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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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fünf Unzen Blut abzapfen. Es erfolgte einige Er-
leichterung des innern bangen Gefühls; aber schon
nach einem Tage kehrte die vorige Beschwerdniß zu-
rück, und die Entkräftung war weit beträchtlicher.
Nun begnügte ich mich mit lauen Umschlägen auf die
Brust, und den übrigen entzündungswidrigen Mitteln.
In weniger als drey Tagen muste ich schon zu erwe-
ckenden, stärkenden, reitzenden Dingen schreiten, ob-
schon der Zustand der Brust gar nicht verändert war.
Die Entkräftung, die Betäubung, und andere au-
genscheinliche Nervenzufälle nahmen so überhand, daß
ich die stärksten Mittel von Innen und Außen ver-
suchte; allein sie starb ohne alle erfolgte Besserung,
unter einem anhaltenden Taumel unvermerkt.

Dieses geschah mir im ersten Jahre meiner
Ausübung, wo ich noch nicht mit dieser Krankheit
bekannt war, und noch nicht umständlich genug beo-
bachtete. Um mich aber zu rechtfertigen, machte ich
die Leichenöfnung: Die Lunge war zwar nicht heftig
entzündet, aber dennoch so mit Blut angefüllt, daß
einige Stücke im Wasser untergiengen. Im Kopfe
strotzten sowohl in den Hirnhöhlen als auf der Ober-
fläche des Gehirns alle Gefäße von Blut. Die übri-
gen Eingeweide waren gesund.

Nro 2. Dealkes Frau verfiel aus Traurigkeit
in ein hitziges mit Frösteln verbundenes Fieber. An-
fänglich hüllete man sie wohl ein. Sie gab nie den
geringsten Laut von sich, sie griff um sich her, sie
tupfte und kratzte an der Zudecke, sie las Härchen
und Flocken zusammen, sie weinte und lachte gleich

da-
Gall I. Band. O o

fuͤnf Unzen Blut abzapfen. Es erfolgte einige Er-
leichterung des innern bangen Gefuͤhls; aber ſchon
nach einem Tage kehrte die vorige Beſchwerdniß zu-
ruͤck, und die Entkraͤftung war weit betraͤchtlicher.
Nun begnuͤgte ich mich mit lauen Umſchlaͤgen auf die
Bruſt, und den uͤbrigen entzuͤndungswidrigen Mitteln.
In weniger als drey Tagen muſte ich ſchon zu erwe-
ckenden, ſtaͤrkenden, reitzenden Dingen ſchreiten, ob-
ſchon der Zuſtand der Bruſt gar nicht veraͤndert war.
Die Entkraͤftung, die Betaͤubung, und andere au-
genſcheinliche Nervenzufaͤlle nahmen ſo uͤberhand, daß
ich die ſtaͤrkſten Mittel von Innen und Außen ver-
ſuchte; allein ſie ſtarb ohne alle erfolgte Beſſerung,
unter einem anhaltenden Taumel unvermerkt.

Dieſes geſchah mir im erſten Jahre meiner
Ausuͤbung, wo ich noch nicht mit dieſer Krankheit
bekannt war, und noch nicht umſtaͤndlich genug beo-
bachtete. Um mich aber zu rechtfertigen, machte ich
die Leichenoͤfnung: Die Lunge war zwar nicht heftig
entzuͤndet, aber dennoch ſo mit Blut angefuͤllt, daß
einige Stuͤcke im Waſſer untergiengen. Im Kopfe
ſtrotzten ſowohl in den Hirnhoͤhlen als auf der Ober-
flaͤche des Gehirns alle Gefaͤße von Blut. Die uͤbri-
gen Eingeweide waren geſund.

Nro 2. Dealkes Frau verfiel aus Traurigkeit
in ein hitziges mit Froͤſteln verbundenes Fieber. An-
faͤnglich huͤllete man ſie wohl ein. Sie gab nie den
geringſten Laut von ſich, ſie griff um ſich her, ſie
tupfte und kratzte an der Zudecke, ſie las Haͤrchen
und Flocken zuſammen, ſie weinte und lachte gleich

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Gall I. Band. O o
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[577/0596] fuͤnf Unzen Blut abzapfen. Es erfolgte einige Er- leichterung des innern bangen Gefuͤhls; aber ſchon nach einem Tage kehrte die vorige Beſchwerdniß zu- ruͤck, und die Entkraͤftung war weit betraͤchtlicher. Nun begnuͤgte ich mich mit lauen Umſchlaͤgen auf die Bruſt, und den uͤbrigen entzuͤndungswidrigen Mitteln. In weniger als drey Tagen muſte ich ſchon zu erwe- ckenden, ſtaͤrkenden, reitzenden Dingen ſchreiten, ob- ſchon der Zuſtand der Bruſt gar nicht veraͤndert war. Die Entkraͤftung, die Betaͤubung, und andere au- genſcheinliche Nervenzufaͤlle nahmen ſo uͤberhand, daß ich die ſtaͤrkſten Mittel von Innen und Außen ver- ſuchte; allein ſie ſtarb ohne alle erfolgte Beſſerung, unter einem anhaltenden Taumel unvermerkt. Dieſes geſchah mir im erſten Jahre meiner Ausuͤbung, wo ich noch nicht mit dieſer Krankheit bekannt war, und noch nicht umſtaͤndlich genug beo- bachtete. Um mich aber zu rechtfertigen, machte ich die Leichenoͤfnung: Die Lunge war zwar nicht heftig entzuͤndet, aber dennoch ſo mit Blut angefuͤllt, daß einige Stuͤcke im Waſſer untergiengen. Im Kopfe ſtrotzten ſowohl in den Hirnhoͤhlen als auf der Ober- flaͤche des Gehirns alle Gefaͤße von Blut. Die uͤbri- gen Eingeweide waren geſund. Nro 2. Dealkes Frau verfiel aus Traurigkeit in ein hitziges mit Froͤſteln verbundenes Fieber. An- faͤnglich huͤllete man ſie wohl ein. Sie gab nie den geringſten Laut von ſich, ſie griff um ſich her, ſie tupfte und kratzte an der Zudecke, ſie las Haͤrchen und Flocken zuſammen, ſie weinte und lachte gleich da- Gall I. Band. O o

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/596>, abgerufen am 24.11.2024.