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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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Eldorado, im Junius 1816

Angelangt sind wir in Edens blühendem
Garten. Kein erzürnter Engel wehrte uns den
Eingang; freundlich wurden wir von dem Gränz-
gott, freundlich von den friedlichen Laren em-
pfangen. Wir mußten den Kentucky hinauf
gehen, bis fast zu seinem Ursprung, um einen
Uebergang zu finden in unser Paradies. Sehn-
süchtig blickten wir hinüber, wie einst die Kin-
der Jsrael nach den blauen Bergen, welche
sie noch von dem glückseligen Arabien trennten.
Zephyrine verglich uns hundert Mahl mit ihnen,
und Mucius mit ihrem Führer und Gesetzgeber.
Jn ihrer fröhlichen Laune, reich an Anspielun-
gen und Gleichnissen, nannte sie Walter und
Stauffach Josua und Kaleb, welche uns die
goldene Traube gezeigt, damit wir geduldig durch
die Wüste folgen möchten, wie die Rinder dem
salzspendenden Hirten; die Deutschen, meinte sie,
wären die ägyptischen Ziegelstreicher und Frohn-
knechte, welche durch den langen Zug erst geläu-
tert werden müßten, und würdig gemacht, zur
Gründung der neuen Kolonie. Nur bat sie, daß
die Prüfungszeit nicht auf vierzig Jahre aus-

gedehnt

Eldorado, im Junius 1816

Angelangt ſind wir in Edens bluͤhendem
Garten. Kein erzuͤrnter Engel wehrte uns den
Eingang; freundlich wurden wir von dem Graͤnz-
gott, freundlich von den friedlichen Laren em-
pfangen. Wir mußten den Kentucky hinauf
gehen, bis faſt zu ſeinem Urſprung, um einen
Uebergang zu finden in unſer Paradies. Sehn-
ſuͤchtig blickten wir hinuͤber, wie einſt die Kin-
der Jſrael nach den blauen Bergen, welche
ſie noch von dem gluͤckſeligen Arabien trennten.
Zephyrine verglich uns hundert Mahl mit ihnen,
und Mucius mit ihrem Fuͤhrer und Geſetzgeber.
Jn ihrer froͤhlichen Laune, reich an Anſpielun-
gen und Gleichniſſen, nannte ſie Walter und
Stauffach Joſua und Kaleb, welche uns die
goldene Traube gezeigt, damit wir geduldig durch
die Wuͤſte folgen moͤchten, wie die Rinder dem
ſalzſpendenden Hirten; die Deutſchen, meinte ſie,
waͤren die aͤgyptiſchen Ziegelſtreicher und Frohn-
knechte, welche durch den langen Zug erſt gelaͤu-
tert werden muͤßten, und wuͤrdig gemacht, zur
Gruͤndung der neuen Kolonie. Nur bat ſie, daß
die Pruͤfungszeit nicht auf vierzig Jahre aus-

gedehnt
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[96/0106] Eldorado, im Junius 1816 Angelangt ſind wir in Edens bluͤhendem Garten. Kein erzuͤrnter Engel wehrte uns den Eingang; freundlich wurden wir von dem Graͤnz- gott, freundlich von den friedlichen Laren em- pfangen. Wir mußten den Kentucky hinauf gehen, bis faſt zu ſeinem Urſprung, um einen Uebergang zu finden in unſer Paradies. Sehn- ſuͤchtig blickten wir hinuͤber, wie einſt die Kin- der Jſrael nach den blauen Bergen, welche ſie noch von dem gluͤckſeligen Arabien trennten. Zephyrine verglich uns hundert Mahl mit ihnen, und Mucius mit ihrem Fuͤhrer und Geſetzgeber. Jn ihrer froͤhlichen Laune, reich an Anſpielun- gen und Gleichniſſen, nannte ſie Walter und Stauffach Joſua und Kaleb, welche uns die goldene Traube gezeigt, damit wir geduldig durch die Wuͤſte folgen moͤchten, wie die Rinder dem ſalzſpendenden Hirten; die Deutſchen, meinte ſie, waͤren die aͤgyptiſchen Ziegelſtreicher und Frohn- knechte, welche durch den langen Zug erſt gelaͤu- tert werden muͤßten, und wuͤrdig gemacht, zur Gruͤndung der neuen Kolonie. Nur bat ſie, daß die Pruͤfungszeit nicht auf vierzig Jahre aus- gedehnt

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/106>, abgerufen am 21.11.2024.