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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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beit einen Ueberwurf aus grauer Leinwand. Du
glaubst nicht, wie unbeschreiblich reizend diese
neue griechische Kolonie sich ausnahm, als sie
durch das röthlich besonnte Thal, mit Blumen-
kränzen in den Händen, zur Tempel-Weihe zog.

Glänzend in der Morgensonne, lag auf einer
sanften Anhöhe, der heitere Tempel vor uns.
Stufen führen ringsum zu ihm hinauf, zwölf
Säulen tragen die einfache runde Kuppel, keine
Wände wehren dem Lichte; in der Mitte steht der
Altar, rund wie das Gebäude, mit der Jnschrift:
dem Unbegreiflichen, Ewigen, Einzi-
gen;
ein breiter Marmorrand schließt, oben die
Vertiefung ein, wo die Opferflamme lodert.
Hier hingen wir unsere Kränze an dem Altar und
den Säulen auf, Mucius zündete das Feuer
an, und sprach: "wir weihen diesen Tempel dem
Ewigen, dem Schöpfer und Regierer des Welt-
alls, der in jeder Menschenbrust wohnt! Jhm
weihen wir unsere Herzen! Wir erkennen, daß
menschliche Vernunft, sich nicht bis zu ihm er-
heben kann, so wenig, als wir uns von der
Ewigkeit und Unendlichkeit einen klaren Begriff
zu machen vermögen, daß also die verschiedenen

beit einen Ueberwurf aus grauer Leinwand. Du
glaubſt nicht, wie unbeſchreiblich reizend dieſe
neue griechiſche Kolonie ſich ausnahm, als ſie
durch das roͤthlich beſonnte Thal, mit Blumen-
kraͤnzen in den Haͤnden, zur Tempel-Weihe zog.

Glaͤnzend in der Morgenſonne, lag auf einer
ſanften Anhoͤhe, der heitere Tempel vor uns.
Stufen fuͤhren ringsum zu ihm hinauf, zwoͤlf
Saͤulen tragen die einfache runde Kuppel, keine
Waͤnde wehren dem Lichte; in der Mitte ſteht der
Altar, rund wie das Gebaͤude, mit der Jnſchrift:
dem Unbegreiflichen, Ewigen, Einzi-
gen;
ein breiter Marmorrand ſchließt, oben die
Vertiefung ein, wo die Opferflamme lodert.
Hier hingen wir unſere Kraͤnze an dem Altar und
den Saͤulen auf, Mucius zuͤndete das Feuer
an, und ſprach: „wir weihen dieſen Tempel dem
Ewigen, dem Schoͤpfer und Regierer des Welt-
alls, der in jeder Menſchenbruſt wohnt! Jhm
weihen wir unſere Herzen! Wir erkennen, daß
menſchliche Vernunft, ſich nicht bis zu ihm er-
heben kann, ſo wenig, als wir uns von der
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[102/0112] beit einen Ueberwurf aus grauer Leinwand. Du glaubſt nicht, wie unbeſchreiblich reizend dieſe neue griechiſche Kolonie ſich ausnahm, als ſie durch das roͤthlich beſonnte Thal, mit Blumen- kraͤnzen in den Haͤnden, zur Tempel-Weihe zog. Glaͤnzend in der Morgenſonne, lag auf einer ſanften Anhoͤhe, der heitere Tempel vor uns. Stufen fuͤhren ringsum zu ihm hinauf, zwoͤlf Saͤulen tragen die einfache runde Kuppel, keine Waͤnde wehren dem Lichte; in der Mitte ſteht der Altar, rund wie das Gebaͤude, mit der Jnſchrift: dem Unbegreiflichen, Ewigen, Einzi- gen; ein breiter Marmorrand ſchließt, oben die Vertiefung ein, wo die Opferflamme lodert. Hier hingen wir unſere Kraͤnze an dem Altar und den Saͤulen auf, Mucius zuͤndete das Feuer an, und ſprach: „wir weihen dieſen Tempel dem Ewigen, dem Schoͤpfer und Regierer des Welt- alls, der in jeder Menſchenbruſt wohnt! Jhm weihen wir unſere Herzen! Wir erkennen, daß menſchliche Vernunft, ſich nicht bis zu ihm er- heben kann, ſo wenig, als wir uns von der Ewigkeit und Unendlichkeit einen klaren Begriff zu machen vermoͤgen, daß alſo die verſchiedenen

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/112>, abgerufen am 09.11.2024.