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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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war einmal zur Verbreitung über die ganze Erde be-
stimmt; folglich mußte er unendlich vieler Verände-
rungen der Sitten und Lebensarten empfänglich ge-
macht werden. Auf diese Art konnte der Mensch un-
ter allen Bedingnissen auf die Natur, und die Natur
wieder unter allen Bedingnissen auf den Menschen zu-
rückwirken. Ein Himmelsstrich, eine Regierungsform,
eine Religion, einerley Nahrung und Lebensart hät-
ten nie alle die entgegengesetztesten Fähigkeiten, die
in ihn gelegt worden sind, entwickeln können. --
Werfen wir nur einen flüchtigen Blick auf seine Ge-
müths- und Geistesfähigkeiten: Er ersetzet, zum Bey-
spiele, den eisernen Nacken des Auerstiers, die Mus-
kelkraft des Löwen, die Schnellkraft des Springthiers,
das scharfe Auge des Luchses, und das feine Gefühl
der Spinne dadurch, daß er der Kunst, der Nach-
ahmung und des Unterrichtes, den er selbst in den
Thieren findet, fähig ist. Er ist grausam, mitleidig,
stolz, demüthig, offenherzig, listig, verschlagen,
dumm, großmüthig, rachsichtig, verwegen, furcht-
sam, frech, schüchtern, beharrlich, wankelmüthig,
verschwenderisch, geizig, keusch, wollüstig, träg, ar-
beitsam u. s. w. Es ist kein Element, kein Geschöpf,
dessen er nicht Herr werden kann. Er tödet den flüch-
tigen Hirsch mit Pfeil und Kugel, lockt den Vogel
aus den Lüften in seine Schlingen, fängt den Fisch
im Garne, verfolgt die Gemse über die steilsten Klip-
pen; er wühlt die Erde um, und taucht in die Tiefe
des Meeres, wenn er Wurzeln zur Nahrung und
Schätze zur Verschwendung braucht; will er in ferne

Ge-

war einmal zur Verbreitung uͤber die ganze Erde be-
ſtimmt; folglich mußte er unendlich vieler Veraͤnde-
rungen der Sitten und Lebensarten empfaͤnglich ge-
macht werden. Auf dieſe Art konnte der Menſch un-
ter allen Bedingniſſen auf die Natur, und die Natur
wieder unter allen Bedingniſſen auf den Menſchen zu-
ruͤckwirken. Ein Himmelsſtrich, eine Regierungsform,
eine Religion, einerley Nahrung und Lebensart haͤt-
ten nie alle die entgegengeſetzteſten Faͤhigkeiten, die
in ihn gelegt worden ſind, entwickeln koͤnnen. —
Werfen wir nur einen fluͤchtigen Blick auf ſeine Ge-
muͤths- und Geiſtesfaͤhigkeiten: Er erſetzet, zum Bey-
ſpiele, den eiſernen Nacken des Auerſtiers, die Mus-
kelkraft des Loͤwen, die Schnellkraft des Springthiers,
das ſcharfe Auge des Luchſes, und das feine Gefuͤhl
der Spinne dadurch, daß er der Kunſt, der Nach-
ahmung und des Unterrichtes, den er ſelbſt in den
Thieren findet, faͤhig iſt. Er iſt grauſam, mitleidig,
ſtolz, demuͤthig, offenherzig, liſtig, verſchlagen,
dumm, großmuͤthig, rachſichtig, verwegen, furcht-
ſam, frech, ſchuͤchtern, beharrlich, wankelmuͤthig,
verſchwenderiſch, geizig, keuſch, wolluͤſtig, traͤg, ar-
beitſam u. ſ. w. Es iſt kein Element, kein Geſchoͤpf,
deſſen er nicht Herr werden kann. Er toͤdet den fluͤch-
tigen Hirſch mit Pfeil und Kugel, lockt den Vogel
aus den Luͤften in ſeine Schlingen, faͤngt den Fiſch
im Garne, verfolgt die Gemſe uͤber die ſteilſten Klip-
pen; er wuͤhlt die Erde um, und taucht in die Tiefe
des Meeres, wenn er Wurzeln zur Nahrung und
Schaͤtze zur Verſchwendung braucht; will er in ferne

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[136/0155] war einmal zur Verbreitung uͤber die ganze Erde be- ſtimmt; folglich mußte er unendlich vieler Veraͤnde- rungen der Sitten und Lebensarten empfaͤnglich ge- macht werden. Auf dieſe Art konnte der Menſch un- ter allen Bedingniſſen auf die Natur, und die Natur wieder unter allen Bedingniſſen auf den Menſchen zu- ruͤckwirken. Ein Himmelsſtrich, eine Regierungsform, eine Religion, einerley Nahrung und Lebensart haͤt- ten nie alle die entgegengeſetzteſten Faͤhigkeiten, die in ihn gelegt worden ſind, entwickeln koͤnnen. — Werfen wir nur einen fluͤchtigen Blick auf ſeine Ge- muͤths- und Geiſtesfaͤhigkeiten: Er erſetzet, zum Bey- ſpiele, den eiſernen Nacken des Auerſtiers, die Mus- kelkraft des Loͤwen, die Schnellkraft des Springthiers, das ſcharfe Auge des Luchſes, und das feine Gefuͤhl der Spinne dadurch, daß er der Kunſt, der Nach- ahmung und des Unterrichtes, den er ſelbſt in den Thieren findet, faͤhig iſt. Er iſt grauſam, mitleidig, ſtolz, demuͤthig, offenherzig, liſtig, verſchlagen, dumm, großmuͤthig, rachſichtig, verwegen, furcht- ſam, frech, ſchuͤchtern, beharrlich, wankelmuͤthig, verſchwenderiſch, geizig, keuſch, wolluͤſtig, traͤg, ar- beitſam u. ſ. w. Es iſt kein Element, kein Geſchoͤpf, deſſen er nicht Herr werden kann. Er toͤdet den fluͤch- tigen Hirſch mit Pfeil und Kugel, lockt den Vogel aus den Luͤften in ſeine Schlingen, faͤngt den Fiſch im Garne, verfolgt die Gemſe uͤber die ſteilſten Klip- pen; er wuͤhlt die Erde um, und taucht in die Tiefe des Meeres, wenn er Wurzeln zur Nahrung und Schaͤtze zur Verſchwendung braucht; will er in ferne Ge-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/155>, abgerufen am 24.11.2024.