Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.Abneigung gegen mich fest gesetzt zu haben. Jch Abneigung gegen mich feſt geſetzt zu haben. Jch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0069" n="59"/> Abneigung gegen mich feſt geſetzt zu haben. Jch<lb/> entſinne mich, daß man mich in den erſten Wo-<lb/> chen ihrer Krankheit ſorgfaͤltig abhielt, ſie zu<lb/> ſehen, und daß ich viel daruͤber geweint. Auch<lb/> waͤhrend ihrer Geneſung war ſie anfangs nicht<lb/> ſo guͤtig gegen mich, als ſonſt; uͤberhaupt<lb/> lenkte ſich ihre Zaͤrtlichkeit mehr auf meinen<lb/> Bruder. Jch bemerkte dieß wohl, aber ohne<lb/> Neid; denn ich ſelbſt liebte den holden Emil<lb/> uͤber Alles. Du haſt ihn wenig gekannt, den<lb/> freundlichen herzigen Knaben. Er war immer<lb/> heiter, immer voll Scherz und Froͤhlichkeit, und<lb/> dabei ſo bieder und treu. Wie haͤtte man ihn<lb/> nicht lieben ſollen! Ueberdieß war er ja ein<lb/> Knabe, und ſchien mir ſchon deßhalb jedes Vor-<lb/> zugs werth, je hoͤher mir nach und nach die<lb/> Wirkſamkeit und Thatkraft des Mannes erſchien.<lb/> Jch weinte nur zuweilen im Stillen daruͤber, daß<lb/> ich ein Maͤdchen war, eins der unbedeutenden We-<lb/> ſen, von welchen die Geſchichte ſo wenig ſagt,<lb/> waͤhrend die Thaten der Maͤnner jedes Blatt<lb/> fuͤllen. Nur als Opfer werden ſie genannt.<lb/> Jphigenia, Virginia, nur Opfer fuͤr große Zwek-<lb/> ke. So glaubte ich, leidende Gedult ſey die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0069]
Abneigung gegen mich feſt geſetzt zu haben. Jch
entſinne mich, daß man mich in den erſten Wo-
chen ihrer Krankheit ſorgfaͤltig abhielt, ſie zu
ſehen, und daß ich viel daruͤber geweint. Auch
waͤhrend ihrer Geneſung war ſie anfangs nicht
ſo guͤtig gegen mich, als ſonſt; uͤberhaupt
lenkte ſich ihre Zaͤrtlichkeit mehr auf meinen
Bruder. Jch bemerkte dieß wohl, aber ohne
Neid; denn ich ſelbſt liebte den holden Emil
uͤber Alles. Du haſt ihn wenig gekannt, den
freundlichen herzigen Knaben. Er war immer
heiter, immer voll Scherz und Froͤhlichkeit, und
dabei ſo bieder und treu. Wie haͤtte man ihn
nicht lieben ſollen! Ueberdieß war er ja ein
Knabe, und ſchien mir ſchon deßhalb jedes Vor-
zugs werth, je hoͤher mir nach und nach die
Wirkſamkeit und Thatkraft des Mannes erſchien.
Jch weinte nur zuweilen im Stillen daruͤber, daß
ich ein Maͤdchen war, eins der unbedeutenden We-
ſen, von welchen die Geſchichte ſo wenig ſagt,
waͤhrend die Thaten der Maͤnner jedes Blatt
fuͤllen. Nur als Opfer werden ſie genannt.
Jphigenia, Virginia, nur Opfer fuͤr große Zwek-
ke. So glaubte ich, leidende Gedult ſey die
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