nes Mittels mit der noch übrigen Thätigkeit der Na- tur zusammen: so wird man den Wein, die Wohl- verley, den Schierling, das Gummigutt, das Queck- silber, den Mohnsaft, das Feuer u. s. w. nicht mehr fürchten. -- Man folgere von Versuchen, die man an Thieren gemacht hat, nicht geradezu auf den Men- schen; man merke auf den Unterschied des Kranken und gesunden Zustandes; man vergesse nie auf die ver- schiedene Natur der verschiedenen Krankheiten u. s. w. so wird man einsehen, warum der Wahnsinnige gan- ze Tage auf einem Striche von Kohlen hin und her gehen, ein vernünftiger hingegen eine Idee nicht lan- ge unverändert behalten kann; warum der Rasende Hunger und Kälte erträgt, wobey der gesunde erstar- ret; warum das nämliche Mittel die entgegengesetzte- sten Wirkungen hervorbringt; warum sich die Beobach- ter unaufhörlich widersprechen, obschon sie sich alle auf die Erfahrung berufen u. s. w. Man ermüde nie von der Natur zu erfahren, Was seye, und unter welchen Bedingnißen es so seye: Und nur dann, wenn diese Kenntniß nicht hinreicht, unsern Zweck zu errei- chen, frage man: Wie es seye? So wird man zwar weniger sinnreiche und vorübergehende Mei- nungen, aber desto dauerhaftere und nützlichere Wahr- heiten entdecken.
Vier-
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nes Mittels mit der noch uͤbrigen Thaͤtigkeit der Na- tur zuſammen: ſo wird man den Wein, die Wohl- verley, den Schierling, das Gummigutt, das Queck- ſilber, den Mohnſaft, das Feuer u. ſ. w. nicht mehr fuͤrchten. — Man folgere von Verſuchen, die man an Thieren gemacht hat, nicht geradezu auf den Men- ſchen; man merke auf den Unterſchied des Kranken und geſunden Zuſtandes; man vergeſſe nie auf die ver- ſchiedene Natur der verſchiedenen Krankheiten u. ſ. w. ſo wird man einſehen, warum der Wahnſinnige gan- ze Tage auf einem Striche von Kohlen hin und her gehen, ein vernuͤnftiger hingegen eine Idee nicht lan- ge unveraͤndert behalten kann; warum der Raſende Hunger und Kaͤlte ertraͤgt, wobey der geſunde erſtar- ret; warum das naͤmliche Mittel die entgegengeſetzte- ſten Wirkungen hervorbringt; warum ſich die Beobach- ter unaufhoͤrlich widerſprechen, obſchon ſie ſich alle auf die Erfahrung berufen u. ſ. w. Man ermuͤde nie von der Natur zu erfahren, Was ſeye, und unter welchen Bedingnißen es ſo ſeye: Und nur dann, wenn dieſe Kenntniß nicht hinreicht, unſern Zweck zu errei- chen, frage man: Wie es ſeye? So wird man zwar weniger ſinnreiche und voruͤbergehende Mei- nungen, aber deſto dauerhaftere und nuͤtzlichere Wahr- heiten entdecken.
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nes Mittels mit der noch uͤbrigen Thaͤtigkeit der Na-
tur zuſammen: ſo wird man den Wein, die Wohl-
verley, den Schierling, das Gummigutt, das Queck-
ſilber, den Mohnſaft, das Feuer u. ſ. w. nicht mehr
fuͤrchten. — Man folgere von Verſuchen, die man an
Thieren gemacht hat, nicht geradezu auf den Men-
ſchen; man merke auf den Unterſchied des Kranken
und geſunden Zuſtandes; man vergeſſe nie auf die ver-
ſchiedene Natur der verſchiedenen Krankheiten u. ſ. w.
ſo wird man einſehen, warum der Wahnſinnige gan-
ze Tage auf einem Striche von Kohlen hin und her
gehen, ein vernuͤnftiger hingegen eine Idee nicht lan-
ge unveraͤndert behalten kann; warum der Raſende
Hunger und Kaͤlte ertraͤgt, wobey der geſunde erſtar-
ret; warum das naͤmliche Mittel die entgegengeſetzte-
ſten Wirkungen hervorbringt; warum ſich die Beobach-
ter unaufhoͤrlich widerſprechen, obſchon ſie ſich alle
auf die Erfahrung berufen u. ſ. w. Man ermuͤde nie
von der Natur zu erfahren, Was ſeye, und unter
welchen Bedingnißen es ſo ſeye: Und nur dann, wenn
dieſe Kenntniß nicht hinreicht, unſern Zweck zu errei-
chen, frage man: Wie es ſeye? So wird man
zwar weniger ſinnreiche und voruͤbergehende Mei-
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/630>, abgerufen am 24.11.2024.
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