Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

den man, da er um der Zukunft willen nützlich ist,
immer ein Vorgefühl nennen mag, hält man unter-
dessen einstimmig für nichts anders, als für einen ganz
unwillkührlichen Drang, auf eine bestimmte Weise zu
handeln; das Thier findet darinn seine Behaglichkeit,
ohne weder von der Ursache noch von der Folge die
geringste auch noch so dunkle Vorstellung zu haben;
und dieser Drang hat seinen Grund sowohl in der Or-
ganisation des Thieres, als in den Dingen außer ihm,
mit welchen es in Verbindung gesetzt worden ist.

§. 18.
Erklärung der Vorgefühle, Vorhersehungen,
und der Erhöhung der Seelenkräfte in
Krankheiten.

Nach diesen Voraussetzungen ist es nimmer so
schwer, über die Vorgefühle, Vorhersehungen, Ahn-
dungen der Menschen und die Erhöhung der Seelen-
kräfte in Krankheiten ein richtiges Urtheil zu fällen,
wenn man sie nur nicht unmittelbar von der Seelen-
kraft allein abhängig macht, sondern jedesmal eine
körperliche Veränderung als die erste Veranlassung
voraussezt.

Diese körperliche Veränderung, sie möge von
innen oder von aussen bewirkt werden, spielt manch-
mal ihre Rolle so im Hinterhalt, daß es geradezu un-
möglich ist, aus ihren Wirkungen von ihrer Natur,
oder ihrem Zusammenhang einige Vorstellung zu erhal-
ten. Wie oft sind wir ohne angeblichen Grund guter
und übler Laune? Ein paar Winde, der Abgang ei-

nes

den man, da er um der Zukunft willen nuͤtzlich iſt,
immer ein Vorgefuͤhl nennen mag, haͤlt man unter-
deſſen einſtimmig fuͤr nichts anders, als fuͤr einen ganz
unwillkuͤhrlichen Drang, auf eine beſtimmte Weiſe zu
handeln; das Thier findet darinn ſeine Behaglichkeit,
ohne weder von der Urſache noch von der Folge die
geringſte auch noch ſo dunkle Vorſtellung zu haben;
und dieſer Drang hat ſeinen Grund ſowohl in der Or-
ganiſation des Thieres, als in den Dingen außer ihm,
mit welchen es in Verbindung geſetzt worden iſt.

§. 18.
Erklaͤrung der Vorgefuͤhle, Vorherſehungen,
und der Erhoͤhung der Seelenkraͤfte in
Krankheiten.

Nach dieſen Vorausſetzungen iſt es nimmer ſo
ſchwer, uͤber die Vorgefuͤhle, Vorherſehungen, Ahn-
dungen der Menſchen und die Erhoͤhung der Seelen-
kraͤfte in Krankheiten ein richtiges Urtheil zu faͤllen,
wenn man ſie nur nicht unmittelbar von der Seelen-
kraft allein abhaͤngig macht, ſondern jedesmal eine
koͤrperliche Veraͤnderung als die erſte Veranlaſſung
vorausſezt.

Dieſe koͤrperliche Veraͤnderung, ſie moͤge von
innen oder von auſſen bewirkt werden, ſpielt manch-
mal ihre Rolle ſo im Hinterhalt, daß es geradezu un-
moͤglich iſt, aus ihren Wirkungen von ihrer Natur,
oder ihrem Zuſammenhang einige Vorſtellung zu erhal-
ten. Wie oft ſind wir ohne angeblichen Grund guter
und uͤbler Laune? Ein paar Winde, der Abgang ei-

