sehr abstehender Organisation wieder zusammen. Un- gesunde Witterung, faules Wasser, schlechte Weiden und schlechte Wartung u. d. gl. erzeugen beym Vieh, wie eine ähnliche Ursache beim Menschen faulichte, mit schlimmen Entzündungen verknüpfte Krankheiten u. d. gl. Bey einem Hunde sah ich eine beynahe tödt- liche Ruhr entstehen, weil er bey seinem Herrn die Nacht durch unter der Decke lag, der nach einer starken Mahlzeit von Käse viele höchst stinkende Winde ließ. Im Frühjahr werden sowohl bey unsern Hausthieren, als beym Wilde, z. B. den Gemsen die den Winter hindurch angehäuften rohen Säfte abgeschieden, die steinartigen Verhärtungen aufgelöset, und unter der Gestalt eines wohlthätigen Bauchflußes ausgeleert; wie dieses beym Menschen geschieht, wer- den wir im zweyten Bande sehen.
§. 14. In Rücksicht der Verabscheuenden und annäh- renden Begierden.
Die Selbsterhaltung ist zwar jedem lebendigen Geschöpfe zur dringendsten Angelegenheit gemacht wor- den. Es giebt aber Lagen, wo Thier und Mensch dieses Gesetz zu vergessen scheinen. Krankheit, Klein- muth und Verzweiflung erhöhen beym Menschen so sehr die gegenwärtigen Leiden, und werfen eine so dichte Finsterniß über die Zukunft, daß er jene für unerträglich, und ein noch zukünftiges Glück für un- möglich hält. Wird er noch über dieß, durch die zu rasche oder zu gewaltsame Empfindsamkeit, gegen die
Be-
ſehr abſtehender Organiſation wieder zuſammen. Un- geſunde Witterung, faules Waſſer, ſchlechte Weiden und ſchlechte Wartung u. d. gl. erzeugen beym Vieh, wie eine aͤhnliche Urſache beim Menſchen faulichte, mit ſchlimmen Entzuͤndungen verknuͤpfte Krankheiten u. d. gl. Bey einem Hunde ſah ich eine beynahe toͤdt- liche Ruhr entſtehen, weil er bey ſeinem Herrn die Nacht durch unter der Decke lag, der nach einer ſtarken Mahlzeit von Kaͤſe viele hoͤchſt ſtinkende Winde ließ. Im Fruͤhjahr werden ſowohl bey unſern Hausthieren, als beym Wilde, z. B. den Gemſen die den Winter hindurch angehaͤuften rohen Saͤfte abgeſchieden, die ſteinartigen Verhaͤrtungen aufgeloͤſet, und unter der Geſtalt eines wohlthaͤtigen Bauchflußes ausgeleert; wie dieſes beym Menſchen geſchieht, wer- den wir im zweyten Bande ſehen.
§. 14. In Ruͤckſicht der Verabſcheuenden und annaͤh- renden Begierden.
