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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Raserey dauerte bis den neunten Tag, an welchem
ein Nasenbluten entstund, welches bald aufhörte,
bald wieder aufs Neue anfieng, und so lange anhielt,
daß der ganz entkräftete Kranke sicher gestorben wäre,
wenn man es nicht gestillt hätte. Der Kranke blieb
sehr lange schwächlich; er schwoll an den Beinen, im
Gesicht und am ganzen Leibe. Er genaß endlich
nach stärkenden Mitteln.*)

Weikard hat einen jungen Menschen, der die
Rechte studierte, von einer schweren Frieselkrankheit
genesen gesehen. Er war beynahe die ganze Krank-
heit hindurch irre und oft wie rasend gewesen. Die
Krankheit hatte ihn nun völlig verlassen. Er war
noch schwach am Körper, doch schienen seine Verstan-
deskräfte wieder in Ordnung zu seyn. Er empfand
gegenwärtige Dinge, und urtheilte ganz ordentlich;
allein das Vergangene war ihm aus dem Sinne ge-
kommen. Er wuste nicht, in welcher Stadt, in wel-
cher Gasse er war. Seine Gesellschafter erinnerten
ihn endlich an verflossene Dinge. Sie erzählten ihm
wie oft sie zusammen hatten Musik gemacht. Er wu-
ste kein Wort davon, daß er jemals die Musik ver-
standen habe. Man gab ihm seine Harfe; er setzte
die Finger an, und wollte sich zu tode wundern,
daß er Lieder spielen konnte. Man redete ihn fran-
zösisch an, er antwortete ordentlich, und fragte mit
Erstaunen, ob er es denn vormals gelernet hätte? Er
wuste sich nicht zu erinnern, daß er die Rechte studiert
hatte, obwohl er in selbigen sehr fleißig gewesen war.

Man
*) Trium morborum histori[a].

Raſerey dauerte bis den neunten Tag, an welchem
ein Naſenbluten entſtund, welches bald aufhoͤrte,
bald wieder aufs Neue anfieng, und ſo lange anhielt,
daß der ganz entkraͤftete Kranke ſicher geſtorben waͤre,
wenn man es nicht geſtillt haͤtte. Der Kranke blieb
ſehr lange ſchwaͤchlich; er ſchwoll an den Beinen, im
Geſicht und am ganzen Leibe. Er genaß endlich
nach ſtaͤrkenden Mitteln.*)

Weikard hat einen jungen Menſchen, der die
Rechte ſtudierte, von einer ſchweren Frieſelkrankheit
geneſen geſehen. Er war beynahe die ganze Krank-
heit hindurch irre und oft wie raſend geweſen. Die
Krankheit hatte ihn nun voͤllig verlaſſen. Er war
noch ſchwach am Koͤrper, doch ſchienen ſeine Verſtan-
deskraͤfte wieder in Ordnung zu ſeyn. Er empfand
gegenwaͤrtige Dinge, und urtheilte ganz ordentlich;
allein das Vergangene war ihm aus dem Sinne ge-
kommen. Er wuſte nicht, in welcher Stadt, in wel-
cher Gaſſe er war. Seine Geſellſchafter erinnerten
ihn endlich an verfloſſene Dinge. Sie erzaͤhlten ihm
wie oft ſie zuſammen hatten Muſik gemacht. Er wu-
ſte kein Wort davon, daß er jemals die Muſik ver-
ſtanden habe. Man gab ihm ſeine Harfe; er ſetzte
die Finger an, und wollte ſich zu tode wundern,
daß er Lieder ſpielen konnte. Man redete ihn fran-
zoͤſiſch an, er antwortete ordentlich, und fragte mit
Erſtaunen, ob er es denn vormals gelernet haͤtte? Er
wuſte ſich nicht zu erinnern, daß er die Rechte ſtudiert
hatte, obwohl er in ſelbigen ſehr fleißig geweſen war.

Man
*) Trium morborum hiſtori[a].
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[390/0409] Raſerey dauerte bis den neunten Tag, an welchem ein Naſenbluten entſtund, welches bald aufhoͤrte, bald wieder aufs Neue anfieng, und ſo lange anhielt, daß der ganz entkraͤftete Kranke ſicher geſtorben waͤre, wenn man es nicht geſtillt haͤtte. Der Kranke blieb ſehr lange ſchwaͤchlich; er ſchwoll an den Beinen, im Geſicht und am ganzen Leibe. Er genaß endlich nach ſtaͤrkenden Mitteln. *) Weikard hat einen jungen Menſchen, der die Rechte ſtudierte, von einer ſchweren Frieſelkrankheit geneſen geſehen. Er war beynahe die ganze Krank- heit hindurch irre und oft wie raſend geweſen. Die Krankheit hatte ihn nun voͤllig verlaſſen. Er war noch ſchwach am Koͤrper, doch ſchienen ſeine Verſtan- deskraͤfte wieder in Ordnung zu ſeyn. Er empfand gegenwaͤrtige Dinge, und urtheilte ganz ordentlich; allein das Vergangene war ihm aus dem Sinne ge- kommen. Er wuſte nicht, in welcher Stadt, in wel- cher Gaſſe er war. Seine Geſellſchafter erinnerten ihn endlich an verfloſſene Dinge. Sie erzaͤhlten ihm wie oft ſie zuſammen hatten Muſik gemacht. Er wu- ſte kein Wort davon, daß er jemals die Muſik ver- ſtanden habe. Man gab ihm ſeine Harfe; er ſetzte die Finger an, und wollte ſich zu tode wundern, daß er Lieder ſpielen konnte. Man redete ihn fran- zoͤſiſch an, er antwortete ordentlich, und fragte mit Erſtaunen, ob er es denn vormals gelernet haͤtte? Er wuſte ſich nicht zu erinnern, daß er die Rechte ſtudiert hatte, obwohl er in ſelbigen ſehr fleißig geweſen war. Man *) Trium morborum hiſtoria.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/409>, abgerufen am 22.11.2024.