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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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Freundes, vielleicht seines Vaters, stieß, als die-
ser die Republik vernichten zu wollen strebte.
Das Schicksal der Girondisten erregte seine
Theilnahme im höchsten Grade. Meist waren
alle seine Freunde, edle Männer, voll redlichen
Eifers für das Beste des Vaterlandes, und voll
Einsicht, es fehlte ihnen aber die Festigkeit ihrer
Gegner, und sie mußten unterliegen, in einem
Zeitpunkte, wo Frankreich der Kraftfülle vorzüg-
lich bedurfte. Hätten sie sich dem Vaterlande,
durch kluges Zurückziehen bis zum Friedens-
schluß erhalten, sie würden es beglückt haben.
Mich ergriff besonders das Schicksal der Bür-
gerinn Roland. Oft habe ich in spätern Jahren
geweint, wenn ich den ewig unvergeßlichen, ei-
ner Römerinn würdigen Brief las, welchen sie
aus dem Gefängnisse geschrieben. Selbst Char-
lotte Corday meine gefeierte Heldinn, über-
traf dieses große Weib an Karakterstärke nicht.

Als Robespierre gestürzt wurde, athmete
Frankreich freier. "Die Menschheit muß sich sei-
nes Todes freuen," sagte mein Vater, "sie wird
ihm fluchen, er war ein Tyrann; und doch glaubte

Freundes, vielleicht ſeines Vaters, ſtieß, als die-
ſer die Republik vernichten zu wollen ſtrebte.
Das Schickſal der Girondiſten erregte ſeine
Theilnahme im hoͤchſten Grade. Meiſt waren
alle ſeine Freunde, edle Maͤnner, voll redlichen
Eifers fuͤr das Beſte des Vaterlandes, und voll
Einſicht, es fehlte ihnen aber die Feſtigkeit ihrer
Gegner, und ſie mußten unterliegen, in einem
Zeitpunkte, wo Frankreich der Kraftfuͤlle vorzuͤg-
lich bedurfte. Haͤtten ſie ſich dem Vaterlande,
durch kluges Zuruͤckziehen bis zum Friedens-
ſchluß erhalten, ſie wuͤrden es begluͤckt haben.
Mich ergriff beſonders das Schickſal der Buͤr-
gerinn Roland. Oft habe ich in ſpaͤtern Jahren
geweint, wenn ich den ewig unvergeßlichen, ei-
ner Roͤmerinn wuͤrdigen Brief las, welchen ſie
aus dem Gefaͤngniſſe geſchrieben. Selbſt Char-
lotte Corday meine gefeierte Heldinn, uͤber-
traf dieſes große Weib an Karakterſtaͤrke nicht.

Als Robespierre geſtuͤrzt wurde, athmete
Frankreich freier. „Die Menſchheit muß ſich ſei-
nes Todes freuen,‟ ſagte mein Vater, „ſie wird
ihm fluchen, er war ein Tyrann; und doch glaubte

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[71/0081] Freundes, vielleicht ſeines Vaters, ſtieß, als die- ſer die Republik vernichten zu wollen ſtrebte. Das Schickſal der Girondiſten erregte ſeine Theilnahme im hoͤchſten Grade. Meiſt waren alle ſeine Freunde, edle Maͤnner, voll redlichen Eifers fuͤr das Beſte des Vaterlandes, und voll Einſicht, es fehlte ihnen aber die Feſtigkeit ihrer Gegner, und ſie mußten unterliegen, in einem Zeitpunkte, wo Frankreich der Kraftfuͤlle vorzuͤg- lich bedurfte. Haͤtten ſie ſich dem Vaterlande, durch kluges Zuruͤckziehen bis zum Friedens- ſchluß erhalten, ſie wuͤrden es begluͤckt haben. Mich ergriff beſonders das Schickſal der Buͤr- gerinn Roland. Oft habe ich in ſpaͤtern Jahren geweint, wenn ich den ewig unvergeßlichen, ei- ner Roͤmerinn wuͤrdigen Brief las, welchen ſie aus dem Gefaͤngniſſe geſchrieben. Selbſt Char- lotte Corday meine gefeierte Heldinn, uͤber- traf dieſes große Weib an Karakterſtaͤrke nicht. Als Robespierre geſtuͤrzt wurde, athmete Frankreich freier. „Die Menſchheit muß ſich ſei- nes Todes freuen,‟ ſagte mein Vater, „ſie wird ihm fluchen, er war ein Tyrann; und doch glaubte

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/81>, abgerufen am 24.11.2024.