Seele eine Veränderung, einen Eindruck, ein Ge- fühl hervorbringen, und dem empfangenen Eindruck gemäß, abwärts durch die Nerven, eine Thätigkeit erregen.
§. 278. Daß in der Seele leidentliche und thätige Veränderungen ohne Bewußtseyn entstehen können, das bedarf keines Beweises.
§. 279. Was Stahl von Absicht und Will- kühr der Seele bey den Bewegungen der thierischen Werkzeuge sagt §. 273. Nro 5., das gehört nicht zu dem Wesentlichen seines Systems; auf keinen Fall zu den Behauptungen des Verfassers der Anthropologie.
§. 280. Demnach ist das Zusammenziehen der gereizten Muskelfiebern nicht die unmittelbare und al- leinige Folge des ihnen für sich beygebrachten Reizes: sondern die Erscheinung einer durch das Nervengefühl erregten Thätigkeit der Seelenkraft.
§. 281. Die Wirklichkeit unbeseelter Thiere ist noch nicht bewiesen. Thiere ohne Nerven, ohne Seelenorgan und ohne Seele, wären keine Thiere, sondern Pflanzen in thierischer Gestalt.
§. 282. Das Zusammenziehen der Muskel- fiebern, welches in todten, ausgeschnittenen, und also von der Gemeinschaft der Seele und des Gehirns ganz abgesonderten Theilen, eine kurze Zeit wahrge- nommen wird, beweißt nur so viel: daß die einfache Substanzen des in den Nerven der Muskelfiebern ent- haltenen Nervengeistes, auch für sich selbst, und unabhängig von dem Antriebe der Seele, in Thä- tigkeit gesetzt werden können: nicht aber, daß auch in
dem
Seele eine Veraͤnderung, einen Eindruck, ein Ge- fuͤhl hervorbringen, und dem empfangenen Eindruck gemaͤß, abwaͤrts durch die Nerven, eine Thaͤtigkeit erregen.
§. 278. Daß in der Seele leidentliche und thaͤtige Veraͤnderungen ohne Bewußtſeyn entſtehen koͤnnen, das bedarf keines Beweiſes.
§. 279. Was Stahl von Abſicht und Will- kuͤhr der Seele bey den Bewegungen der thieriſchen Werkzeuge ſagt §. 273. Nro 5., das gehoͤrt nicht zu dem Weſentlichen ſeines Syſtems; auf keinen Fall zu den Behauptungen des Verfaſſers der Anthropologie.
§. 280. Demnach iſt das Zuſammenziehen der gereizten Muskelfiebern nicht die unmittelbare und al- leinige Folge des ihnen fuͤr ſich beygebrachten Reizes: ſondern die Erſcheinung einer durch das Nervengefuͤhl erregten Thaͤtigkeit der Seelenkraft.
§. 281. Die Wirklichkeit unbeſeelter Thiere iſt noch nicht bewieſen. Thiere ohne Nerven, ohne Seelenorgan und ohne Seele, waͤren keine Thiere, ſondern Pflanzen in thieriſcher Geſtalt.
§. 282. Das Zuſammenziehen der Muskel- fiebern, welches in todten, ausgeſchnittenen, und alſo von der Gemeinſchaft der Seele und des Gehirns ganz abgeſonderten Theilen, eine kurze Zeit wahrge- nommen wird, beweißt nur ſo viel: daß die einfache Subſtanzen des in den Nerven der Muskelfiebern ent- haltenen Nervengeiſtes, auch fuͤr ſich ſelbſt, und unabhaͤngig von dem Antriebe der Seele, in Thaͤ- tigkeit geſetzt werden koͤnnen: nicht aber, daß auch in
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Seele eine Veraͤnderung, einen Eindruck, ein Ge-
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gemaͤß, abwaͤrts durch die Nerven, eine Thaͤtigkeit
erregen.
§. 278. Daß in der Seele leidentliche und
thaͤtige Veraͤnderungen ohne Bewußtſeyn entſtehen
koͤnnen, das bedarf keines Beweiſes.
§. 279. Was Stahl von Abſicht und Will-
kuͤhr der Seele bey den Bewegungen der thieriſchen
Werkzeuge ſagt §. 273. Nro 5., das gehoͤrt nicht
zu dem Weſentlichen ſeines Syſtems; auf keinen Fall
zu den Behauptungen des Verfaſſers der Anthropologie.
§. 280. Demnach iſt das Zuſammenziehen der
gereizten Muskelfiebern nicht die unmittelbare und al-
leinige Folge des ihnen fuͤr ſich beygebrachten Reizes:
ſondern die Erſcheinung einer durch das Nervengefuͤhl
erregten Thaͤtigkeit der Seelenkraft.
§. 281. Die Wirklichkeit unbeſeelter Thiere iſt
noch nicht bewieſen. Thiere ohne Nerven, ohne
Seelenorgan und ohne Seele, waͤren keine Thiere,
ſondern Pflanzen in thieriſcher Geſtalt.
§. 282. Das Zuſammenziehen der Muskel-
fiebern, welches in todten, ausgeſchnittenen, und
alſo von der Gemeinſchaft der Seele und des Gehirns
ganz abgeſonderten Theilen, eine kurze Zeit wahrge-
nommen wird, beweißt nur ſo viel: daß die einfache
Subſtanzen des in den Nerven der Muskelfiebern ent-
haltenen Nervengeiſtes, auch fuͤr ſich ſelbſt, und
unabhaͤngig von dem Antriebe der Seele, in Thaͤ-
tigkeit geſetzt werden koͤnnen: nicht aber, daß auch in
dem
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/35>, abgerufen am 24.11.2024.
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