Die Lebenskraft organischer Körper ist so ge- segnet, daß an die Stelle verlorner Theile neue der- gestalt angefügt werden, daß daraus ein regelmäßi- ges Gewebe, ein voriges Glied oder voriger Zweig entspringt. Heinrich Reimarus hat bey neuer zart- anwachsender Haut über die Hirnschale die durchschei- nenden neu entsprungenen Aederchen mit Vergnü- gen beobachtet, wie sie mit ihren Aesten kleinen Bäum- chen glichen. In dem widernatürlichen Gewebe, welches nach Brustentzündungen die äussere Oberfläche der Lun- ge überzieht, und dieselbe nicht selten an das Brustfell anheftet, hat Hunter die Gefäße durch Ausspritzen deutlich gezeiget. Selbst die Aftergewächse in der Ge- bärmutter, Auswüchse, Warzen, und andere Verun- staltungen haben ihre netzförmig verflochtenen, mit einander verbundenen Gefäse, worinn ihnen Nah- rung zugeführt, und wahrscheinlich eine ihnen nöthi- ge Art von Verarbeitung und Absönderung der erhalte- nen Säfte verrichtet wird. -- Die Eydere ersezet den abgerissenen Schwanz wieder, der Krebs erstattet die verlornen Scheeren, die Schnecke in sehr warmen Tagen sogar den Kopf nach einigen Wochen; sogar an den edlern Thieren ersetzen sich nicht nur die Haare, die Oberhaut, die Zähne, die Nägel an den Fin-
gern
dungstrieb dentlich abhandelt. -- Blumenbachs, Metzgers und Pro[b]aska's hieher gehörige Schriften -- Caldani Phisiologie u. s. w.
§. 36. In Ruͤckſicht des Erſtattungsvermoͤgens.
Die Lebenskraft organiſcher Koͤrper iſt ſo ge- ſegnet, daß an die Stelle verlorner Theile neue der- geſtalt angefuͤgt werden, daß daraus ein regelmaͤßi- ges Gewebe, ein voriges Glied oder voriger Zweig entſpringt. Heinrich Reimarus hat bey neuer zart- anwachſender Haut uͤber die Hirnſchale die durchſchei- nenden neu entſprungenen Aederchen mit Vergnuͤ- gen beobachtet, wie ſie mit ihren Aeſten kleinen Baͤum- chen glichen. In dem widernatuͤrlichen Gewebe, welches nach Bruſtentzuͤndungen die aͤuſſere Oberflaͤche der Lun- ge uͤberzieht, und dieſelbe nicht ſelten an das Bruſtfell anheftet, hat Hunter die Gefaͤße durch Ausſpritzen deutlich gezeiget. Selbſt die Aftergewaͤchſe in der Ge- baͤrmutter, Auswuͤchſe, Warzen, und andere Verun- ſtaltungen haben ihre netzfoͤrmig verflochtenen, mit einander verbundenen Gefaͤſe, worinn ihnen Nah- rung zugefuͤhrt, und wahrſcheinlich eine ihnen noͤthi- ge Art von Verarbeitung und Abſoͤnderung der erhalte- nen Saͤfte verrichtet wird. — Die Eydere erſezet den abgeriſſenen Schwanz wieder, der Krebs erſtattet die verlornen Scheeren, die Schnecke in ſehr warmen Tagen ſogar den Kopf nach einigen Wochen; ſogar an den edlern Thieren erſetzen ſich nicht nur die Haare, die Oberhaut, die Zaͤhne, die Naͤgel an den Fin-
gern
dungstrieb dentlich abhandelt. — Blumenbachs, Metzgers und Pro[b]aska’s hieher gehoͤrige Schriften — Caldani Phiſiologie u. ſ. w.
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§. 36.
In Ruͤckſicht des Erſtattungsvermoͤgens.
Die Lebenskraft organiſcher Koͤrper iſt ſo ge-
ſegnet, daß an die Stelle verlorner Theile neue der-
geſtalt angefuͤgt werden, daß daraus ein regelmaͤßi-
ges Gewebe, ein voriges Glied oder voriger Zweig
entſpringt. Heinrich Reimarus hat bey neuer zart-
anwachſender Haut uͤber die Hirnſchale die durchſchei-
nenden neu entſprungenen Aederchen mit Vergnuͤ-
gen beobachtet, wie ſie mit ihren Aeſten kleinen Baͤum-
chen glichen. In dem widernatuͤrlichen Gewebe, welches
nach Bruſtentzuͤndungen die aͤuſſere Oberflaͤche der Lun-
ge uͤberzieht, und dieſelbe nicht ſelten an das Bruſtfell
anheftet, hat Hunter die Gefaͤße durch Ausſpritzen
deutlich gezeiget. Selbſt die Aftergewaͤchſe in der Ge-
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ſtaltungen haben ihre netzfoͤrmig verflochtenen, mit
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rung zugefuͤhrt, und wahrſcheinlich eine ihnen noͤthi-
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die verlornen Scheeren, die Schnecke in ſehr warmen
Tagen ſogar den Kopf nach einigen Wochen; ſogar
an den edlern Thieren erſetzen ſich nicht nur die Haare,
die Oberhaut, die Zaͤhne, die Naͤgel an den Fin-
gern
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*) dungstrieb dentlich abhandelt. — Blumenbachs, Metzgers
und Probaska’s hieher gehoͤrige Schriften — Caldani
Phiſiologie u. ſ. w.
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/168>, abgerufen am 24.11.2024.
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