keine fernere Aderläße ertragen zu können; aber der heftige Schmerz an der Seite, die Bedrückung, das beschwerliche Athmen, die Gefahr zu ersticken erhei- schen noch diese Ausleerung. Die Krankheit hat aber schon große Vorschritte gemacht; die Aderläßen sind schon öfters wiederholt worden; die Kräfte des Kran- ken sind erschöpft, und der Tod ist unvermeidlich, wenn nicht noch die Kunst der unterdrückten Natur zu Hilfe kommen kann. Die Aderläße scheint noch das einzige Mittel zu seyn: Aber der Erfolg ist in so einem dringenden Falle zweifelhaft. Es würde dem Arzte zum Nachtheile gereichen, wenn der Kranke un- ter der Lanzette stürbe. Daher muß man die Freun- de des Kranken von der großen Gefahr, und dem ein- zigen noch übrigen zweifelhaften Mittel unterrichten. Auf diese Art habe ich einen Kranken retten gesehen, welcher augenblicklich, wie ihm das Blut aus der Ader floß, leichter zu Athmen anfieng, und von den Todesängsten befreyet wurde."*)
Am Ende der schwersten Krankheiten geschieht es oft, wo noch keine oder nur mangelhafte Entschei- dungen vorgegangen sind, daß die gelähmte Wirksam- keit der Natur gleichsam stille steht; alle Ab- und Aus- önderungen gehemmt werden, das Athmen kurz und abgestoßen wird, und Ergießungen, Verwerfungen nach den Eingeweiden, den Gehirnhölen, dem Rücken- mark geschehen. Das beste Erweckungsmittel, wodurch die Richtung der Flüssigkeiten wieder nach der Ober- fläche bestimmt wird, ist eine kleine Aderläße von ei-
ner
*)Le Naturisme. §. CXLII.
keine fernere Aderlaͤße ertragen zu koͤnnen; aber der heftige Schmerz an der Seite, die Bedruͤckung, das beſchwerliche Athmen, die Gefahr zu erſticken erhei- ſchen noch dieſe Ausleerung. Die Krankheit hat aber ſchon große Vorſchritte gemacht; die Aderlaͤßen ſind ſchon oͤfters wiederholt worden; die Kraͤfte des Kran- ken ſind erſchoͤpft, und der Tod iſt unvermeidlich, wenn nicht noch die Kunſt der unterdruͤckten Natur zu Hilfe kommen kann. Die Aderlaͤße ſcheint noch das einzige Mittel zu ſeyn: Aber der Erfolg iſt in ſo einem dringenden Falle zweifelhaft. Es wuͤrde dem Arzte zum Nachtheile gereichen, wenn der Kranke un- ter der Lanzette ſtuͤrbe. Daher muß man die Freun- de des Kranken von der großen Gefahr, und dem ein- zigen noch uͤbrigen zweifelhaften Mittel unterrichten. Auf dieſe Art habe ich einen Kranken retten geſehen, welcher augenblicklich, wie ihm das Blut aus der Ader floß, leichter zu Athmen anfieng, und von den Todesaͤngſten befreyet wurde.„*)
Am Ende der ſchwerſten Krankheiten geſchieht es oft, wo noch keine oder nur mangelhafte Entſchei- dungen vorgegangen ſind, daß die gelaͤhmte Wirkſam- keit der Natur gleichſam ſtille ſteht; alle Ab- und Aus- oͤnderungen gehemmt werden, das Athmen kurz und abgeſtoßen wird, und Ergießungen, Verwerfungen nach den Eingeweiden, den Gehirnhoͤlen, dem Ruͤcken- mark geſchehen. Das beſte Erweckungsmittel, wodurch die Richtung der Fluͤſſigkeiten wieder nach der Ober- flaͤche beſtimmt wird, iſt eine kleine Aderlaͤße von ei-
ner
*)Le Naturiſme. §. CXLII.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0526"n="507"/>
keine fernere Aderlaͤße ertragen zu koͤnnen; aber der<lb/>
heftige Schmerz an der Seite, die Bedruͤckung, das<lb/>
