Drittes Gesetz. Die Natur ist beym Reize nicht an seine fortschreitende Verbreitung gebun- den; sondern wirkt, ohne die Zwischenräume merklich zu verändern, auf entfernte Theile, vorzüglich aber auf schon gereizte Theile.
Darauf gründet sich alles, was von der Mit- leidung gesagt werden kann. Diese geschieht durch die Nerven, den Umlauf der Säfte, die Fortsetzung der Häute, die Vereinigung der Gefäße, durch die Gleichheit des Baues und der Flüssigkeiten, die Nach- barschaft der Theile, die Gleichheit der Verrichtun- gen, durch das überall verbreitete Zellengewebe, viel- leicht durch ein der Gehirnsubstanz ähnliches, und durch den ganzen Körper verbreites Wesen, vielleicht noch durch manche andere Dinge, die nicht in die Sin- ne fallen. Sie hat theils wechselseitig, theils nur von diesem Theile zu jenem, und nicht wieder von je- nem zu diesem statt. -- Weil man aber über den Reiz und die Mitleidung fast bey allen Schriftstellern etwas antrift, und mehrere weitläufig darüber geschrieben haben, so verweise ich meine Leser auf Tissot, Platt- ner, Rega, Whytt, Langhans, Rahn, Hal- ler, Jackson u. a. m.
Von der Gewohnheit. §. 104.
Dasjenige Ding, was dem Menschen den Ge- nuß gleichgültig, und die Leiden erträglich macht; was
un-
§. 103.
Drittes Geſetz. Die Natur iſt beym Reize nicht an ſeine fortſchreitende Verbreitung gebun- den; ſondern wirkt, ohne die Zwiſchenräume merklich zu verändern, auf entfernte Theile, vorzüglich aber auf ſchon gereizte Theile.
Darauf gruͤndet ſich alles, was von der Mit- leidung geſagt werden kann. Dieſe geſchieht durch die Nerven, den Umlauf der Saͤfte, die Fortſetzung der Haͤute, die Vereinigung der Gefaͤße, durch die Gleichheit des Baues und der Fluͤſſigkeiten, die Nach- barſchaft der Theile, die Gleichheit der Verrichtun- gen, durch das uͤberall verbreitete Zellengewebe, viel- leicht durch ein der Gehirnſubſtanz aͤhnliches, und durch den ganzen Koͤrper verbreites Weſen, vielleicht noch durch manche andere Dinge, die nicht in die Sin- ne fallen. Sie hat theils wechſelſeitig, theils nur von dieſem Theile zu jenem, und nicht wieder von je- nem zu dieſem ſtatt. — Weil man aber uͤber den Reiz und die Mitleidung faſt bey allen Schriftſtellern etwas antrift, und mehrere weitlaͤufig daruͤber geſchrieben haben, ſo verweiſe ich meine Leſer auf Tiſſot, Platt- ner, Rega, Whytt, Langhans, Rahn, Hal- ler, Jackſon u. a. m.
Von der Gewohnheit. §. 104.
Dasjenige Ding, was dem Menſchen den Ge- nuß gleichguͤltig, und die Leiden ertraͤglich macht; was
un-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0650"n="631"/><divn="4"><head>§. 103.</head><lb/><p>Drittes Geſetz. <hirendition="#fr">Die Natur iſt beym Reize<lb/>
nicht an ſeine fortſchreitende Verbreitung gebun-<lb/>
den; ſondern wirkt, ohne die Zwiſchenräume<lb/>
merklich zu verändern, auf entfernte Theile,<lb/>
vorzüglich aber auf ſchon gereizte Theile</hi>.</p><lb/><p>Darauf gruͤndet ſich alles, was von der Mit-<lb/>
leidung geſagt werden kann. Dieſe geſchieht durch<lb/>
die Nerven, den Umlauf der Saͤfte, die Fortſetzung<lb/>
der Haͤute, die Vereinigung der Gefaͤße, durch die<lb/>
Gleichheit des Baues und der Fluͤſſigkeiten, die Nach-<lb/>
barſchaft der Theile, die Gleichheit der Verrichtun-<lb/>
gen, durch das uͤberall verbreitete Zellengewebe, viel-<lb/>
leicht durch ein der Gehirnſubſtanz aͤhnliches, und<lb/>
durch den ganzen Koͤrper verbreites Weſen, vielleicht<lb/>
noch durch manche andere Dinge, die nicht in die Sin-<lb/>
ne fallen. Sie hat theils wechſelſeitig, theils nur<lb/>
von dieſem Theile zu jenem, und nicht wieder von je-<lb/>
nem zu dieſem ſtatt. — Weil man aber uͤber den Reiz<lb/>
und die Mitleidung faſt bey allen Schriftſtellern etwas<lb/>
antrift, und mehrere weitlaͤufig daruͤber geſchrieben<lb/>
haben, ſo verweiſe ich meine Leſer auf <hirendition="#fr">Tiſſot, Platt-<lb/>
ner, Rega, Whytt, Langhans, Rahn, Hal-<lb/>
ler, Jackſon u. a. m.</hi></p></div></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Von der Gewohnheit.</hi><lb/>
§. 104.</head><lb/><p>Dasjenige Ding, was dem Menſchen den Ge-<lb/>
nuß gleichguͤltig, und die Leiden ertraͤglich macht; was<lb/><fwplace="bottom"type="catch">un-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[631/0650]
§. 103.
Drittes Geſetz. Die Natur iſt beym Reize
nicht an ſeine fortſchreitende Verbreitung gebun-
den; ſondern wirkt, ohne die Zwiſchenräume
merklich zu verändern, auf entfernte Theile,
vorzüglich aber auf ſchon gereizte Theile.
Darauf gruͤndet ſich alles, was von der Mit-
leidung geſagt werden kann. Dieſe geſchieht durch
die Nerven, den Umlauf der Saͤfte, die Fortſetzung
der Haͤute, die Vereinigung der Gefaͤße, durch die
Gleichheit des Baues und der Fluͤſſigkeiten, die Nach-
barſchaft der Theile, die Gleichheit der Verrichtun-
gen, durch das uͤberall verbreitete Zellengewebe, viel-
leicht durch ein der Gehirnſubſtanz aͤhnliches, und
durch den ganzen Koͤrper verbreites Weſen, vielleicht
noch durch manche andere Dinge, die nicht in die Sin-
ne fallen. Sie hat theils wechſelſeitig, theils nur
von dieſem Theile zu jenem, und nicht wieder von je-
nem zu dieſem ſtatt. — Weil man aber uͤber den Reiz
und die Mitleidung faſt bey allen Schriftſtellern etwas
antrift, und mehrere weitlaͤufig daruͤber geſchrieben
haben, ſo verweiſe ich meine Leſer auf Tiſſot, Platt-
ner, Rega, Whytt, Langhans, Rahn, Hal-
ler, Jackſon u. a. m.
Von der Gewohnheit.
§. 104.
Dasjenige Ding, was dem Menſchen den Ge-
nuß gleichguͤltig, und die Leiden ertraͤglich macht; was
un-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/650>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.