Gran Brechweinstein kaum ein einziges Erbrechen. Je mehr die Reitzbarkeit abnimmt, desto leidender wird die Natur, und sie kann auf der höchsten Stu- fe der Reitzlosigkeit die Bemühungen der Kunst auf keine Weise mehr begünstigen, bis die Ursachen, wel- che die Reitzbarkeit unterdrückt oder zerstöhrt haben, gehoben sind, und jene wieder hergestellt ist. Die sechzigjährige Frau bey Lanzysi lag zwey Tage ohne alles Bestreben der Natur und ohne allen Nutzen der Kunst, bis man durch Oeffnung der Goldaderknoten die Ursache der Reitzlosigkeit wegschaffte, worauf ein entstandenes Fieber die Frau herstellte. Einige Aerz- te eifern darum auch so sehr gegen den häufigen Ge- brauch der mineralischen Säuren in faulichten Krank- heiten, weil diese die Reitzbarkeit der Schlagadern und des Herzens schwächen. Hat die Fäulung der Säfte, oder vielmehr, haben die faulartigen Zufälle solcher Krankheiten ihren vornehmsten Grund in einer zu geringen Reitzbarkeit der Nerven oder der Blutge- fäse, wie in den Nervenfiebern, so haben Boissieu und Bursery unstreitig recht, besonders, wenn diese Reitzlosigkeit noch von grosser Entkräftung begleitet ist. Aber, wenn die faulichte Auflösung eine Folge des bösartigen, unreinen, gährenden Zunders ist, wie in den gewöhnlichen gallichten Faulfiebern, und die Entkräftung hat noch nicht einen sehr hohen Grad erreichet, so werden diese Säuren vermög der theils schon angeführten, theils noch anzuführenden Grund- sätze die Lebenskräfte und die Reitzbarkeit vielmehr erwecken als unterdrücken.
Außer
Gran Brechweinſtein kaum ein einziges Erbrechen. Je mehr die Reitzbarkeit abnimmt, deſto leidender wird die Natur, und ſie kann auf der hoͤchſten Stu- fe der Reitzloſigkeit die Bemuͤhungen der Kunſt auf keine Weiſe mehr beguͤnſtigen, bis die Urſachen, wel- che die Reitzbarkeit unterdruͤckt oder zerſtoͤhrt haben, gehoben ſind, und jene wieder hergeſtellt iſt. Die ſechzigjaͤhrige Frau bey Lanzyſi lag zwey Tage ohne alles Beſtreben der Natur und ohne allen Nutzen der Kunſt, bis man durch Oeffnung der Goldaderknoten die Urſache der Reitzloſigkeit wegſchaffte, worauf ein entſtandenes Fieber die Frau herſtellte. Einige Aerz- te eifern darum auch ſo ſehr gegen den haͤufigen Ge- brauch der mineraliſchen Saͤuren in faulichten Krank- heiten, weil dieſe die Reitzbarkeit der Schlagadern und des Herzens ſchwaͤchen. Hat die Faͤulung der Saͤfte, oder vielmehr, haben die faulartigen Zufaͤlle ſolcher Krankheiten ihren vornehmſten Grund in einer zu geringen Reitzbarkeit der Nerven oder der Blutge- faͤſe, wie in den Nervenfiebern, ſo haben Boiſſieu und Burſery unſtreitig recht, beſonders, wenn dieſe Reitzloſigkeit noch von groſſer Entkraͤftung begleitet iſt. Aber, wenn die faulichte Aufloͤſung eine Folge des boͤsartigen, unreinen, gaͤhrenden Zunders iſt, wie in den gewoͤhnlichen gallichten Faulfiebern, und die Entkraͤftung hat noch nicht einen ſehr hohen Grad erreichet, ſo werden dieſe Saͤuren vermoͤg der theils ſchon angefuͤhrten, theils noch anzufuͤhrenden Grund- ſaͤtze die Lebenskraͤfte und die Reitzbarkeit vielmehr erwecken als unterdruͤcken.
