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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Schwächlinge, bis sie endlich auch diese, nachdem
sie milder zu werden angefangen haben, obschon mit
weniger Gefahr, angreifen. -- Aber fallen diese Ui-
bel solche starke Körper an, weil sie ihrer ursprüng-
lichen Natur nach heftiger sind? -- Oder erhalten sie
erst ihre Heftigkeit durch die mächtige Gegenwirkung
der Lebenskräfte? -- Beydes ist wahr. Das letzte
in den Krankheiten, welche einen widernatürlichen
Reiz zum Grunde haben, z. B. in den reinen Ent-
zündungen, den Gall- und Faulfiebern etc. etc.: Wa-
rum aber manche Volkskrankheiten anfänglich die
Schwächlinge verschonen, und ihnen erst, nachdem
sie ihren gefährlichen Karakter abgelegt haben, zuse-
tzen, dieses ist mir noch unerklärbar, obschon ich im
3ten Kapitel wichtige Beyträge zum Aufschluß dieses
Umstandes liefern werde. -- Hier mag es genug seyn,
zu bemerken, daß überhaupt beystarken Leuten, vor-
züglich Landleuten die heftigen hitzigen Krankheiten
weit gemeiner sind, als bey Städtern und Schwäch-
lingen; und daß alle hitzigen Krankheiten in starken,
jungen, wohlgenährten Menschen weit schneller verlau-
fen, sie mögen einen glücklichen oder unglücklichen Aus-
gang nehmen. Eine Krankheit, z. B. welche eine schwäch-
liche, schlappe, träge Person, ungefähr in 28--40
Tagen tödet, wird ein gesundes, starkes Weib in
12--20 Tagen, und einen vollsaftigen, straffen,
jungen Mann in 3--7 Tagen tödten. Daher waren
ehemals, als das Menschengeschlecht bey uns noch we-
niger zerrüttet war, die Entzündungen und andere schnell
verlaufenden hitzigen Fieber durchgängig allgemeiner.


Der

Schwaͤchlinge, bis ſie endlich auch dieſe, nachdem
ſie milder zu werden angefangen haben, obſchon mit
weniger Gefahr, angreifen. — Aber fallen dieſe Ui-
bel ſolche ſtarke Koͤrper an, weil ſie ihrer urſpruͤng-
lichen Natur nach heftiger ſind? — Oder erhalten ſie
erſt ihre Heftigkeit durch die maͤchtige Gegenwirkung
der Lebenskraͤfte? — Beydes iſt wahr. Das letzte
in den Krankheiten, welche einen widernatuͤrlichen
Reiz zum Grunde haben, z. B. in den reinen Ent-
zuͤndungen, den Gall- und Faulfiebern ꝛc. ꝛc.: Wa-
rum aber manche Volkskrankheiten anfaͤnglich die
Schwaͤchlinge verſchonen, und ihnen erſt, nachdem
ſie ihren gefaͤhrlichen Karakter abgelegt haben, zuſe-
tzen, dieſes iſt mir noch unerklaͤrbar, obſchon ich im
3ten Kapitel wichtige Beytraͤge zum Aufſchluß dieſes
Umſtandes liefern werde. — Hier mag es genug ſeyn,
zu bemerken, daß uͤberhaupt beyſtarken Leuten, vor-
zuͤglich Landleuten die heftigen hitzigen Krankheiten
weit gemeiner ſind, als bey Staͤdtern und Schwaͤch-
lingen; und daß alle hitzigen Krankheiten in ſtarken,
jungen, wohlgenaͤhrten Menſchen weit ſchneller verlau-
fen, ſie moͤgen einen gluͤcklichen oder ungluͤcklichen Aus-
gang nehmen. Eine Krankheit, z. B. welche eine ſchwaͤch-
liche, ſchlappe, traͤge Perſon, ungefaͤhr in 28—40
Tagen toͤdet, wird ein geſundes, ſtarkes Weib in
12—20 Tagen, und einen vollſaftigen, ſtraffen,
jungen Mann in 3—7 Tagen toͤdten. Daher waren
ehemals, als das Menſchengeſchlecht bey uns noch we-
niger zerruͤttet war, die Entzuͤndungen und andere ſchnell
verlaufenden hitzigen Fieber durchgaͤngig allgemeiner.


Der
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[315/0334] Schwaͤchlinge, bis ſie endlich auch dieſe, nachdem ſie milder zu werden angefangen haben, obſchon mit weniger Gefahr, angreifen. — Aber fallen dieſe Ui- bel ſolche ſtarke Koͤrper an, weil ſie ihrer urſpruͤng- lichen Natur nach heftiger ſind? — Oder erhalten ſie erſt ihre Heftigkeit durch die maͤchtige Gegenwirkung der Lebenskraͤfte? — Beydes iſt wahr. Das letzte in den Krankheiten, welche einen widernatuͤrlichen Reiz zum Grunde haben, z. B. in den reinen Ent- zuͤndungen, den Gall- und Faulfiebern ꝛc. ꝛc.: Wa- rum aber manche Volkskrankheiten anfaͤnglich die Schwaͤchlinge verſchonen, und ihnen erſt, nachdem ſie ihren gefaͤhrlichen Karakter abgelegt haben, zuſe- tzen, dieſes iſt mir noch unerklaͤrbar, obſchon ich im 3ten Kapitel wichtige Beytraͤge zum Aufſchluß dieſes Umſtandes liefern werde. — Hier mag es genug ſeyn, zu bemerken, daß uͤberhaupt beyſtarken Leuten, vor- zuͤglich Landleuten die heftigen hitzigen Krankheiten weit gemeiner ſind, als bey Staͤdtern und Schwaͤch- lingen; und daß alle hitzigen Krankheiten in ſtarken, jungen, wohlgenaͤhrten Menſchen weit ſchneller verlau- fen, ſie moͤgen einen gluͤcklichen oder ungluͤcklichen Aus- gang nehmen. Eine Krankheit, z. B. welche eine ſchwaͤch- liche, ſchlappe, traͤge Perſon, ungefaͤhr in 28—40 Tagen toͤdet, wird ein geſundes, ſtarkes Weib in 12—20 Tagen, und einen vollſaftigen, ſtraffen, jungen Mann in 3—7 Tagen toͤdten. Daher waren ehemals, als das Menſchengeſchlecht bey uns noch we- niger zerruͤttet war, die Entzuͤndungen und andere ſchnell verlaufenden hitzigen Fieber durchgaͤngig allgemeiner. Der

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/334>, abgerufen am 22.11.2024.