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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Der schnelle, heftige, gefährliche Verlauf der
Krankheiten bey starken, wohlbeschaffenen Leuten,
hat wahrscheinlich die Aerzte bewogen, eine gar zu
blühende Gesundheit für einen bedenklichen Zustand
anzusehen, indem er nicht lange sich selbst gleich blei-
ben kann, und jede Veränderung mit Gefahr ver-
knüpft ist. Galenus hat daher Recht, daß er nicht
geradezu den stärksten, vierschrödigsten Körper für
den best beschaffnen hält; sondern einen solchen, der
weder durchaus mit Haaren bewachsen, noch glatt,
weder weich, noch hart, weder schwarz noch weis ist;
dessen Blutgefäße noch gar zu groß noch zu klein,
dessen Aderschläge weder zu heftig noch zu schwach wä-
ren, und dessen Theile durchgängig in einer genauen
Uebereinstimmung untereinander stünden. Man will
bemerkt haben, daß jene Mannsleute, die den Wei-
bern gleichen, und jene Weiber, die den Männer
gleichen, gewöhnlich das höchste Alter zu erreichen
pflegen. Aus dieser glücklichen Mischung entspränge
jene beneidenswerthe Anlage, wodurch die Natur den
Mängeln der zu starken und zu schwachen Körper ent-
geht. Uebrigens ist es bekannt, wie sehr der geschmei-
digere Bau des schönen Geschlechts den schmerzhaftesten
und schwersten Uebeln Widerstand leiste; daß über-
haupt mehr Weiber als Männer, ein sehr hohes Al-
ter erreichen; daß Schwächlinge sich so sehr an Kränk-
lichkeiten gewöhnen können, daß sie nicht selten die
stärksten, gesündesten Menschen überleben.


§. 29.

Der ſchnelle, heftige, gefaͤhrliche Verlauf der
Krankheiten bey ſtarken, wohlbeſchaffenen Leuten,
hat wahrſcheinlich die Aerzte bewogen, eine gar zu
bluͤhende Geſundheit fuͤr einen bedenklichen Zuſtand
anzuſehen, indem er nicht lange ſich ſelbſt gleich blei-
ben kann, und jede Veraͤnderung mit Gefahr ver-
knuͤpft iſt. Galenus hat daher Recht, daß er nicht
geradezu den ſtaͤrkſten, vierſchroͤdigſten Koͤrper fuͤr
den beſt beſchaffnen haͤlt; ſondern einen ſolchen, der
weder durchaus mit Haaren bewachſen, noch glatt,
weder weich, noch hart, weder ſchwarz noch weis iſt;
deſſen Blutgefaͤße noch gar zu groß noch zu klein,
deſſen Aderſchlaͤge weder zu heftig noch zu ſchwach waͤ-
ren, und deſſen Theile durchgaͤngig in einer genauen
Uebereinſtimmung untereinander ſtuͤnden. Man will
bemerkt haben, daß jene Mannsleute, die den Wei-
bern gleichen, und jene Weiber, die den Maͤnner
gleichen, gewoͤhnlich das hoͤchſte Alter zu erreichen
pflegen. Aus dieſer gluͤcklichen Miſchung entſpraͤnge
jene beneidenswerthe Anlage, wodurch die Natur den
Maͤngeln der zu ſtarken und zu ſchwachen Koͤrper ent-
geht. Uebrigens iſt es bekannt, wie ſehr der geſchmei-
digere Bau des ſchoͤnen Geſchlechts den ſchmerzhafteſten
und ſchwerſten Uebeln Widerſtand leiſte; daß uͤber-
haupt mehr Weiber als Maͤnner, ein ſehr hohes Al-
ter erreichen; daß Schwaͤchlinge ſich ſo ſehr an Kraͤnk-
lichkeiten gewoͤhnen koͤnnen, daß ſie nicht ſelten die
ſtaͤrkſten, geſuͤndeſten Menſchen uͤberleben.


§. 29.
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[316/0335] Der ſchnelle, heftige, gefaͤhrliche Verlauf der Krankheiten bey ſtarken, wohlbeſchaffenen Leuten, hat wahrſcheinlich die Aerzte bewogen, eine gar zu bluͤhende Geſundheit fuͤr einen bedenklichen Zuſtand anzuſehen, indem er nicht lange ſich ſelbſt gleich blei- ben kann, und jede Veraͤnderung mit Gefahr ver- knuͤpft iſt. Galenus hat daher Recht, daß er nicht geradezu den ſtaͤrkſten, vierſchroͤdigſten Koͤrper fuͤr den beſt beſchaffnen haͤlt; ſondern einen ſolchen, der weder durchaus mit Haaren bewachſen, noch glatt, weder weich, noch hart, weder ſchwarz noch weis iſt; deſſen Blutgefaͤße noch gar zu groß noch zu klein, deſſen Aderſchlaͤge weder zu heftig noch zu ſchwach waͤ- ren, und deſſen Theile durchgaͤngig in einer genauen Uebereinſtimmung untereinander ſtuͤnden. Man will bemerkt haben, daß jene Mannsleute, die den Wei- bern gleichen, und jene Weiber, die den Maͤnner gleichen, gewoͤhnlich das hoͤchſte Alter zu erreichen pflegen. Aus dieſer gluͤcklichen Miſchung entſpraͤnge jene beneidenswerthe Anlage, wodurch die Natur den Maͤngeln der zu ſtarken und zu ſchwachen Koͤrper ent- geht. Uebrigens iſt es bekannt, wie ſehr der geſchmei- digere Bau des ſchoͤnen Geſchlechts den ſchmerzhafteſten und ſchwerſten Uebeln Widerſtand leiſte; daß uͤber- haupt mehr Weiber als Maͤnner, ein ſehr hohes Al- ter erreichen; daß Schwaͤchlinge ſich ſo ſehr an Kraͤnk- lichkeiten gewoͤhnen koͤnnen, daß ſie nicht ſelten die ſtaͤrkſten, geſuͤndeſten Menſchen uͤberleben. §. 29.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/335>, abgerufen am 22.11.2024.