geln und Amphibien, aus Fertigkeiten und Angewöh- nungen der Muskeln §. 165. 238. -- Fertigkeiten und Angewöhnungen finde ich nur dort, wo nach oft wie- derholten Bewegungen die nämlichen Bewegungen bey einer schwachen Veranlassung wieder geschehen. Aber die nach dem Tode sich äußernden Bewegungen sind bey weitem keine solche, wie sie es im Leben waren; in einzelnen Gliedmaßen, die nur einer sehr einfachen Bewegung fähig sind, z. B. in dem Fuße einer Spinne haben sie zwar noch einige Aehnlichkeit, sonst aber ist kein Einstimmung mehr; es sind krampfhafte, zucken- de, bebende, unordentliche, gewaltsame Bewegungen ohne Zweck und ohne Zusammenhang. Wie soll ich mir eine Fertigkeit oder Angewöhnung gedenklich ma- chen, wenn Nichts mehr übrig bleibt, was den gewöhn- ten Reiz empfängt und erwiedert? Endlich gesteht man in der Note zu §. 283, daß eine für sich bestehen- de Reizbarkeit und Beweglichkeit des Nervengeistes, und der sowohl willkührlichen als unwillkührlichen Muskeln statt habe; und daß es schlechterdings nö- thig seye, daß man alles das, mittelst einer spekula- tiven Absönderung, als etwas von der Mitwirkung der Seele getrenntes denken lerne; Ja! es seye unwi- dersprechlich, daß alles das in den Bewegungen todter Theile von der Mitwirkung der Seele wirklich getrennt seye. Aber, daß auch während dem Leben, das heißt, während der fortdauernden stetigen Gemein- schaft der Seele mit dem Körper, etwas der Art ohne Theilnehmung der Seele erfolgen könne; das werde Plattnern so lange ungedenklich bleiben, bis man
darge-
geln und Amphibien, aus Fertigkeiten und Angewoͤh- nungen der Muskeln §. 165. 238. — Fertigkeiten und Angewoͤhnungen finde ich nur dort, wo nach oft wie- derholten Bewegungen die naͤmlichen Bewegungen bey einer ſchwachen Veranlaſſung wieder geſchehen. Aber die nach dem Tode ſich aͤußernden Bewegungen ſind bey weitem keine ſolche, wie ſie es im Leben waren; in einzelnen Gliedmaßen, die nur einer ſehr einfachen Bewegung faͤhig ſind, z. B. in dem Fuße einer Spinne haben ſie zwar noch einige Aehnlichkeit, ſonſt aber iſt kein Einſtimmung mehr; es ſind krampfhafte, zucken- de, bebende, unordentliche, gewaltſame Bewegungen ohne Zweck und ohne Zuſammenhang. Wie ſoll ich mir eine Fertigkeit oder Angewoͤhnung gedenklich ma- chen, wenn Nichts mehr uͤbrig bleibt, was den gewoͤhn- ten Reiz empfaͤngt und erwiedert? Endlich geſteht man in der Note zu §. 283, daß eine fuͤr ſich beſtehen- de Reizbarkeit und Beweglichkeit des Nervengeiſtes, und der ſowohl willkuͤhrlichen als unwillkuͤhrlichen Muskeln ſtatt habe; und daß es ſchlechterdings noͤ- thig ſeye, daß man alles das, mittelſt einer ſpekula- tiven Abſoͤnderung, als etwas von der Mitwirkung der Seele getrenntes denken lerne; Ja! es ſeye unwi- derſprechlich, daß alles das in den Bewegungen todter Theile von der Mitwirkung der Seele wirklich getrennt ſeye. Aber, daß auch waͤhrend dem Leben, das heißt, waͤhrend der fortdauernden ſtetigen Gemein- ſchaft der Seele mit dem Koͤrper, etwas der Art ohne Theilnehmung der Seele erfolgen koͤnne; das werde Plattnern ſo lange ungedenklich bleiben, bis man
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geln und Amphibien, aus Fertigkeiten und Angewoͤh-
nungen der Muskeln §. 165. 238. — Fertigkeiten und
Angewoͤhnungen finde ich nur dort, wo nach oft wie-
derholten Bewegungen die naͤmlichen Bewegungen bey
einer ſchwachen Veranlaſſung wieder geſchehen. Aber
die nach dem Tode ſich aͤußernden Bewegungen ſind
bey weitem keine ſolche, wie ſie es im Leben waren;
in einzelnen Gliedmaßen, die nur einer ſehr einfachen
Bewegung faͤhig ſind, z. B. in dem Fuße einer Spinne
haben ſie zwar noch einige Aehnlichkeit, ſonſt aber iſt
kein Einſtimmung mehr; es ſind krampfhafte, zucken-
de, bebende, unordentliche, gewaltſame Bewegungen
ohne Zweck und ohne Zuſammenhang. Wie ſoll ich
mir eine Fertigkeit oder Angewoͤhnung gedenklich ma-
chen, wenn Nichts mehr uͤbrig bleibt, was den gewoͤhn-
ten Reiz empfaͤngt und erwiedert? Endlich geſteht
man in der Note zu §. 283, daß eine fuͤr ſich beſtehen-
de Reizbarkeit und Beweglichkeit des Nervengeiſtes,
und der ſowohl willkuͤhrlichen als unwillkuͤhrlichen
Muskeln ſtatt habe; und daß es ſchlechterdings noͤ-
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der Seele getrenntes denken lerne; Ja! es ſeye unwi-
derſprechlich, daß alles das in den Bewegungen todter
Theile von der Mitwirkung der Seele wirklich getrennt
ſeye. Aber, daß auch waͤhrend dem Leben, das
heißt, waͤhrend der fortdauernden ſtetigen Gemein-
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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