mäß, gehörig zu lenken wissen. Denn der Arzt, der seine Bestrebungen auf den Geist allein richtet, weiß die gegebenen Vorschriften nicht zu rechter Zeit anzu- wenden, und sieht auch nicht ein, wieviel das schwa- che Gehirn auszuhalten vermag. Und derjenige, wel- cher auf den Körper allein Rücksicht nimmt, weiß den Geist nicht so vorzubereiten, daß die auf den Körper gerichtete Kur alsdann glücklich von statten gehen kann."*)
Was ist nun also die Natur des Menschen? -- Und was ist der Grund ihrer Thätigkeit?
Nicht die Seele; nicht der Bau der festen, oder die Mischung der flüssigen Theile, weder ihre wechselseitige Einwirkung; nicht die Entwicklung; nicht die Kraft der Elemente, des elektrischen oder des magnetischen Stroms, der Licht und Feuermaterie, u. s. w. nicht Verwandtschaft, Einsaugung, Ausdün- stung, Verdickung, Verdünnung, Fäulniß, Gäh- rung, Haargefäße, Reizbarkeit; nicht belebter Or- ganismus oder sonst ein einziges Etwas; nicht einmal der Inbegriff seiner wesentlichen Leibes und Gemüths- kräfte:
Son-
*) Um sich von dieser Wahrheit ganz zu überzeugen, und über die Folgen dieser Verbindung zu belehren, lese man Hippocrates de aere aquis et locis. -- Die vortreffliche Ab- handlung des Galenns: quod animi mores corporis tempe- ramenta sequantur. -- Mede[c]i[n]e de l'esprit von Le Camus &c. &c. &c.
maͤß, gehoͤrig zu lenken wiſſen. Denn der Arzt, der ſeine Beſtrebungen auf den Geiſt allein richtet, weiß die gegebenen Vorſchriften nicht zu rechter Zeit anzu- wenden, und ſieht auch nicht ein, wieviel das ſchwa- che Gehirn auszuhalten vermag. Und derjenige, wel- cher auf den Koͤrper allein Ruͤckſicht nimmt, weiß den Geiſt nicht ſo vorzubereiten, daß die auf den Koͤrper gerichtete Kur alsdann gluͤcklich von ſtatten gehen kann.„*)
Was iſt nun alſo die Natur des Menſchen? — Und was iſt der Grund ihrer Thaͤtigkeit?
Nicht die Seele; nicht der Bau der feſten, oder die Miſchung der fluͤſſigen Theile, weder ihre wechſelſeitige Einwirkung; nicht die Entwicklung; nicht die Kraft der Elemente, des elektriſchen oder des magnetiſchen Stroms, der Licht und Feuermaterie, u. ſ. w. nicht Verwandtſchaft, Einſaugung, Ausduͤn- ſtung, Verdickung, Verduͤnnung, Faͤulniß, Gaͤh- rung, Haargefaͤße, Reizbarkeit; nicht belebter Or- ganismus oder ſonſt ein einziges Etwas; nicht einmal der Inbegriff ſeiner weſentlichen Leibes und Gemuͤths- kraͤfte:
Son-
*) Um ſich von dieſer Wahrheit ganz zu uͤberzeugen, und uͤber die Folgen dieſer Verbindung zu belehren, leſe man Hippocrates de aere aquis et locis. — Die vortreffliche Ab- handlung des Galenns: quod animi mores corporis tempe- ramenta ſequantur. — Mede[c]i[n]e de l’eſprit von Le Camus &c. &c. &c.
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maͤß, gehoͤrig zu lenken wiſſen. Denn der Arzt, der
ſeine Beſtrebungen auf den Geiſt allein richtet, weiß
die gegebenen Vorſchriften nicht zu rechter Zeit anzu-
wenden, und ſieht auch nicht ein, wieviel das ſchwa-
che Gehirn auszuhalten vermag. Und derjenige, wel-
cher auf den Koͤrper allein Ruͤckſicht nimmt, weiß
den Geiſt nicht ſo vorzubereiten, daß die auf den
Koͤrper gerichtete Kur alsdann gluͤcklich von ſtatten
gehen kann.„ *)
Was iſt nun alſo die Natur des Menſchen?
— Und was iſt der Grund ihrer Thaͤtigkeit?
Nicht die Seele; nicht der Bau der feſten,
oder die Miſchung der fluͤſſigen Theile, weder ihre
wechſelſeitige Einwirkung; nicht die Entwicklung; nicht
die Kraft der Elemente, des elektriſchen oder des
magnetiſchen Stroms, der Licht und Feuermaterie,
u. ſ. w. nicht Verwandtſchaft, Einſaugung, Ausduͤn-
ſtung, Verdickung, Verduͤnnung, Faͤulniß, Gaͤh-
rung, Haargefaͤße, Reizbarkeit; nicht belebter Or-
ganismus oder ſonſt ein einziges Etwas; nicht einmal
der Inbegriff ſeiner weſentlichen Leibes und Gemuͤths-
kraͤfte:
Son-
*) Um ſich von dieſer Wahrheit ganz zu uͤberzeugen, und
uͤber die Folgen dieſer Verbindung zu belehren, leſe man
Hippocrates de aere aquis et locis. — Die vortreffliche Ab-
handlung des Galenns: quod animi mores corporis tempe-
ramenta ſequantur. — Medecine de l’eſprit von Le
Camus &c. &c. &c.
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/222>, abgerufen am 16.02.2025.
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