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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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opfert grausamen Götzen, die er sich selbst gemacht;
da sinkt er in Staub vor einem nothwendigen Wesen
ohne Anfang und ohne Ende, ohne Zeit und ohne
Raum, vor einem allgütigen Gott -- Der Gottlose
aber wünscht es, und sprachs in seinem Herzen: Es
ist Kein Gott!

Und alles dieses thun die Kinder eines einzigen
Stammvaters.*) Wer bewundert nicht die außeror-
dentliche Gewandtheit des menschlichen Geistes!

So sehr nun der Mensch in Rücksicht der bey-
nahe grenzenlosen Biegsamkeit des Körpers und des
Geistes, der Sprach- und Vernunftfähigkeit, u. s. w.
über alles Thier erhaben ist: So hat er doch wieder
in andern Rücksichten unendlich vieles mit ihm gemein.
Er nähert sich ihm in seinen eigenen Abarten so sehr;
und Es spielt in tausend und tausend Abänderungen
der Gestalten und der Fähigkeiten so lange um den
Menschen herum, bis es ihm im menschenähnlichen O-
rang-Outang
und im unförmlichen Elephanten auf
die Zehe tritt. -- -- --



Drit-
Porrum & cepe nefas violare, aut frangere morsu.
O sanctas gentes, quibus haec nascuntur in hortis
Numina! lanatis animalibus abstinet omnis
Mensa. Nefas illie fatum jugulare Capellae.

Juvenal. Sat. XV.
*) Was Home in seinem Versuche über die Geschichte des
Menschen 1tes. 1 Versuch von 12 bis 53, und andere
bisher dagegen gesagt haben, ist zwar lesenswerth; al-
lein Zimmermann hat sie in der geographischen Geschich-
te des Menschen 1 B. von Seite 54 bis 101 sattfam wi-
derlegt. Uebrigens bleibt allemal die Hauptsache meiner
Behauptungen wah[r].

opfert grauſamen Goͤtzen, die er ſich ſelbſt gemacht;
da ſinkt er in Staub vor einem nothwendigen Weſen
ohne Anfang und ohne Ende, ohne Zeit und ohne
Raum, vor einem allguͤtigen Gott — Der Gottloſe
aber wuͤnſcht es, und ſprachs in ſeinem Herzen: Es
iſt Kein Gott!

Und alles dieſes thun die Kinder eines einzigen
Stammvaters.*) Wer bewundert nicht die außeror-
dentliche Gewandtheit des menſchlichen Geiſtes!

So ſehr nun der Menſch in Ruͤckſicht der bey-
nahe grenzenloſen Biegſamkeit des Koͤrpers und des
Geiſtes, der Sprach- und Vernunftfaͤhigkeit, u. ſ. w.
uͤber alles Thier erhaben iſt: So hat er doch wieder
in andern Ruͤckſichten unendlich vieles mit ihm gemein.
Er naͤhert ſich ihm in ſeinen eigenen Abarten ſo ſehr;
und Es ſpielt in tauſend und tauſend Abaͤnderungen
der Geſtalten und der Faͤhigkeiten ſo lange um den
Menſchen herum, bis es ihm im menſchenaͤhnlichen O-
rang-Outang
und im unfoͤrmlichen Elephanten auf
die Zehe tritt. — — —



Drit-
Porrum & cepe nefas violare, aut frangere morſu.
O ſanctas gentes, quibus hæc naſcuntur in hortis
Numina! lanatis animalibus abſtinet omnis
Menſa. Nefas illie fatum jugulare Capellæ.

Juvenal. Sat. XV.
*) Was Home in ſeinem Verſuche uͤber die Geſchichte des
Menſchen 1tes. 1 Verſuch von 12 bis 53, und andere
bisher dagegen geſagt haben, iſt zwar leſenswerth; al-
lein Zimmermann hat ſie in der geographiſchen Geſchich-
te des Menſchen 1 B. von Seite 54 bis 101 ſattfam wi-
derlegt. Uebrigens bleibt allemal die Hauptſache meiner
Behauptungen wah[r].
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[138/0157] opfert grauſamen Goͤtzen, die er ſich ſelbſt gemacht; da ſinkt er in Staub vor einem nothwendigen Weſen ohne Anfang und ohne Ende, ohne Zeit und ohne Raum, vor einem allguͤtigen Gott — Der Gottloſe aber wuͤnſcht es, und ſprachs in ſeinem Herzen: Es iſt Kein Gott! Und alles dieſes thun die Kinder eines einzigen Stammvaters. *) Wer bewundert nicht die außeror- dentliche Gewandtheit des menſchlichen Geiſtes! So ſehr nun der Menſch in Ruͤckſicht der bey- nahe grenzenloſen Biegſamkeit des Koͤrpers und des Geiſtes, der Sprach- und Vernunftfaͤhigkeit, u. ſ. w. uͤber alles Thier erhaben iſt: So hat er doch wieder in andern Ruͤckſichten unendlich vieles mit ihm gemein. Er naͤhert ſich ihm in ſeinen eigenen Abarten ſo ſehr; und Es ſpielt in tauſend und tauſend Abaͤnderungen der Geſtalten und der Faͤhigkeiten ſo lange um den Menſchen herum, bis es ihm im menſchenaͤhnlichen O- rang-Outang und im unfoͤrmlichen Elephanten auf die Zehe tritt. — — — Drit- *) *) Was Home in ſeinem Verſuche uͤber die Geſchichte des Menſchen 1tes. 1 Verſuch von 12 bis 53, und andere bisher dagegen geſagt haben, iſt zwar leſenswerth; al- lein Zimmermann hat ſie in der geographiſchen Geſchich- te des Menſchen 1 B. von Seite 54 bis 101 ſattfam wi- derlegt. Uebrigens bleibt allemal die Hauptſache meiner Behauptungen wahr. *) Porrum & cepe nefas violare, aut frangere morſu. O ſanctas gentes, quibus hæc naſcuntur in hortis Numina! lanatis animalibus abſtinet omnis Menſa. Nefas illie fatum jugulare Capellæ. Juvenal. Sat. XV.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/157>, abgerufen am 24.11.2024.