alt seyn, und mein geliebter, ach über alles ge- liebter Emil, ein Jahr, als Frankreich von den sremden Armeen hart bedrängt wurde. Victor war an die Gränze geeilt, das Vaterland zu vertheidigen, und mochte meinen Vater wohl aufgefordert haben, ein Gleiches zu thun. We- nigstens war ein Brief angekommen, dessen Jn- halt auf meinen Vater einen wichtigen Eindruck gemacht zu haben schien. Er war unruhig, theilte Befehle aus, traf mancherlei Anstalten, und schien mit einem großen Vorhaben be- schäftigt. Das ganze Haus war in einer ängst- lichen Bewegung, und niemand wollte und konnte sich um mich bekümmern. Jch flüch- tete, wie immer in ähnlichen Fällen, zu mei- nem Buche. Zufällig hatte ich eben das Ku- pfer aufgeblättert wo Leonidas den Paß von Termopylä vertheidigt, als mein Vater in den Saal trat, und hinter mir stehen blieb. "Sie starben für das Vaterland!" sagte er nach einer kleinen Pause, und legte die Hand auf meinen Kopf: "dreihundert Helden wehrten der großen Persermacht den Eintritt in das heilige Land der Freiheit!" Jch hatte mich umgewendet,
alt ſeyn, und mein geliebter, ach uͤber alles ge- liebter Emil, ein Jahr, als Frankreich von den ſremden Armeen hart bedraͤngt wurde. Victor war an die Graͤnze geeilt, das Vaterland zu vertheidigen, und mochte meinen Vater wohl aufgefordert haben, ein Gleiches zu thun. We- nigſtens war ein Brief angekommen, deſſen Jn- halt auf meinen Vater einen wichtigen Eindruck gemacht zu haben ſchien. Er war unruhig, theilte Befehle aus, traf mancherlei Anſtalten, und ſchien mit einem großen Vorhaben be- ſchaͤftigt. Das ganze Haus war in einer aͤngſt- lichen Bewegung, und niemand wollte und konnte ſich um mich bekuͤmmern. Jch fluͤch- tete, wie immer in aͤhnlichen Faͤllen, zu mei- nem Buche. Zufaͤllig hatte ich eben das Ku- pfer aufgeblaͤttert wo Leonidas den Paß von Termopylaͤ vertheidigt, als mein Vater in den Saal trat, und hinter mir ſtehen blieb. „Sie ſtarben fuͤr das Vaterland!‟ ſagte er nach einer kleinen Pauſe, und legte die Hand auf meinen Kopf: „dreihundert Helden wehrten der großen Perſermacht den Eintritt in das heilige Land der Freiheit!‟ Jch hatte mich umgewendet,
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alt ſeyn, und mein geliebter, ach uͤber alles ge-
liebter Emil, ein Jahr, als Frankreich von den
ſremden Armeen hart bedraͤngt wurde. Victor
war an die Graͤnze geeilt, das Vaterland zu
vertheidigen, und mochte meinen Vater wohl
aufgefordert haben, ein Gleiches zu thun. We-
nigſtens war ein Brief angekommen, deſſen Jn-
halt auf meinen Vater einen wichtigen Eindruck
gemacht zu haben ſchien. Er war unruhig,
theilte Befehle aus, traf mancherlei Anſtalten,
und ſchien mit einem großen Vorhaben be-
ſchaͤftigt. Das ganze Haus war in einer aͤngſt-
lichen Bewegung, und niemand wollte und
konnte ſich um mich bekuͤmmern. Jch fluͤch-
tete, wie immer in aͤhnlichen Faͤllen, zu mei-
nem Buche. Zufaͤllig hatte ich eben das Ku-
pfer aufgeblaͤttert wo Leonidas den Paß von
Termopylaͤ vertheidigt, als mein Vater in den
Saal trat, und hinter mir ſtehen blieb. „Sie
ſtarben fuͤr das Vaterland!‟ ſagte er nach einer
kleinen Pauſe, und legte die Hand auf meinen
Kopf: „dreihundert Helden wehrten der großen
Perſermacht den Eintritt in das heilige Land
der Freiheit!‟ Jch hatte mich umgewendet,
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/64>, abgerufen am 16.02.2025.
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