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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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und schmeichlen uns, einen großen Sieg erfochten zu
haben.

Franz Jestel, von dessen Krankengeschichte
der Anfang im 1 Kap. S. 63. erzählt worden ist,
verfiel den zehnten Tag, nachdem er am neunten mit
erfolgendem Bewußtseyn häufig geschwitzt hatte, in
sehr verdächtige Nervenzustände, und wurde wieder
irre; alle diese Zufälle nahmen bis in die Nacht vom
dreyzehnten zum vierzehnten Tag zu. In dieser Nacht
rasete er einige Male; wollte immerwährend entlau-
fen, jöhlte in einem fort, als wenn er ein stockendes
Fuhrwerk in Gang bringen wollte, woraus ich auf
eine im Körper mühsam vorgehende Veränderung
schloß; er knirschte heftig mit den Zähnen; hatte thrä-
nende, ganz von Blut überronnene Augen; zupfte an
den Bettdecken; zitterte mit den Händen; der Puls
setzte aus, war unordentlich, und meistentheils heftig;
die Wärme war natürlich. -- -- Bisher hatte er
eine starke Abkochung von der Rinde mit Kampfer,
Umschläge aus den wohlriechenden Kräutern mit Wein
auf dem Bauche, der immer in gutem Stande war.
-- Nun werde ich wohl diesen Zufällen auf eine wirk-
samere Weise begegnet seyn? -- -- Einem andern
Arzte zu gefallen, gestattete ich, daß er alle zwey
Stunden zwey Gran Bisam bekam, weil ich von
dieser Gabe eben so wenig Schaden befürchtete,
als wenig sie hätte nützen können. Statt in Furcht
zu gerathen, erinnerte ich seine Frau, daß ich
ihr dieses vorhergesagt habe, und daß die Hoffnung
jetzt größer wäre, als jemals. Was konnte aber die-

ses

und ſchmeichlen uns, einen großen Sieg erfochten zu
haben.

Franz Jeſtel, von deſſen Krankengeſchichte
der Anfang im 1 Kap. S. 63. erzaͤhlt worden iſt,
verfiel den zehnten Tag, nachdem er am neunten mit
erfolgendem Bewußtſeyn haͤufig geſchwitzt hatte, in
ſehr verdaͤchtige Nervenzuſtaͤnde, und wurde wieder
irre; alle dieſe Zufaͤlle nahmen bis in die Nacht vom
dreyzehnten zum vierzehnten Tag zu. In dieſer Nacht
raſete er einige Male; wollte immerwaͤhrend entlau-
fen, joͤhlte in einem fort, als wenn er ein ſtockendes
Fuhrwerk in Gang bringen wollte, woraus ich auf
eine im Koͤrper muͤhſam vorgehende Veraͤnderung
ſchloß; er knirſchte heftig mit den Zaͤhnen; hatte thraͤ-
nende, ganz von Blut uͤberronnene Augen; zupfte an
den Bettdecken; zitterte mit den Haͤnden; der Puls
ſetzte aus, war unordentlich, und meiſtentheils heftig;
die Waͤrme war natuͤrlich. — — Bisher hatte er
eine ſtarke Abkochung von der Rinde mit Kampfer,
Umſchlaͤge aus den wohlriechenden Kraͤutern mit Wein
auf dem Bauche, der immer in gutem Stande war.
— Nun werde ich wohl dieſen Zufaͤllen auf eine wirk-
ſamere Weiſe begegnet ſeyn? — — Einem andern
Arzte zu gefallen, geſtattete ich, daß er alle zwey
Stunden zwey Gran Biſam bekam, weil ich von
dieſer Gabe eben ſo wenig Schaden befuͤrchtete,
als wenig ſie haͤtte nuͤtzen koͤnnen. Statt in Furcht
zu gerathen, erinnerte ich ſeine Frau, daß ich
ihr dieſes vorhergeſagt habe, und daß die Hoffnung
jetzt groͤßer waͤre, als jemals. Was konnte aber die-

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[535/0554] und ſchmeichlen uns, einen großen Sieg erfochten zu haben. Franz Jeſtel, von deſſen Krankengeſchichte der Anfang im 1 Kap. S. 63. erzaͤhlt worden iſt, verfiel den zehnten Tag, nachdem er am neunten mit erfolgendem Bewußtſeyn haͤufig geſchwitzt hatte, in ſehr verdaͤchtige Nervenzuſtaͤnde, und wurde wieder irre; alle dieſe Zufaͤlle nahmen bis in die Nacht vom dreyzehnten zum vierzehnten Tag zu. In dieſer Nacht raſete er einige Male; wollte immerwaͤhrend entlau- fen, joͤhlte in einem fort, als wenn er ein ſtockendes Fuhrwerk in Gang bringen wollte, woraus ich auf eine im Koͤrper muͤhſam vorgehende Veraͤnderung ſchloß; er knirſchte heftig mit den Zaͤhnen; hatte thraͤ- nende, ganz von Blut uͤberronnene Augen; zupfte an den Bettdecken; zitterte mit den Haͤnden; der Puls ſetzte aus, war unordentlich, und meiſtentheils heftig; die Waͤrme war natuͤrlich. — — Bisher hatte er eine ſtarke Abkochung von der Rinde mit Kampfer, Umſchlaͤge aus den wohlriechenden Kraͤutern mit Wein auf dem Bauche, der immer in gutem Stande war. — Nun werde ich wohl dieſen Zufaͤllen auf eine wirk- ſamere Weiſe begegnet ſeyn? — — Einem andern Arzte zu gefallen, geſtattete ich, daß er alle zwey Stunden zwey Gran Biſam bekam, weil ich von dieſer Gabe eben ſo wenig Schaden befuͤrchtete, als wenig ſie haͤtte nuͤtzen koͤnnen. Statt in Furcht zu gerathen, erinnerte ich ſeine Frau, daß ich ihr dieſes vorhergeſagt habe, und daß die Hoffnung jetzt groͤßer waͤre, als jemals. Was konnte aber die- ſes

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/554>, abgerufen am 23.11.2024.