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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Nebenanzeigen seyn mögen, so muß man sie dennoch
schlechterdings so lange übergehen, bis man von Sei-
ten der Kräfte und der Reitzbarkeit versichert ist,
daß Nebenabsichten ohne Nachtheil der wesentlichen
erreicht werden können. Man vermeide also alle auflö-
senden, und alle ausleerenden Mittel, am meisten Brech-
und starke Purgiermittel; man hüte sich zur Unzeit
vor Klystieren; fliehe sorgfältig die Blutentleerungen;
man überzeuge sich, daß selbst die Blasenpflaster aller-
meist die Reitzbarkeit in Unordnung bringen, und die
Kräfte erschüttern; man gebe überhaupt auf die Zeit-
punkte der Krankheit, besonders auf die Tage und
Stunden der kritischen Stöhrung acht, um nicht zu
irrigen Urtheilen über den Einfluß seiner Heilart ver-
leitet zu werden: So wird man nur selten nicht das
Schreckliche dieser Krankheiten besiegen.

Man vergleiche nun alle von mir und Herz an-
geführten Krankengeschichten, so wird man überzeugt
werden, daß der ordentliche Gang, der glückliche
Verlauf jedesmal mit der strengern oder nachläßigern
Beobachtung dieser Maßregeln in Verhältniß stehe.
So wenig ich überhaupt den Mitteln, die auf andere
als die angegebenen Zwecke gerichtet sind, zugestehe,
so sind sie doch, indem sie die Kräfte erschüttern,
vermindern, und die Reizbarkeit widernatürlich ver-
ändern, sehr fähig, eine bey einer guten Heilart über-
windbare Krankheit, unüberwindlich zu machen, wo-
von ich schon viele Beyspiele angeführt habe, und
noch eines aus Tissot anführen will: "Ein dreysig-
jähriger Mann wurde nach vielen und langwierigen

trau-

Nebenanzeigen ſeyn moͤgen, ſo muß man ſie dennoch
ſchlechterdings ſo lange uͤbergehen, bis man von Sei-
ten der Kraͤfte und der Reitzbarkeit verſichert iſt,
daß Nebenabſichten ohne Nachtheil der weſentlichen
erreicht werden koͤnnen. Man vermeide alſo alle aufloͤ-
ſenden, und alle ausleerenden Mittel, am meiſten Brech-
und ſtarke Purgiermittel; man huͤte ſich zur Unzeit
vor Klyſtieren; fliehe ſorgfaͤltig die Blutentleerungen;
man uͤberzeuge ſich, daß ſelbſt die Blaſenpflaſter aller-
meiſt die Reitzbarkeit in Unordnung bringen, und die
Kraͤfte erſchuͤttern; man gebe uͤberhaupt auf die Zeit-
punkte der Krankheit, beſonders auf die Tage und
Stunden der kritiſchen Stoͤhrung acht, um nicht zu
irrigen Urtheilen uͤber den Einfluß ſeiner Heilart ver-
leitet zu werden: So wird man nur ſelten nicht das
Schreckliche dieſer Krankheiten beſiegen.

Man vergleiche nun alle von mir und Herz an-
gefuͤhrten Krankengeſchichten, ſo wird man uͤberzeugt
werden, daß der ordentliche Gang, der gluͤckliche
Verlauf jedesmal mit der ſtrengern oder nachlaͤßigern
Beobachtung dieſer Maßregeln in Verhaͤltniß ſtehe.
So wenig ich uͤberhaupt den Mitteln, die auf andere
als die angegebenen Zwecke gerichtet ſind, zugeſtehe,
ſo ſind ſie doch, indem ſie die Kraͤfte erſchuͤttern,
vermindern, und die Reizbarkeit widernatuͤrlich ver-
aͤndern, ſehr faͤhig, eine bey einer guten Heilart uͤber-
windbare Krankheit, unuͤberwindlich zu machen, wo-
von ich ſchon viele Beyſpiele angefuͤhrt habe, und
noch eines aus Tiſſot anfuͤhren will: “Ein dreyſig-
jaͤhriger Mann wurde nach vielen und langwierigen

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[596/0615] Nebenanzeigen ſeyn moͤgen, ſo muß man ſie dennoch ſchlechterdings ſo lange uͤbergehen, bis man von Sei- ten der Kraͤfte und der Reitzbarkeit verſichert iſt, daß Nebenabſichten ohne Nachtheil der weſentlichen erreicht werden koͤnnen. Man vermeide alſo alle aufloͤ- ſenden, und alle ausleerenden Mittel, am meiſten Brech- und ſtarke Purgiermittel; man huͤte ſich zur Unzeit vor Klyſtieren; fliehe ſorgfaͤltig die Blutentleerungen; man uͤberzeuge ſich, daß ſelbſt die Blaſenpflaſter aller- meiſt die Reitzbarkeit in Unordnung bringen, und die Kraͤfte erſchuͤttern; man gebe uͤberhaupt auf die Zeit- punkte der Krankheit, beſonders auf die Tage und Stunden der kritiſchen Stoͤhrung acht, um nicht zu irrigen Urtheilen uͤber den Einfluß ſeiner Heilart ver- leitet zu werden: So wird man nur ſelten nicht das Schreckliche dieſer Krankheiten beſiegen. Man vergleiche nun alle von mir und Herz an- gefuͤhrten Krankengeſchichten, ſo wird man uͤberzeugt werden, daß der ordentliche Gang, der gluͤckliche Verlauf jedesmal mit der ſtrengern oder nachlaͤßigern Beobachtung dieſer Maßregeln in Verhaͤltniß ſtehe. So wenig ich uͤberhaupt den Mitteln, die auf andere als die angegebenen Zwecke gerichtet ſind, zugeſtehe, ſo ſind ſie doch, indem ſie die Kraͤfte erſchuͤttern, vermindern, und die Reizbarkeit widernatuͤrlich ver- aͤndern, ſehr faͤhig, eine bey einer guten Heilart uͤber- windbare Krankheit, unuͤberwindlich zu machen, wo- von ich ſchon viele Beyſpiele angefuͤhrt habe, und noch eines aus Tiſſot anfuͤhren will: “Ein dreyſig- jaͤhriger Mann wurde nach vielen und langwierigen trau-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/615>, abgerufen am 24.11.2024.