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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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ses ruhige Zuschauen, und diese Vorherkündigung recht-
fertigen? -- -- Ich hatte den nämlichen Gang in
Nervenfiebern schon einige Male beobachtet; wuste, daß
ich noch keinen Fehler in der Heilart begangen hatte;
der Kranke hatte ausser einer schwachen, vielleicht
schadhaften Brust, eine gute Leibesbeschaffenheit; der
Harn hatte den dreyzehnten Tag einen geringen, bräun-
lichten Bodensatz, und zeigte mir also die nahe Ko-
chung. -- Er ließ während dem heftigsten Sturm ei-
nen dicken Harn, der sich alsogleich brach, und einen
häufigen weißröthlichen Bodensatz machte. Den vier-
zehnten Tag war das Irreseyn etwas ruhiger, und
er ließ einige Male einen ähnlichen Harn, wobey auch
die übrigen Zufälle gelinder wurden; das Zahnknir-
schen, das Händezittern, das Aussetzen des Pulses
hörten ganz auf. -- Den fünfzehnten war der Harn
der nämliche; der Kranke legte sich auf die Seite;
fieng an zu hören, und kam hie und da zu sich. -- --
War es nun recht, daß ich die Natur nicht stöhrte?
Alles, was im Stande gewesen wäre, diese Zufälle
zu heben, würde auch die dadurch bewirkten Verän-
derungen hintertrieben haben, und dann ist es kein
Wunder, wenn man in diesen Krankheiten keine Ent-
scheidungen und keine Tagordnung zu sehen bekömmt.
-- Bis daher dient diese Krankengeschichte als ein
Beyspiel, wie man die überspannte Reitzbarkeit
ungestöhrt laßen solle. -- --

Den sechzehnten Tag setzte der Harn erst, nach-
dem er drey Stunden gestanden war, einen leichtern
Bodensatz; -- gegen die Nacht wurde die Haut wär-

mer,

ſes ruhige Zuſchauen, und dieſe Vorherkuͤndigung recht-
fertigen? — — Ich hatte den naͤmlichen Gang in
Nervenfiebern ſchon einige Male beobachtet; wuſte, daß
ich noch keinen Fehler in der Heilart begangen hatte;
der Kranke hatte auſſer einer ſchwachen, vielleicht
ſchadhaften Bruſt, eine gute Leibesbeſchaffenheit; der
Harn hatte den dreyzehnten Tag einen geringen, braͤun-
lichten Bodenſatz, und zeigte mir alſo die nahe Ko-
chung. — Er ließ waͤhrend dem heftigſten Sturm ei-
nen dicken Harn, der ſich alſogleich brach, und einen
haͤufigen weißroͤthlichen Bodenſatz machte. Den vier-
zehnten Tag war das Irreſeyn etwas ruhiger, und
er ließ einige Male einen aͤhnlichen Harn, wobey auch
die uͤbrigen Zufaͤlle gelinder wurden; das Zahnknir-
ſchen, das Haͤndezittern, das Ausſetzen des Pulſes
hoͤrten ganz auf. — Den fuͤnfzehnten war der Harn
der naͤmliche; der Kranke legte ſich auf die Seite;
fieng an zu hoͤren, und kam hie und da zu ſich. — —
War es nun recht, daß ich die Natur nicht ſtoͤhrte?
Alles, was im Stande geweſen waͤre, dieſe Zufaͤlle
zu heben, wuͤrde auch die dadurch bewirkten Veraͤn-
derungen hintertrieben haben, und dann iſt es kein
Wunder, wenn man in dieſen Krankheiten keine Ent-
ſcheidungen und keine Tagordnung zu ſehen bekoͤmmt.
— Bis daher dient dieſe Krankengeſchichte als ein
Beyſpiel, wie man die überſpannte Reitzbarkeit
ungeſtoͤhrt laßen ſolle. — —

Den ſechzehnten Tag ſetzte der Harn erſt, nach-
dem er drey Stunden geſtanden war, einen leichtern
Bodenſatz; — gegen die Nacht wurde die Haut waͤr-

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[536/0555] ſes ruhige Zuſchauen, und dieſe Vorherkuͤndigung recht- fertigen? — — Ich hatte den naͤmlichen Gang in Nervenfiebern ſchon einige Male beobachtet; wuſte, daß ich noch keinen Fehler in der Heilart begangen hatte; der Kranke hatte auſſer einer ſchwachen, vielleicht ſchadhaften Bruſt, eine gute Leibesbeſchaffenheit; der Harn hatte den dreyzehnten Tag einen geringen, braͤun- lichten Bodenſatz, und zeigte mir alſo die nahe Ko- chung. — Er ließ waͤhrend dem heftigſten Sturm ei- nen dicken Harn, der ſich alſogleich brach, und einen haͤufigen weißroͤthlichen Bodenſatz machte. Den vier- zehnten Tag war das Irreſeyn etwas ruhiger, und er ließ einige Male einen aͤhnlichen Harn, wobey auch die uͤbrigen Zufaͤlle gelinder wurden; das Zahnknir- ſchen, das Haͤndezittern, das Ausſetzen des Pulſes hoͤrten ganz auf. — Den fuͤnfzehnten war der Harn der naͤmliche; der Kranke legte ſich auf die Seite; fieng an zu hoͤren, und kam hie und da zu ſich. — — War es nun recht, daß ich die Natur nicht ſtoͤhrte? Alles, was im Stande geweſen waͤre, dieſe Zufaͤlle zu heben, wuͤrde auch die dadurch bewirkten Veraͤn- derungen hintertrieben haben, und dann iſt es kein Wunder, wenn man in dieſen Krankheiten keine Ent- ſcheidungen und keine Tagordnung zu ſehen bekoͤmmt. — Bis daher dient dieſe Krankengeſchichte als ein Beyſpiel, wie man die überſpannte Reitzbarkeit ungeſtoͤhrt laßen ſolle. — — Den ſechzehnten Tag ſetzte der Harn erſt, nach- dem er drey Stunden geſtanden war, einen leichtern Bodenſatz; — gegen die Nacht wurde die Haut waͤr- mer,

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/555>, abgerufen am 23.11.2024.