Die Selbſterhaltung iſt zwar jedem lebendigen Geſchoͤpfe zur dringendſten Angelegenheit gemacht wor- den. Es giebt aber Lagen, wo Thier und Menſch dieſes Geſetz zu vergeſſen ſcheinen. Krankheit, Klein- muth und Verzweiflung erhoͤhen beym Menſchen ſo ſehr die gegenwaͤrtigen Leiden, und werfen eine ſo dichte Finſterniß uͤber die Zukunft, daß er jene fuͤr unertraͤglich, und ein noch zukuͤnftiges Gluͤck fuͤr un- moͤglich haͤlt. Wird er noch uͤber dieß, durch die zu raſche oder zu gewaltſame Empfindſamkeit, gegen die
Be-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0056"n="37"/>ſehr abſtehender Organiſation wieder zuſammen. Un-<lb/>
geſunde Witterung, faules Waſſer, ſchlechte Weiden<lb/>
und ſchlechte Wartung u. d. gl. erzeugen beym Vieh,<lb/>
wie eine aͤhnliche Urſache beim Menſchen faulichte,<lb/>
mit ſchlimmen Entzuͤndungen verknuͤpfte Krankheiten<lb/>
u. d. gl. Bey einem Hunde ſah ich eine beynahe toͤdt-<lb/>
liche Ruhr entſtehen, weil er bey ſeinem Herrn die<lb/>
Nacht durch unter der Decke lag, der nach einer<lb/>ſtarken Mahlzeit von Kaͤſe viele hoͤchſt ſtinkende<lb/>
Winde ließ. Im Fruͤhjahr werden ſowohl bey unſern<lb/>
Hausthieren, als beym Wilde, z. B. den Gemſen<lb/>
die den Winter hindurch angehaͤuften rohen Saͤfte<lb/>
abgeſchieden, die ſteinartigen Verhaͤrtungen aufgeloͤſet,<lb/>
und unter der Geſtalt eines wohlthaͤtigen Bauchflußes<lb/>
ausgeleert; wie dieſes beym Menſchen geſchieht, wer-<lb/>
den wir im zweyten Bande ſehen.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 14.<lb/><hirendition="#b">In Ruͤckſicht der Verabſcheuenden und annaͤh-<lb/>
renden Begierden.</hi></head><lb/><p>Die Selbſterhaltung iſt zwar jedem lebendigen<lb/>
Geſchoͤpfe zur dringendſten Angelegenheit gemacht wor-<lb/>
den. Es giebt aber Lagen, wo Thier und Menſch<lb/>
dieſes Geſetz zu vergeſſen ſcheinen. Krankheit, Klein-<lb/>
muth und Verzweiflung erhoͤhen beym Menſchen ſo<lb/>ſehr die gegenwaͤrtigen Leiden, und werfen eine ſo<lb/>
dichte Finſterniß uͤber die Zukunft, daß er jene fuͤr<lb/>
unertraͤglich, und ein noch zukuͤnftiges Gluͤck fuͤr un-<lb/>
moͤglich haͤlt. Wird er noch uͤber dieß, durch die zu<lb/>
raſche oder zu gewaltſame Empfindſamkeit, gegen die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Be-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[37/0056]
ſehr abſtehender Organiſation wieder zuſammen. Un-
geſunde Witterung, faules Waſſer, ſchlechte Weiden
und ſchlechte Wartung u. d. gl. erzeugen beym Vieh,
wie eine aͤhnliche Urſache beim Menſchen faulichte,
mit ſchlimmen Entzuͤndungen verknuͤpfte Krankheiten
u. d. gl. Bey einem Hunde ſah ich eine beynahe toͤdt-
liche Ruhr entſtehen, weil er bey ſeinem Herrn die
Nacht durch unter der Decke lag, der nach einer
ſtarken Mahlzeit von Kaͤſe viele hoͤchſt ſtinkende
Winde ließ. Im Fruͤhjahr werden ſowohl bey unſern
Hausthieren, als beym Wilde, z. B. den Gemſen
die den Winter hindurch angehaͤuften rohen Saͤfte
abgeſchieden, die ſteinartigen Verhaͤrtungen aufgeloͤſet,
und unter der Geſtalt eines wohlthaͤtigen Bauchflußes
ausgeleert; wie dieſes beym Menſchen geſchieht, wer-
den wir im zweyten Bande ſehen.
§. 14.
In Ruͤckſicht der Verabſcheuenden und annaͤh-
renden Begierden.
Die Selbſterhaltung iſt zwar jedem lebendigen
Geſchoͤpfe zur dringendſten Angelegenheit gemacht wor-
den. Es giebt aber Lagen, wo Thier und Menſch
dieſes Geſetz zu vergeſſen ſcheinen. Krankheit, Klein-
muth und Verzweiflung erhoͤhen beym Menſchen ſo
ſehr die gegenwaͤrtigen Leiden, und werfen eine ſo
dichte Finſterniß uͤber die Zukunft, daß er jene fuͤr
unertraͤglich, und ein noch zukuͤnftiges Gluͤck fuͤr un-
moͤglich haͤlt. Wird er noch uͤber dieß, durch die zu
raſche oder zu gewaltſame Empfindſamkeit, gegen die
Be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/56>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.