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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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Meinungen und Vorurtheile religiöser Art diesen Versuchen
zur Seite stehen, -- desto höher im Allgemeinen steigern
sich die Anforderungen an Denjenigen, der eine zeitgemäße
Lösung desselben unternimmt oder ankündigt. Dieses Ver-
hältniß liegt gleichsam auf der Hand, oder doch so nahe,
daß es für die Behandlung meines Themas nicht übersehen
werden konnte. Jch wäre indeß wohl ohne viel Bedenken
darüber hinweggekommen, wenn sich die Frage über das
Alter und den Ursprung des Menschen heute noch von irgend
einem einseitigen Standpunkte, etwa von dem des Dichters
oder des philosophischen Denkers sachgemäß erledigen ließe,
wenn sich derselben nicht die Alterthumskunde, so wie die
nüchterne, Alles durchspähende Naturwissenschaft bemächtigt
und in neuester Zeit eine solche Fülle von einschläglichen
Beobachtungen und Thatsachen angehäuft hätten, daß sich
unser Problem nicht nur unter völlig neue Gesichtspunkte
gestellt sieht, sondern daß es auch gradezu unmöglich erscheint,
in der einer Vorlesung zugemessenen Zeit den reichen Stoff
zu bewältigen und mit sachgemäßer Gründlichkeit zur Dar-
stellung zu bringen. Auf Letzteres werden denn auch meine
Zuhörer von vorn herein verzichten müssen. Wenn ich spä-
ter einige von den erwähnten Thatsachen näher beleuchte
und die wichtigeren Schriftwerke namhaft mache, worin die-
selben besprochen werden, so wird sich herausstellen, daß
unsere Frage bereits eine ansehnliche eigene Literatur aufzu-
weisen hat und daß die Fülle des zugänglichen Stoffes die
zweckmäßige Auswahl und die übersichtliche Erörterung dessel-
ben wesentlich erschweren mußte.

Für die öffentliche Discussion unseres Gegenstandes
wird diese Seite desselben wohl nicht unbedenklich erscheinen;
es ist indeß ein anderer nahe liegender Umstand, der dabei
weit mehr in's Gewicht fällt. Jch habe bereits die mosaische

Meinungen und Vorurtheile religiöſer Art dieſen Verſuchen
zur Seite ſtehen, — deſto höher im Allgemeinen ſteigern
ſich die Anforderungen an Denjenigen, der eine zeitgemäße
Löſung deſſelben unternimmt oder ankündigt. Dieſes Ver-
hältniß liegt gleichſam auf der Hand, oder doch ſo nahe,
daß es für die Behandlung meines Themas nicht überſehen
werden konnte. Jch wäre indeß wohl ohne viel Bedenken
darüber hinweggekommen, wenn ſich die Frage über das
Alter und den Urſprung des Menſchen heute noch von irgend
einem einſeitigen Standpunkte, etwa von dem des Dichters
oder des philoſophiſchen Denkers ſachgemäß erledigen ließe,
wenn ſich derſelben nicht die Alterthumskunde, ſo wie die
nüchterne, Alles durchſpähende Naturwiſſenſchaft bemächtigt
und in neueſter Zeit eine ſolche Fülle von einſchläglichen
Beobachtungen und Thatſachen angehäuft hätten, daß ſich
unſer Problem nicht nur unter völlig neue Geſichtspunkte
geſtellt ſieht, ſondern daß es auch gradezu unmöglich erſcheint,
in der einer Vorleſung zugemeſſenen Zeit den reichen Stoff
zu bewältigen und mit ſachgemäßer Gründlichkeit zur Dar-
ſtellung zu bringen. Auf Letzteres werden denn auch meine
Zuhörer von vorn herein verzichten müſſen. Wenn ich ſpä-
ter einige von den erwähnten Thatſachen näher beleuchte
und die wichtigeren Schriftwerke namhaft mache, worin die-
ſelben beſprochen werden, ſo wird ſich herausſtellen, daß
unſere Frage bereits eine anſehnliche eigene Literatur aufzu-
weiſen hat und daß die Fülle des zugänglichen Stoffes die
zweckmäßige Auswahl und die überſichtliche Erörterung deſſel-
ben weſentlich erſchweren mußte.

Für die öffentliche Discuſſion unſeres Gegenſtandes
wird dieſe Seite deſſelben wohl nicht unbedenklich erſcheinen;
es iſt indeß ein anderer nahe liegender Umſtand, der dabei
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[7/0011] Meinungen und Vorurtheile religiöſer Art dieſen Verſuchen zur Seite ſtehen, — deſto höher im Allgemeinen ſteigern ſich die Anforderungen an Denjenigen, der eine zeitgemäße Löſung deſſelben unternimmt oder ankündigt. Dieſes Ver- hältniß liegt gleichſam auf der Hand, oder doch ſo nahe, daß es für die Behandlung meines Themas nicht überſehen werden konnte. Jch wäre indeß wohl ohne viel Bedenken darüber hinweggekommen, wenn ſich die Frage über das Alter und den Urſprung des Menſchen heute noch von irgend einem einſeitigen Standpunkte, etwa von dem des Dichters oder des philoſophiſchen Denkers ſachgemäß erledigen ließe, wenn ſich derſelben nicht die Alterthumskunde, ſo wie die nüchterne, Alles durchſpähende Naturwiſſenſchaft bemächtigt und in neueſter Zeit eine ſolche Fülle von einſchläglichen Beobachtungen und Thatſachen angehäuft hätten, daß ſich unſer Problem nicht nur unter völlig neue Geſichtspunkte geſtellt ſieht, ſondern daß es auch gradezu unmöglich erſcheint, in der einer Vorleſung zugemeſſenen Zeit den reichen Stoff zu bewältigen und mit ſachgemäßer Gründlichkeit zur Dar- ſtellung zu bringen. Auf Letzteres werden denn auch meine Zuhörer von vorn herein verzichten müſſen. Wenn ich ſpä- ter einige von den erwähnten Thatſachen näher beleuchte und die wichtigeren Schriftwerke namhaft mache, worin die- ſelben beſprochen werden, ſo wird ſich herausſtellen, daß unſere Frage bereits eine anſehnliche eigene Literatur aufzu- weiſen hat und daß die Fülle des zugänglichen Stoffes die zweckmäßige Auswahl und die überſichtliche Erörterung deſſel- ben weſentlich erſchweren mußte. Für die öffentliche Discuſſion unſeres Gegenſtandes wird dieſe Seite deſſelben wohl nicht unbedenklich erſcheinen; es iſt indeß ein anderer nahe liegender Umſtand, der dabei weit mehr in's Gewicht fällt. Jch habe bereits die moſaiſche

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/11>, abgerufen am 21.11.2024.