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Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Als er noch immer beklommen schwieg, sagte Therese, plötzlich sich entschlossen aufrichtend: Ich will Ihnen das Kind noch auf ein Jahr lassen, aber dann kaufen Sie die beiden stehen gebliebenen Flügel des alten Schlosses und geben es als Armenhaus der Gemeinde nebst den Gründen, die dazu gehören, und die hinreichen, der mäßigen Zahl, die darin Platz findet, Brod und Kartoffeln zu gewähren.

Der Graf sagte sogleich, ohne sich zu besinnen: Ich nehme Ihren Vorschlag an.

Der Geistliche blickte ihn dieser Bereitwilligkeit wegen betroffen an, aber dem Grafen schien die Forderung nicht so groß, wie seinem Oheim, weil er wohl wußte, daß, wenn er die letzten Trümmer des abgetragenen Schlosses mit dem Garten zu einem so wohlthätigen Zweck ankaufe, die Regierung ihm einen äußerst niedern Preis stellen werde.

Als der Graf nichts weiter hinzusetzte, wandte sich Therese und sagte mit leiser Stimme: So habe ich jetzt und während der Dauer eines ganzen Jahres nichts mehr in diesem Schlosse zu thun!

Sie wollte gehen, aber an der Thüre wandte sie sich um, und lebhaft auf den Geistlichen zugehend, sagte sie mit leuchtenden Augen:

Sie nehmen von hier die Ueberzeugung mit, mein ewiges Glück auf Kosten meines irdischen Glücks gegründet zu haben; ich danke Ihnen dafür von ganzem Herzen!

Als er noch immer beklommen schwieg, sagte Therese, plötzlich sich entschlossen aufrichtend: Ich will Ihnen das Kind noch auf ein Jahr lassen, aber dann kaufen Sie die beiden stehen gebliebenen Flügel des alten Schlosses und geben es als Armenhaus der Gemeinde nebst den Gründen, die dazu gehören, und die hinreichen, der mäßigen Zahl, die darin Platz findet, Brod und Kartoffeln zu gewähren.

Der Graf sagte sogleich, ohne sich zu besinnen: Ich nehme Ihren Vorschlag an.

Der Geistliche blickte ihn dieser Bereitwilligkeit wegen betroffen an, aber dem Grafen schien die Forderung nicht so groß, wie seinem Oheim, weil er wohl wußte, daß, wenn er die letzten Trümmer des abgetragenen Schlosses mit dem Garten zu einem so wohlthätigen Zweck ankaufe, die Regierung ihm einen äußerst niedern Preis stellen werde.

Als der Graf nichts weiter hinzusetzte, wandte sich Therese und sagte mit leiser Stimme: So habe ich jetzt und während der Dauer eines ganzen Jahres nichts mehr in diesem Schlosse zu thun!

Sie wollte gehen, aber an der Thüre wandte sie sich um, und lebhaft auf den Geistlichen zugehend, sagte sie mit leuchtenden Augen:

Sie nehmen von hier die Ueberzeugung mit, mein ewiges Glück auf Kosten meines irdischen Glücks gegründet zu haben; ich danke Ihnen dafür von ganzem Herzen!

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[0051] Als er noch immer beklommen schwieg, sagte Therese, plötzlich sich entschlossen aufrichtend: Ich will Ihnen das Kind noch auf ein Jahr lassen, aber dann kaufen Sie die beiden stehen gebliebenen Flügel des alten Schlosses und geben es als Armenhaus der Gemeinde nebst den Gründen, die dazu gehören, und die hinreichen, der mäßigen Zahl, die darin Platz findet, Brod und Kartoffeln zu gewähren. Der Graf sagte sogleich, ohne sich zu besinnen: Ich nehme Ihren Vorschlag an. Der Geistliche blickte ihn dieser Bereitwilligkeit wegen betroffen an, aber dem Grafen schien die Forderung nicht so groß, wie seinem Oheim, weil er wohl wußte, daß, wenn er die letzten Trümmer des abgetragenen Schlosses mit dem Garten zu einem so wohlthätigen Zweck ankaufe, die Regierung ihm einen äußerst niedern Preis stellen werde. Als der Graf nichts weiter hinzusetzte, wandte sich Therese und sagte mit leiser Stimme: So habe ich jetzt und während der Dauer eines ganzen Jahres nichts mehr in diesem Schlosse zu thun! Sie wollte gehen, aber an der Thüre wandte sie sich um, und lebhaft auf den Geistlichen zugehend, sagte sie mit leuchtenden Augen: Sie nehmen von hier die Ueberzeugung mit, mein ewiges Glück auf Kosten meines irdischen Glücks gegründet zu haben; ich danke Ihnen dafür von ganzem Herzen!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:13:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:13:13Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/51>, abgerufen am 26.05.2024.