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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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war fast unzugänglich. Er weigerte sich durch-
aus Victor zu sehen, ließ ihn jederzeit abweisen,
so oft er auch die Versuche, ihn zu sprechen, er-
neuerte. Nicht glücklicher waren die Bemühungen
derer, welche ihr Rang in seine Zirkel führte.
Der alte Hofmann stellte sich völlig unwis-
send. Nach vielen mißlungenen Schritten brachte
es Mirabeau dahin, daß Victor eine geheime
Audienz beim Könige erhielt. Der Monarch
schien zwar gerührt bei der lebhaften Schilde-
rung des jungen Mannes, doch meinte er, man
müsse die Ansichten eines herzoglichen Hauses
auch berücksichtigen, dessen Haupt einer seiner
ältesten und treusten Diener sey. Alles, was
man zuletzt erhielt, war ein Befehl an den
Gouverneur der Bastille, daß, wenn sich ein
Gefangener dieses Namens in seinem Gewahr-
sam befinde, diesem, unter gehöriger Vorsicht,
eine Zusammenkunft mit seiner Gattinn und sei-
nem Schwager zu gestatten. Mit diesem theu-
ren Papier eilten die Hoffnungsvollen in die
finstern Mauern. Klarens Herz schlug laut vor
ungestümer Freude. Aber o Schrecken! dem
Gouverneur war dieser Name gänzlich unbe-

war faſt unzugaͤnglich. Er weigerte ſich durch-
aus Victor zu ſehen, ließ ihn jederzeit abweiſen,
ſo oft er auch die Verſuche, ihn zu ſprechen, er-
neuerte. Nicht gluͤcklicher waren die Bemuͤhungen
derer, welche ihr Rang in ſeine Zirkel fuͤhrte.
Der alte Hofmann ſtellte ſich voͤllig unwiſ-
ſend. Nach vielen mißlungenen Schritten brachte
es Mirabeau dahin, daß Victor eine geheime
Audienz beim Koͤnige erhielt. Der Monarch
ſchien zwar geruͤhrt bei der lebhaften Schilde-
rung des jungen Mannes, doch meinte er, man
muͤſſe die Anſichten eines herzoglichen Hauſes
auch beruͤckſichtigen, deſſen Haupt einer ſeiner
aͤlteſten und treuſten Diener ſey. Alles, was
man zuletzt erhielt, war ein Befehl an den
Gouverneur der Baſtille, daß, wenn ſich ein
Gefangener dieſes Namens in ſeinem Gewahr-
ſam befinde, dieſem, unter gehoͤriger Vorſicht,
eine Zuſammenkunft mit ſeiner Gattinn und ſei-
nem Schwager zu geſtatten. Mit dieſem theu-
ren Papier eilten die Hoffnungsvollen in die
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[39/0047] war faſt unzugaͤnglich. Er weigerte ſich durch- aus Victor zu ſehen, ließ ihn jederzeit abweiſen, ſo oft er auch die Verſuche, ihn zu ſprechen, er- neuerte. Nicht gluͤcklicher waren die Bemuͤhungen derer, welche ihr Rang in ſeine Zirkel fuͤhrte. Der alte Hofmann ſtellte ſich voͤllig unwiſ- ſend. Nach vielen mißlungenen Schritten brachte es Mirabeau dahin, daß Victor eine geheime Audienz beim Koͤnige erhielt. Der Monarch ſchien zwar geruͤhrt bei der lebhaften Schilde- rung des jungen Mannes, doch meinte er, man muͤſſe die Anſichten eines herzoglichen Hauſes auch beruͤckſichtigen, deſſen Haupt einer ſeiner aͤlteſten und treuſten Diener ſey. Alles, was man zuletzt erhielt, war ein Befehl an den Gouverneur der Baſtille, daß, wenn ſich ein Gefangener dieſes Namens in ſeinem Gewahr- ſam befinde, dieſem, unter gehoͤriger Vorſicht, eine Zuſammenkunft mit ſeiner Gattinn und ſei- nem Schwager zu geſtatten. Mit dieſem theu- ren Papier eilten die Hoffnungsvollen in die finſtern Mauern. Klarens Herz ſchlug laut vor ungeſtuͤmer Freude. Aber o Schrecken! dem Gouverneur war dieſer Name gaͤnzlich unbe-

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/47>, abgerufen am 21.11.2024.