſeine Studien wieder hervor, ſetzte mit mir den Un- terricht in den neueren Sprachen eifrig fort, oder uͤberſetzte fuͤr mich die trefflichſten Stellen der Klaſſiker. Das Studium der Geſchichte, be- ſonders der aͤltern, fuͤllte regelmaͤßig unſere Abendſtunden, wobei es nicht an Vergleichun- gen fehlte, welche mancher neuerlich aufgeſtellten Meinung nicht ſehr guͤnſtig waren. Jch be- ſchaͤftigte mich daneben aufs emſigſte mit kuͤnſt- licher Stickerei und Weberei, wobei mich mein Vater laͤchelnd mit Penelope verglich.
Als die Hirtenfloͤten wieder durch die Thaͤ- ler toͤnten, huͤpfte auch ich wieder kindlich froh uͤber die blumigen Matten. Das leichte Blut meiner Heimath verleugnet ſich nicht lange in dem jugendlichen Herzen, es wirft die ſchwarze, truͤbe Miſchung hinaus, und huͤpft froͤhlich durch die Adern; ſo auch bei mir. Wenn ich zum Sternenhimmel aufſah, und weinend an meinen Mucius dachte, ſo entzuͤckte mich doch bald das Floͤten der Nachtigallen, und der
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ſpielte die Harfe fleißiger als je, und ſang
manches neue Lied, das fuͤr unſere Lage paßte
und meinen Vater erfreuete. Dieſer ſuchte ſeine
Studien wieder hervor, ſetzte mit mir den Un-
terricht in den neueren Sprachen eifrig fort, oder
uͤberſetzte fuͤr mich die trefflichſten Stellen der
Klaſſiker. Das Studium der Geſchichte, be-
ſonders der aͤltern, fuͤllte regelmaͤßig unſere
Abendſtunden, wobei es nicht an Vergleichun-
gen fehlte, welche mancher neuerlich aufgeſtellten
Meinung nicht ſehr guͤnſtig waren. Jch be-
ſchaͤftigte mich daneben aufs emſigſte mit kuͤnſt-
licher Stickerei und Weberei, wobei mich mein
Vater laͤchelnd mit Penelope verglich.
Als die Hirtenfloͤten wieder durch die Thaͤ-
ler toͤnten, huͤpfte auch ich wieder kindlich froh
uͤber die blumigen Matten. Das leichte Blut
meiner Heimath verleugnet ſich nicht lange in
dem jugendlichen Herzen, es wirft die ſchwarze,
truͤbe Miſchung hinaus, und huͤpft froͤhlich
durch die Adern; ſo auch bei mir. Wenn ich
zum Sternenhimmel aufſah, und weinend an
meinen Mucius dachte, ſo entzuͤckte mich doch
bald das Floͤten der Nachtigallen, und der
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/157>, abgerufen am 16.02.2025.
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