derselben Viertelstunde, vom Ball zur Politik, und von der neuesten Mode zur neuesten Mord- that überspringt, war mir in tiefster Seele zu- wider.
Es war bei meinem wahrhaftigen Charak- ter wohl nicht möglich, die Eindrücke ganz zu ver- bergen welche ich in der Gesellschaft empfing. Einige unsrer Tischgenossen, um sich, meiner Kälte wegen, an mir zu rächen, machten sich das boshafte Vergnügen, mich oft in Verlegenheit zu setzen, indem sie meine Meinung über diese und jene der neuesten Begebenheiten zu hören wünschten. Jch suchte mich zwar immer geschickt heraus zu wickeln, um weder meine eigene Meinung zu ver- läugnen, noch der fremden wehe zu thun, aber meine Mäßigung machte die Angreifer nur küh- ner. Selbst Dein Bruder gesellte sich nicht sel- ten zu ihnen. Der Herzog warf, bei solchen Vorfällen, wüthende Blicke auf mich, und Deine Mutter hielt mir in geheim lange Strafreden, welche mir wehe thaten, ohne mich zu überzeu- gen. Sie ging immer deutlicher mit dem Plane gegen mich heraus, welchen ich schon seit eini- ger Zeit geahndet hatte, mich an Louis zu ver-
mählen.
derſelben Viertelſtunde, vom Ball zur Politik, und von der neueſten Mode zur neueſten Mord- that uͤberſpringt, war mir in tiefſter Seele zu- wider.
Es war bei meinem wahrhaftigen Charak- ter wohl nicht moͤglich, die Eindruͤcke ganz zu ver- bergen welche ich in der Geſellſchaft empfing. Einige unſrer Tiſchgenoſſen, um ſich, meiner Kaͤlte wegen, an mir zu raͤchen, machten ſich das boshafte Vergnuͤgen, mich oft in Verlegenheit zu ſetzen, indem ſie meine Meinung uͤber dieſe und jene der neueſten Begebenheiten zu hoͤren wuͤnſchten. Jch ſuchte mich zwar immer geſchickt heraus zu wickeln, um weder meine eigene Meinung zu ver- laͤugnen, noch der fremden wehe zu thun, aber meine Maͤßigung machte die Angreifer nur kuͤh- ner. Selbſt Dein Bruder geſellte ſich nicht ſel- ten zu ihnen. Der Herzog warf, bei ſolchen Vorfaͤllen, wuͤthende Blicke auf mich, und Deine Mutter hielt mir in geheim lange Strafreden, welche mir wehe thaten, ohne mich zu uͤberzeu- gen. Sie ging immer deutlicher mit dem Plane gegen mich heraus, welchen ich ſchon ſeit eini- ger Zeit geahndet hatte, mich an Louis zu ver-
maͤhlen.
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derſelben Viertelſtunde, vom Ball zur Politik,
und von der neueſten Mode zur neueſten Mord-
that uͤberſpringt, war mir in tiefſter Seele zu-
wider.
Es war bei meinem wahrhaftigen Charak-
ter wohl nicht moͤglich, die Eindruͤcke ganz zu ver-
bergen welche ich in der Geſellſchaft empfing.
Einige unſrer Tiſchgenoſſen, um ſich, meiner Kaͤlte
wegen, an mir zu raͤchen, machten ſich das boshafte
Vergnuͤgen, mich oft in Verlegenheit zu ſetzen,
indem ſie meine Meinung uͤber dieſe und jene
der neueſten Begebenheiten zu hoͤren wuͤnſchten.
Jch ſuchte mich zwar immer geſchickt heraus zu
wickeln, um weder meine eigene Meinung zu ver-
laͤugnen, noch der fremden wehe zu thun, aber
meine Maͤßigung machte die Angreifer nur kuͤh-
ner. Selbſt Dein Bruder geſellte ſich nicht ſel-
ten zu ihnen. Der Herzog warf, bei ſolchen
Vorfaͤllen, wuͤthende Blicke auf mich, und Deine
Mutter hielt mir in geheim lange Strafreden,
welche mir wehe thaten, ohne mich zu uͤberzeu-
gen. Sie ging immer deutlicher mit dem Plane
gegen mich heraus, welchen ich ſchon ſeit eini-
ger Zeit geahndet hatte, mich an Louis zu ver-
maͤhlen.
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/202>, abgerufen am 27.07.2024.
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