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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Gegenden ziehen, oder Welten entdecken, so bedarf
er keines unwiderstehlichen Zugtriebes; denn er kennt
den Lauf der Gestirne, und der Magnet weiset ihm
die Pole der Erde. -- Der Neger am Senegal, der
Lappländer und der Feuerländer kennen kaum den Na-
men der Künste, und der Europäer macht redende
Maschinen, durchschift den Luftkreis und zeichnet den
Gestirnen ihre Bahne vor; der kropfichte Walliser
vergisset zu essen und sich zu entleeren*), und die
Druiden entlehnten Gelder, um sie jenseits des Gra-
bes wieder zurückzugeben; der Boniane verbindet sich
das Maul, um kein lebendiges Thier zu schlücken,
und der Kanibale tödet den Menschen mit der größten
Gleichgültigkeit und zehrt ihn mit Lust auf. Der Rö-
mer begräbt die unkeusche Vestalin lebendig**), und
der Muselmann fällt vor dem verschnittenen Derwi-
sche, der seine Eselin schändet, voll Ehrfurcht auf
die Knie.***) Der Neuseeländer dringt seine Gattin
dem Fremdlinge auf, und der Türke entmannet sei-
nen Unterthan, um das Heer seiner Beyschläferinnen
zu bewachen. -- Dort verehrt der Mensch den Zwie-
bel und den Knoblauch, den Hund und die Geise )

opfert
*) Zimmermann von der Erfahrung.
**) Während den 1100 Jahren, die der Beftalenorden gedau-
ert hat, sind folgende lebendig begraben worden: Pina-
ria, Oppia, Urbinia, Minucia, Scata, Opimia, Lucinia,
Marcia, Emilia, Cornelia, Claudia, Aurelia, Pompo-
nia
und [R]u[si]na.
***) Pauw Untersuchungen über die Amerikaner 2ter B.
4ter Thl.
) -- -- -- -- -- Hic Piscem fluminis, illic
Oppida tota canem venerantur, nemo Dianam

Gegenden ziehen, oder Welten entdecken, ſo bedarf
er keines unwiderſtehlichen Zugtriebes; denn er kennt
den Lauf der Geſtirne, und der Magnet weiſet ihm
die Pole der Erde. — Der Neger am Senegal, der
Lapplaͤnder und der Feuerlaͤnder kennen kaum den Na-
men der Kuͤnſte, und der Europaͤer macht redende
Maſchinen, durchſchift den Luftkreis und zeichnet den
Geſtirnen ihre Bahne vor; der kropfichte Walliſer
vergiſſet zu eſſen und ſich zu entleeren*), und die
Druiden entlehnten Gelder, um ſie jenſeits des Gra-
bes wieder zuruͤckzugeben; der Boniane verbindet ſich
das Maul, um kein lebendiges Thier zu ſchluͤcken,
und der Kanibale toͤdet den Menſchen mit der groͤßten
Gleichguͤltigkeit und zehrt ihn mit Luſt auf. Der Roͤ-
mer begraͤbt die unkeuſche Veſtalin lebendig**), und
der Muſelmann faͤllt vor dem verſchnittenen Derwi-
ſche, der ſeine Eſelin ſchaͤndet, voll Ehrfurcht auf
die Knie.***) Der Neuſeelaͤnder dringt ſeine Gattin
dem Fremdlinge auf, und der Tuͤrke entmannet ſei-
nen Unterthan, um das Heer ſeiner Beyſchlaͤferinnen
zu bewachen. — Dort verehrt der Menſch den Zwie-
bel und den Knoblauch, den Hund und die Geiſe ✷)

opfert
*) Zimmermann von der Erfahrung.
**) Waͤhrend den 1100 Jahren, die der Beftalenorden gedau-
ert hat, ſind folgende lebendig begraben worden: Pina-
ria, Oppia, Urbinia, Minucia, Scata, Opimia, Lucinia,
Marcia, Emilia, Cornelia, Claudia, Aurelia, Pompo-
nia
und [R]u[ſi]na.
***) Pauw Unterſuchungen uͤber die Amerikaner 2ter B.
4ter Thl.
✷) — — — — — Hic Piſcem fluminis, illic
Oppida tota canem venerantur, nemo Dianam
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[137/0156] Gegenden ziehen, oder Welten entdecken, ſo bedarf er keines unwiderſtehlichen Zugtriebes; denn er kennt den Lauf der Geſtirne, und der Magnet weiſet ihm die Pole der Erde. — Der Neger am Senegal, der Lapplaͤnder und der Feuerlaͤnder kennen kaum den Na- men der Kuͤnſte, und der Europaͤer macht redende Maſchinen, durchſchift den Luftkreis und zeichnet den Geſtirnen ihre Bahne vor; der kropfichte Walliſer vergiſſet zu eſſen und ſich zu entleeren *), und die Druiden entlehnten Gelder, um ſie jenſeits des Gra- bes wieder zuruͤckzugeben; der Boniane verbindet ſich das Maul, um kein lebendiges Thier zu ſchluͤcken, und der Kanibale toͤdet den Menſchen mit der groͤßten Gleichguͤltigkeit und zehrt ihn mit Luſt auf. Der Roͤ- mer begraͤbt die unkeuſche Veſtalin lebendig **), und der Muſelmann faͤllt vor dem verſchnittenen Derwi- ſche, der ſeine Eſelin ſchaͤndet, voll Ehrfurcht auf die Knie. ***) Der Neuſeelaͤnder dringt ſeine Gattin dem Fremdlinge auf, und der Tuͤrke entmannet ſei- nen Unterthan, um das Heer ſeiner Beyſchlaͤferinnen zu bewachen. — Dort verehrt der Menſch den Zwie- bel und den Knoblauch, den Hund und die Geiſe ✷) opfert *) Zimmermann von der Erfahrung. **) Waͤhrend den 1100 Jahren, die der Beftalenorden gedau- ert hat, ſind folgende lebendig begraben worden: Pina- ria, Oppia, Urbinia, Minucia, Scata, Opimia, Lucinia, Marcia, Emilia, Cornelia, Claudia, Aurelia, Pompo- nia und Ruſina. ***) Pauw Unterſuchungen uͤber die Amerikaner 2ter B. 4ter Thl. ✷) — — — — — Hic Piſcem fluminis, illic Oppida tota canem venerantur, nemo Dianam

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/156>, abgerufen am 21.11.2024.