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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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beym Anblick der fürchterlichen Klapperschlange und
jenes der mohrischen Pferde, welche sich auf der Jagd,
so bald sie einen Löwen erblicken, nimmer rühren kön-
nen, bekannt gewesen, so hätten sie eingesehen, wie
bey so augenscheinlicher, mächtiger Gefahr, und ei-
nem innern Gefühl seiner eigenen Schwäche die Sin-
ne betäubt, und alles Bestreben und alle Hoffnung
einer noch möglichen Rettung vernichtet werden. Auf
dem hiesigen Hetzamphitheater sah ich einen Rehbock
sich über und über dem Löwen in die Klauen werfen,
obschon sich der Löwe von einer andern Seite gerade
auf einen andern Bock zu schwingen im Anlaufe war.

Diese Erscheinungen bestättigen den Ausspruch
des weisen Salomon: Es geht dem Menschen, wie
dem Vieh., wie dieß stirbt, so stirbt er auch, und ha-
ben alle einerley Odem, und der Mensch hat nichts
mehr, denn das Vieh, denn es ist alles eitel.*) Und
in eben dieser eingeschränkten Rücksicht mache ich die
Folgerung, daß eben daß, was dem unvernünftigen
Thiere Leben, Nahrung, Wachsthum, Gesundheit,
Krankheit, Genesung und den Tod giebt, dieses alles
auch dem Menschen gebe.

§. 15.

Nun frägt man aber: Haben die Thiere auch
eine Seele? Hat jede Thiergattung eine eigene Seele?
oder beruht aller Unterschied auf der Organisation?
Um diese drey Fragen drehen sich alle Meinungen der
Weltweisen über diesen Gegenstand, obschon jeder die
seinige unter einer andern Gestalt darzustellen bemüht

ist.
*) Pred. Salom. Kap. 3. 19.

beym Anblick der fuͤrchterlichen Klapperſchlange und
jenes der mohriſchen Pferde, welche ſich auf der Jagd,
ſo bald ſie einen Loͤwen erblicken, nimmer ruͤhren koͤn-
nen, bekannt geweſen, ſo haͤtten ſie eingeſehen, wie
bey ſo augenſcheinlicher, maͤchtiger Gefahr, und ei-
nem innern Gefuͤhl ſeiner eigenen Schwaͤche die Sin-
ne betaͤubt, und alles Beſtreben und alle Hoffnung
einer noch moͤglichen Rettung vernichtet werden. Auf
dem hieſigen Hetzamphitheater ſah ich einen Rehbock
ſich uͤber und uͤber dem Loͤwen in die Klauen werfen,
obſchon ſich der Loͤwe von einer andern Seite gerade
auf einen andern Bock zu ſchwingen im Anlaufe war.

Dieſe Erſcheinungen beſtaͤttigen den Ausſpruch
des weiſen Salomon: Es geht dem Menſchen, wie
dem Vieh., wie dieß ſtirbt, ſo ſtirbt er auch, und ha-
ben alle einerley Odem, und der Menſch hat nichts
mehr, denn das Vieh, denn es iſt alles eitel.*) Und
in eben dieſer eingeſchraͤnkten Ruͤckſicht mache ich die
Folgerung, daß eben daß, was dem unvernuͤnftigen
Thiere Leben, Nahrung, Wachsthum, Geſundheit,
Krankheit, Geneſung und den Tod giebt, dieſes alles
auch dem Menſchen gebe.

§. 15.

Nun fraͤgt man aber: Haben die Thiere auch
eine Seele? Hat jede Thiergattung eine eigene Seele?
oder beruht aller Unterſchied auf der Organiſation?
Um dieſe drey Fragen drehen ſich alle Meinungen der
Weltweiſen uͤber dieſen Gegenſtand, obſchon jeder die
ſeinige unter einer andern Geſtalt darzuſtellen bemuͤht

iſt.
*) Pred. Salom. Kap. 3. 19.
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[40/0059] beym Anblick der fuͤrchterlichen Klapperſchlange und jenes der mohriſchen Pferde, welche ſich auf der Jagd, ſo bald ſie einen Loͤwen erblicken, nimmer ruͤhren koͤn- nen, bekannt geweſen, ſo haͤtten ſie eingeſehen, wie bey ſo augenſcheinlicher, maͤchtiger Gefahr, und ei- nem innern Gefuͤhl ſeiner eigenen Schwaͤche die Sin- ne betaͤubt, und alles Beſtreben und alle Hoffnung einer noch moͤglichen Rettung vernichtet werden. Auf dem hieſigen Hetzamphitheater ſah ich einen Rehbock ſich uͤber und uͤber dem Loͤwen in die Klauen werfen, obſchon ſich der Loͤwe von einer andern Seite gerade auf einen andern Bock zu ſchwingen im Anlaufe war. Dieſe Erſcheinungen beſtaͤttigen den Ausſpruch des weiſen Salomon: Es geht dem Menſchen, wie dem Vieh., wie dieß ſtirbt, ſo ſtirbt er auch, und ha- ben alle einerley Odem, und der Menſch hat nichts mehr, denn das Vieh, denn es iſt alles eitel. *) Und in eben dieſer eingeſchraͤnkten Ruͤckſicht mache ich die Folgerung, daß eben daß, was dem unvernuͤnftigen Thiere Leben, Nahrung, Wachsthum, Geſundheit, Krankheit, Geneſung und den Tod giebt, dieſes alles auch dem Menſchen gebe. §. 15. Nun fraͤgt man aber: Haben die Thiere auch eine Seele? Hat jede Thiergattung eine eigene Seele? oder beruht aller Unterſchied auf der Organiſation? Um dieſe drey Fragen drehen ſich alle Meinungen der Weltweiſen uͤber dieſen Gegenſtand, obſchon jeder die ſeinige unter einer andern Geſtalt darzuſtellen bemuͤht iſt. *) Pred. Salom. Kap. 3. 19.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/59>, abgerufen am 09.11.2024.