beſchwerliche Athmen, die Gefahr zu erſticken erhei-<lb/>ſchen noch dieſe Ausleerung. Die Krankheit hat aber<lb/>ſchon große Vorſchritte gemacht; die Aderlaͤßen ſind<lb/>ſchon oͤfters wiederholt worden; die Kraͤfte des Kran-<lb/>
ken ſind erſchoͤpft, und der Tod iſt unvermeidlich,<lb/>
wenn nicht noch die Kunſt der unterdruͤckten Natur<lb/>
zu Hilfe kommen kann. Die Aderlaͤße ſcheint noch<lb/>
das einzige Mittel zu ſeyn: Aber der Erfolg iſt in ſo<lb/>
einem dringenden Falle zweifelhaft. Es wuͤrde dem<lb/>
Arzte zum Nachtheile gereichen, wenn der Kranke un-<lb/>
ter der Lanzette ſtuͤrbe. Daher muß man die Freun-<lb/>
de des Kranken von der großen Gefahr, und dem ein-<lb/>
zigen noch uͤbrigen zweifelhaften Mittel unterrichten.<lb/>
Auf dieſe Art habe ich einen Kranken retten geſehen,<lb/>
welcher augenblicklich, wie ihm das Blut aus der<lb/>
Ader floß, leichter zu Athmen anfieng, und von den<lb/>
Todesaͤngſten befreyet wurde.„<noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">Le Naturiſme. §. CXLII.</hi></note></p><lb/><p>Am Ende der ſchwerſten Krankheiten geſchieht<lb/>
es oft, wo noch keine oder nur mangelhafte Entſchei-<lb/>
dungen vorgegangen ſind, daß die gelaͤhmte Wirkſam-<lb/>
keit der Natur gleichſam ſtille ſteht; alle Ab- und Aus-<lb/>
oͤnderungen gehemmt werden, das Athmen kurz und<lb/>
abgeſtoßen wird, und Ergießungen, Verwerfungen<lb/>
nach den Eingeweiden, den Gehirnhoͤlen, dem Ruͤcken-<lb/>
mark geſchehen. Das beſte Erweckungsmittel, wodurch<lb/>
die Richtung der Fluͤſſigkeiten wieder nach der Ober-<lb/>
flaͤche beſtimmt wird, iſt eine kleine Aderlaͤße von ei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ner</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[507/0526]
keine fernere Aderlaͤße ertragen zu koͤnnen; aber der
heftige Schmerz an der Seite, die Bedruͤckung, das
beſchwerliche Athmen, die Gefahr zu erſticken erhei-
ſchen noch dieſe Ausleerung. Die Krankheit hat aber
ſchon große Vorſchritte gemacht; die Aderlaͤßen ſind
ſchon oͤfters wiederholt worden; die Kraͤfte des Kran-
ken ſind erſchoͤpft, und der Tod iſt unvermeidlich,
wenn nicht noch die Kunſt der unterdruͤckten Natur
zu Hilfe kommen kann. Die Aderlaͤße ſcheint noch
das einzige Mittel zu ſeyn: Aber der Erfolg iſt in ſo
einem dringenden Falle zweifelhaft. Es wuͤrde dem
Arzte zum Nachtheile gereichen, wenn der Kranke un-
ter der Lanzette ſtuͤrbe. Daher muß man die Freun-
de des Kranken von der großen Gefahr, und dem ein-
zigen noch uͤbrigen zweifelhaften Mittel unterrichten.
Auf dieſe Art habe ich einen Kranken retten geſehen,
welcher augenblicklich, wie ihm das Blut aus der
Ader floß, leichter zu Athmen anfieng, und von den
Todesaͤngſten befreyet wurde.„ *)
Am Ende der ſchwerſten Krankheiten geſchieht
es oft, wo noch keine oder nur mangelhafte Entſchei-
dungen vorgegangen ſind, daß die gelaͤhmte Wirkſam-
keit der Natur gleichſam ſtille ſteht; alle Ab- und Aus-
oͤnderungen gehemmt werden, das Athmen kurz und
abgeſtoßen wird, und Ergießungen, Verwerfungen
nach den Eingeweiden, den Gehirnhoͤlen, dem Ruͤcken-
mark geſchehen. Das beſte Erweckungsmittel, wodurch
die Richtung der Fluͤſſigkeiten wieder nach der Ober-
flaͤche beſtimmt wird, iſt eine kleine Aderlaͤße von ei-
ner
*) Le Naturiſme. §. CXLII.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/526>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.