Die falsche oder scheinbare Vollblütigkeit (Ple- thora ad volumen, rarefacta) verdient eine besondere Aufmerksamkeit. Sie entsteht von der Ausdehnung des Blutes, und treibt die Adern so stark auf, wie bey der wahren Vollblütigkeit. Sie hat den starken Aderschlag, den großen Puls, die brennende Hitze des Körpers, die Röthe der Augen und des Gesichts, den Durst, die Unruhe mit der wahren gemein; nur ist der Puls weicher; die Hitze der Haut brennender, und, vorausgesetzt, daß weder die eine noch die an- dere einen hohen Grad erreicht haben, so leiden die Lebenskräfte bey der letztern gemeiniglich mehr. Fer- ner wird sie durch ihre erregenden Ursachen erkennt. Diese sind: "grosse Wärme der Luft, am Heerde und im Bade, Speise und Trank, Arzneyen und Gif- te, Brech- und Entzündungsfieber, Bewegung, Leidenschaften und Reiben etc. Große und plötzliche Verminderung des Druckes der Atmosphäre, beson- dere Veränderungen der Säfte durch beygemischte fremd- artige Materien etc. Noch mehr aber, wenn die Reitz- barkeit dazu kömmt, oder eine fehlerhafte Beschaffen- heit des Blutes, ingleichen die Menge aufgelösten, von der Wärme stark ausgedehnten und in das Blut aufgenommenen Fettes den Körper dazu geneigt macht." *) Man erkennt sie auch, wenn sie sich erst nach Blut- flüssen oder einer andern beträchtlichen Ausleerung of- fenbaret; wenn sie sich nach dem Zurücktreten irgend einer bösartigen Feuchtigkeit in das Blut; zu Ende
einer
*) Gaubius Anfangsgründe der Krankheitslehre. §. 390.
§. 13.
Die falſche oder ſcheinbare Vollbluͤtigkeit (Ple- thora ad volumen, rarefacta) verdient eine beſondere Aufmerkſamkeit. Sie entſteht von der Ausdehnung des Blutes, und treibt die Adern ſo ſtark auf, wie bey der wahren Vollbluͤtigkeit. Sie hat den ſtarken Aderſchlag, den großen Puls, die brennende Hitze des Koͤrpers, die Roͤthe der Augen und des Geſichts, den Durſt, die Unruhe mit der wahren gemein; nur iſt der Puls weicher; die Hitze der Haut brennender, und, vorausgeſetzt, daß weder die eine noch die an- dere einen hohen Grad erreicht haben, ſo leiden die Lebenskraͤfte bey der letztern gemeiniglich mehr. Fer- ner wird ſie durch ihre erregenden Urſachen erkennt. Dieſe ſind: “groſſe Waͤrme der Luft, am Heerde und im Bade, Speiſe und Trank, Arzneyen und Gif- te, Brech- und Entzuͤndungsfieber, Bewegung, Leidenſchaften und Reiben ꝛc. Große und ploͤtzliche Verminderung des Druckes der Atmoſphaͤre, beſon- dere Veraͤnderungen der Saͤfte durch beygemiſchte fremd- artige Materien ꝛc. Noch mehr aber, wenn die Reitz- barkeit dazu koͤmmt, oder eine fehlerhafte Beſchaffen- heit des Blutes, ingleichen die Menge aufgeloͤſten, von der Waͤrme ſtark ausgedehnten und in das Blut aufgenommenen Fettes den Koͤrper dazu geneigt macht.„ *) Man erkennt ſie auch, wenn ſie ſich erſt nach Blut- fluͤſſen oder einer andern betraͤchtlichen Ausleerung of- fenbaret; wenn ſie ſich nach dem Zuruͤcktreten irgend einer boͤsartigen Feuchtigkeit in das Blut; zu Ende
einer
*) Gaubius Anfangsgruͤnde der Krankheitslehre. §. 390.
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§. 13.
Die falſche oder ſcheinbare Vollbluͤtigkeit (Ple-
thora ad volumen, rarefacta) verdient eine beſondere
Aufmerkſamkeit. Sie entſteht von der Ausdehnung
des Blutes, und treibt die Adern ſo ſtark auf, wie
bey der wahren Vollbluͤtigkeit. Sie hat den ſtarken
Aderſchlag, den großen Puls, die brennende Hitze
des Koͤrpers, die Roͤthe der Augen und des Geſichts,
den Durſt, die Unruhe mit der wahren gemein; nur
iſt der Puls weicher; die Hitze der Haut brennender,
und, vorausgeſetzt, daß weder die eine noch die an-
dere einen hohen Grad erreicht haben, ſo leiden die
Lebenskraͤfte bey der letztern gemeiniglich mehr. Fer-
ner wird ſie durch ihre erregenden Urſachen erkennt.
Dieſe ſind: “groſſe Waͤrme der Luft, am Heerde
und im Bade, Speiſe und Trank, Arzneyen und Gif-
te, Brech- und Entzuͤndungsfieber, Bewegung,
Leidenſchaften und Reiben ꝛc. Große und ploͤtzliche
Verminderung des Druckes der Atmoſphaͤre, beſon-
dere Veraͤnderungen der Saͤfte durch beygemiſchte fremd-
artige Materien ꝛc. Noch mehr aber, wenn die Reitz-
barkeit dazu koͤmmt, oder eine fehlerhafte Beſchaffen-
heit des Blutes, ingleichen die Menge aufgeloͤſten,
von der Waͤrme ſtark ausgedehnten und in das Blut
aufgenommenen Fettes den Koͤrper dazu geneigt macht.„
*) Man erkennt ſie auch, wenn ſie ſich erſt nach Blut-
fluͤſſen oder einer andern betraͤchtlichen Ausleerung of-
fenbaret; wenn ſie ſich nach dem Zuruͤcktreten irgend
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einer
*) Gaubius Anfangsgruͤnde der Krankheitslehre. §. 390.
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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