che innere Empfindung von Werkzeugen und Kräften zum Grund gelegt hätte. So wie die Ausübung der Bewegungskräfte, wenn sie der Natur gemäß ist, bey jedem Thier mit Lust verknüpft ist; so ist sie es auch beim Menschen; das Kind zappelt und lacht, der Kna- be hüpft und schreiet, der Jüngling tanzt und jauch- zet, der Mann geht und spricht; jeder mit Empfin- dung von Lust; und von jeher hat man diese Empfin- dung von Lust und Behaglichkeit als ein Bedingniß zur Gesundheit des Menschen angesehen. So wie das Insekt die Kraft seiner Flügel fühlt, so fühlt das von den Banden befreiete Kind die Kräfte seiner Hände und Füße; jedes Thier merkt die innere Regung sei- ner Zeugungsglieder, wenn und wie es seiner Natur am bequemsten ist, daß es sich mit dem andern Ge- schlecht begatte; Wer hat es die ersten und so viele andere Menschen gelehrt? Der Bock, der Stier und der Widder stoßen, ehe sie Hörner haben; das Kind beißet, ehe es Zähne hat, und stampft mit den Füs- sen, ehe es was vermag; der Knabe und das Mäd- schen sind nicht gleichgültig gegen Theile, deren Nu- tzen ihnen noch unbekannt ist; ein Thier fühlt, daß es nicht wohl ist; im kranken Zustande aber ist ihm etwa der Geruch von einem Kraute besonders angenehm, und der reizet das Thier, solches zu essen, und auf solche Art geneset es; Auch der Mensch fühlt sich krank, und was er bey völligem Wohlseyn mit Lust genaß, vor dem eckelt ihm jetzt, er fastet, oder be- kömmt ebenfalls eine unwillkührliche Lust zu einer Spei- se, die er ißt, oder er nimmt Arzneien, die er jezt
weniger
che innere Empfindung von Werkzeugen und Kraͤften zum Grund gelegt haͤtte. So wie die Ausuͤbung der Bewegungskraͤfte, wenn ſie der Natur gemaͤß iſt, bey jedem Thier mit Luſt verknuͤpft iſt; ſo iſt ſie es auch beim Menſchen; das Kind zappelt und lacht, der Kna- be huͤpft und ſchreiet, der Juͤngling tanzt und jauch- zet, der Mann geht und ſpricht; jeder mit Empfin- dung von Luſt; und von jeher hat man dieſe Empfin- dung von Luſt und Behaglichkeit als ein Bedingniß zur Geſundheit des Menſchen angeſehen. So wie das Inſekt die Kraft ſeiner Fluͤgel fuͤhlt, ſo fuͤhlt das von den Banden befreiete Kind die Kraͤfte ſeiner Haͤnde und Fuͤße; jedes Thier merkt die innere Regung ſei- ner Zeugungsglieder, wenn und wie es ſeiner Natur am bequemſten iſt, daß es ſich mit dem andern Ge- ſchlecht begatte; Wer hat es die erſten und ſo viele andere Menſchen gelehrt? Der Bock, der Stier und der Widder ſtoßen, ehe ſie Hoͤrner haben; das Kind beißet, ehe es Zaͤhne hat, und ſtampft mit den Fuͤſ- ſen, ehe es was vermag; der Knabe und das Maͤd- ſchen ſind nicht gleichguͤltig gegen Theile, deren Nu- tzen ihnen noch unbekannt iſt; ein Thier fuͤhlt, daß es nicht wohl iſt; im kranken Zuſtande aber iſt ihm etwa der Geruch von einem Kraute beſonders angenehm, und der reizet das Thier, ſolches zu eſſen, und auf ſolche Art geneſet es; Auch der Menſch fuͤhlt ſich krank, und was er bey voͤlligem Wohlſeyn mit Luſt genaß, vor dem eckelt ihm jetzt, er faſtet, oder be- koͤmmt ebenfalls eine unwillkuͤhrliche Luſt zu einer Spei- ſe, die er ißt, oder er nimmt Arzneien, die er jezt
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che innere Empfindung von Werkzeugen und Kraͤften
zum Grund gelegt haͤtte. So wie die Ausuͤbung der
Bewegungskraͤfte, wenn ſie der Natur gemaͤß iſt, bey
jedem Thier mit Luſt verknuͤpft iſt; ſo iſt ſie es auch
beim Menſchen; das Kind zappelt und lacht, der Kna-
be huͤpft und ſchreiet, der Juͤngling tanzt und jauch-
zet, der Mann geht und ſpricht; jeder mit Empfin-
dung von Luſt; und von jeher hat man dieſe Empfin-
dung von Luſt und Behaglichkeit als ein Bedingniß
zur Geſundheit des Menſchen angeſehen. So wie das
Inſekt die Kraft ſeiner Fluͤgel fuͤhlt, ſo fuͤhlt das von
den Banden befreiete Kind die Kraͤfte ſeiner Haͤnde
und Fuͤße; jedes Thier merkt die innere Regung ſei-
ner Zeugungsglieder, wenn und wie es ſeiner Natur
am bequemſten iſt, daß es ſich mit dem andern Ge-
ſchlecht begatte; Wer hat es die erſten und ſo viele
andere Menſchen gelehrt? Der Bock, der Stier und
der Widder ſtoßen, ehe ſie Hoͤrner haben; das Kind
beißet, ehe es Zaͤhne hat, und ſtampft mit den Fuͤſ-
ſen, ehe es was vermag; der Knabe und das Maͤd-
ſchen ſind nicht gleichguͤltig gegen Theile, deren Nu-
tzen ihnen noch unbekannt iſt; ein Thier fuͤhlt, daß
es nicht wohl iſt; im kranken Zuſtande aber iſt ihm etwa
der Geruch von einem Kraute beſonders angenehm,
und der reizet das Thier, ſolches zu eſſen, und auf
ſolche Art geneſet es; Auch der Menſch fuͤhlt ſich
krank, und was er bey voͤlligem Wohlſeyn mit Luſt
genaß, vor dem eckelt ihm jetzt, er faſtet, oder be-
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/115>, abgerufen am 21.11.2024.
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