Außer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0568"n="549"/>
Gran Brechweinſtein kaum ein einziges Erbrechen.<lb/>
Je mehr die Reitzbarkeit abnimmt, deſto leidender<lb/>
wird die Natur, und ſie kann auf der hoͤchſten Stu-<lb/>
fe der Reitzloſigkeit die Bemuͤhungen der Kunſt auf<lb/>
keine Weiſe mehr beguͤnſtigen, bis die Urſachen, wel-<lb/>
che die Reitzbarkeit unterdruͤckt oder zerſtoͤhrt haben,<lb/>
gehoben ſind, und jene wieder hergeſtellt iſt. Die<lb/>ſechzigjaͤhrige Frau bey <hirendition="#fr">Lanzyſi</hi> lag zwey Tage ohne<lb/>
alles Beſtreben der Natur und ohne allen Nutzen der<lb/>
Kunſt, bis man durch Oeffnung der Goldaderknoten<lb/>
die Urſache der Reitzloſigkeit wegſchaffte, worauf ein<lb/>
entſtandenes Fieber die Frau herſtellte. Einige Aerz-<lb/>
te eifern darum auch ſo ſehr gegen den haͤufigen Ge-<lb/>
brauch der mineraliſchen Saͤuren in faulichten Krank-<lb/>
heiten, weil dieſe die Reitzbarkeit der Schlagadern<lb/>
und des Herzens ſchwaͤchen. Hat die Faͤulung der<lb/>
Saͤfte, oder vielmehr, haben die faulartigen Zufaͤlle<lb/>ſolcher Krankheiten ihren vornehmſten Grund in einer<lb/>
zu geringen Reitzbarkeit der Nerven oder der Blutge-<lb/>
faͤſe, wie in den Nervenfiebern, ſo haben <hirendition="#fr">Boiſſieu</hi><lb/>
und <hirendition="#fr">Burſery</hi> unſtreitig recht, beſonders, wenn dieſe<lb/>
Reitzloſigkeit noch von groſſer Entkraͤftung begleitet<lb/>
iſt. Aber, wenn die faulichte Aufloͤſung eine Folge<lb/>
des boͤsartigen, unreinen, gaͤhrenden Zunders iſt,<lb/>
wie in den gewoͤhnlichen gallichten Faulfiebern, und<lb/>
die Entkraͤftung hat noch nicht einen ſehr hohen Grad<lb/>
erreichet, ſo werden dieſe Saͤuren vermoͤg der theils<lb/>ſchon angefuͤhrten, theils noch anzufuͤhrenden Grund-<lb/>ſaͤtze die Lebenskraͤfte und die Reitzbarkeit vielmehr<lb/>
erwecken als unterdruͤcken.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Außer</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[549/0568]
Gran Brechweinſtein kaum ein einziges Erbrechen.
Je mehr die Reitzbarkeit abnimmt, deſto leidender
wird die Natur, und ſie kann auf der hoͤchſten Stu-
fe der Reitzloſigkeit die Bemuͤhungen der Kunſt auf
keine Weiſe mehr beguͤnſtigen, bis die Urſachen, wel-
che die Reitzbarkeit unterdruͤckt oder zerſtoͤhrt haben,
gehoben ſind, und jene wieder hergeſtellt iſt. Die
ſechzigjaͤhrige Frau bey Lanzyſi lag zwey Tage ohne
alles Beſtreben der Natur und ohne allen Nutzen der
Kunſt, bis man durch Oeffnung der Goldaderknoten
die Urſache der Reitzloſigkeit wegſchaffte, worauf ein
entſtandenes Fieber die Frau herſtellte. Einige Aerz-
te eifern darum auch ſo ſehr gegen den haͤufigen Ge-
brauch der mineraliſchen Saͤuren in faulichten Krank-
heiten, weil dieſe die Reitzbarkeit der Schlagadern
und des Herzens ſchwaͤchen. Hat die Faͤulung der
Saͤfte, oder vielmehr, haben die faulartigen Zufaͤlle
ſolcher Krankheiten ihren vornehmſten Grund in einer
zu geringen Reitzbarkeit der Nerven oder der Blutge-
faͤſe, wie in den Nervenfiebern, ſo haben Boiſſieu
und Burſery unſtreitig recht, beſonders, wenn dieſe
Reitzloſigkeit noch von groſſer Entkraͤftung begleitet
iſt. Aber, wenn die faulichte Aufloͤſung eine Folge
des boͤsartigen, unreinen, gaͤhrenden Zunders iſt,
wie in den gewoͤhnlichen gallichten Faulfiebern, und
die Entkraͤftung hat noch nicht einen ſehr hohen Grad
erreichet, ſo werden dieſe Saͤuren vermoͤg der theils
ſchon angefuͤhrten, theils noch anzufuͤhrenden Grund-
ſaͤtze die Lebenskraͤfte und die Reitzbarkeit vielmehr
erwecken als unterdruͤcken.
Außer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/568>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.