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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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Diese Ur-Amerikaner, welche man Wilde nennt,
sind äußerst gutmüthige Menschen, und ihre
Sitten beschämen die der Europäer. Jn dem
nördlichen Kanada mag die Noth und die
rauhere Natur sie wohl gefühlloser und roher
machen, doch hier trifft man nur Züge der sanf-
testen Menschlichkeit. Jn der Kultur sind sie
freilich rückwärts gegangen, wie ihre Sagen
und die Denkmähler am Ohio deutlich beweisen.
Schauderhafter Gedanke, wenn einst Europas
Verfeinerung auch so bis auf die schwächsten
Spuren, verschwände! und doch liegt in dem
ewigen Wechsel der Dinge nur zu viel, was
für die Möglichkeit spricht. Auch hier lebte,
vor kaum dreihundert Jahren, ein großes mäch-
tiges Volk, welches Städte und Tempel erbauete
und jene befestigte, Theater und Künste besaß,
und selbst schon die Lapidarschrift kannte und
übte. Jetzt, welch ein Wechsel! Von den
Europäern und den Nachbarvölkern verdrängt,
durch Schwert und Hunger, durch die Pok-
ken-Krankheit und den Genuß der berau-
schenden Getränke, bis zu einem unbedeuten-
den Häufchen zusammen geschmolzen, flüchtet

Dieſe Ur-Amerikaner, welche man Wilde nennt,
ſind aͤußerſt gutmuͤthige Menſchen, und ihre
Sitten beſchaͤmen die der Europaͤer. Jn dem
noͤrdlichen Kanada mag die Noth und die
rauhere Natur ſie wohl gefuͤhlloſer und roher
machen, doch hier trifft man nur Zuͤge der ſanf-
teſten Menſchlichkeit. Jn der Kultur ſind ſie
freilich ruͤckwaͤrts gegangen, wie ihre Sagen
und die Denkmaͤhler am Ohio deutlich beweiſen.
Schauderhafter Gedanke, wenn einſt Europas
Verfeinerung auch ſo bis auf die ſchwaͤchſten
Spuren, verſchwaͤnde! und doch liegt in dem
ewigen Wechſel der Dinge nur zu viel, was
fuͤr die Moͤglichkeit ſpricht. Auch hier lebte,
vor kaum dreihundert Jahren, ein großes maͤch-
tiges Volk, welches Staͤdte und Tempel erbauete
und jene befeſtigte, Theater und Kuͤnſte beſaß,
und ſelbſt ſchon die Lapidarſchrift kannte und
uͤbte. Jetzt, welch ein Wechſel! Von den
Europaͤern und den Nachbarvoͤlkern verdraͤngt,
durch Schwert und Hunger, durch die Pok-
ken-Krankheit und den Genuß der berau-
ſchenden Getraͤnke, bis zu einem unbedeuten-
den Haͤufchen zuſammen geſchmolzen, fluͤchtet

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[118/0128] Dieſe Ur-Amerikaner, welche man Wilde nennt, ſind aͤußerſt gutmuͤthige Menſchen, und ihre Sitten beſchaͤmen die der Europaͤer. Jn dem noͤrdlichen Kanada mag die Noth und die rauhere Natur ſie wohl gefuͤhlloſer und roher machen, doch hier trifft man nur Zuͤge der ſanf- teſten Menſchlichkeit. Jn der Kultur ſind ſie freilich ruͤckwaͤrts gegangen, wie ihre Sagen und die Denkmaͤhler am Ohio deutlich beweiſen. Schauderhafter Gedanke, wenn einſt Europas Verfeinerung auch ſo bis auf die ſchwaͤchſten Spuren, verſchwaͤnde! und doch liegt in dem ewigen Wechſel der Dinge nur zu viel, was fuͤr die Moͤglichkeit ſpricht. Auch hier lebte, vor kaum dreihundert Jahren, ein großes maͤch- tiges Volk, welches Staͤdte und Tempel erbauete und jene befeſtigte, Theater und Kuͤnſte beſaß, und ſelbſt ſchon die Lapidarſchrift kannte und uͤbte. Jetzt, welch ein Wechſel! Von den Europaͤern und den Nachbarvoͤlkern verdraͤngt, durch Schwert und Hunger, durch die Pok- ken-Krankheit und den Genuß der berau- ſchenden Getraͤnke, bis zu einem unbedeuten- den Haͤufchen zuſammen geſchmolzen, fluͤchtet

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/128>, abgerufen am 09.11.2024.