nes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0067" n="48"/>
den man, da er um der Zukunft willen nu&#x0364;tzlich i&#x017F;t,<lb/>
immer ein Vorgefu&#x0364;hl nennen mag, ha&#x0364;lt man unter-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en ein&#x017F;timmig fu&#x0364;r nichts anders, als fu&#x0364;r einen ganz<lb/>
unwillku&#x0364;hrlichen Drang, auf eine be&#x017F;timmte Wei&#x017F;e zu<lb/>
handeln; das Thier findet darinn &#x017F;eine Behaglichkeit,<lb/>
ohne weder von der Ur&#x017F;ache noch von der Folge die<lb/>
gering&#x017F;te auch noch &#x017F;o dunkle Vor&#x017F;tellung zu haben;<lb/>
und die&#x017F;er Drang hat &#x017F;einen Grund &#x017F;owohl in der Or-<lb/>
gani&#x017F;ation des Thieres, als in den Dingen außer ihm,<lb/>
mit welchen es in Verbindung ge&#x017F;etzt worden i&#x017F;t.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 18.<lb/><hi rendition="#b">Erkla&#x0364;rung der Vorgefu&#x0364;hle, Vorher&#x017F;ehungen,<lb/>
und der Erho&#x0364;hung der Seelenkra&#x0364;fte in<lb/>
Krankheiten.</hi></head><lb/>
            <p>Nach die&#x017F;en Voraus&#x017F;etzungen i&#x017F;t es nimmer &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chwer, u&#x0364;ber die Vorgefu&#x0364;hle, Vorher&#x017F;ehungen, Ahn-<lb/>
dungen der Men&#x017F;chen und die Erho&#x0364;hung der Seelen-<lb/>
kra&#x0364;fte in Krankheiten ein richtiges Urtheil zu fa&#x0364;llen,<lb/>
wenn man &#x017F;ie nur nicht unmittelbar von der Seelen-<lb/>
kraft allein abha&#x0364;ngig macht, &#x017F;ondern jedesmal eine<lb/>
ko&#x0364;rperliche Vera&#x0364;nderung als die er&#x017F;te Veranla&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
voraus&#x017F;ezt.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e ko&#x0364;rperliche Vera&#x0364;nderung, &#x017F;ie mo&#x0364;ge von<lb/>
innen oder von au&#x017F;&#x017F;en bewirkt werden, &#x017F;pielt manch-<lb/>
mal ihre Rolle &#x017F;o im Hinterhalt, daß es geradezu un-<lb/>
mo&#x0364;glich i&#x017F;t, aus ihren Wirkungen von ihrer Natur,<lb/>
oder ihrem Zu&#x017F;ammenhang einige Vor&#x017F;tellung zu erhal-<lb/>
ten. Wie oft &#x017F;ind wir ohne angeblichen Grund guter<lb/>
und u&#x0364;bler Laune? Ein paar Winde, der Abgang ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nes</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0067] den man, da er um der Zukunft willen nuͤtzlich iſt, immer ein Vorgefuͤhl nennen mag, haͤlt man unter- deſſen einſtimmig fuͤr nichts anders, als fuͤr einen ganz unwillkuͤhrlichen Drang, auf eine beſtimmte Weiſe zu handeln; das Thier findet darinn ſeine Behaglichkeit, ohne weder von der Urſache noch von der Folge die geringſte auch noch ſo dunkle Vorſtellung zu haben; und dieſer Drang hat ſeinen Grund ſowohl in der Or- ganiſation des Thieres, als in den Dingen außer ihm, mit welchen es in Verbindung geſetzt worden iſt. §. 18. Erklaͤrung der Vorgefuͤhle, Vorherſehungen, und der Erhoͤhung der Seelenkraͤfte in Krankheiten. Nach dieſen Vorausſetzungen iſt es nimmer ſo ſchwer, uͤber die Vorgefuͤhle, Vorherſehungen, Ahn- dungen der Menſchen und die Erhoͤhung der Seelen- kraͤfte in Krankheiten ein richtiges Urtheil zu faͤllen, wenn man ſie nur nicht unmittelbar von der Seelen- kraft allein abhaͤngig macht, ſondern jedesmal eine koͤrperliche Veraͤnderung als die erſte Veranlaſſung vorausſezt. Dieſe koͤrperliche Veraͤnderung, ſie moͤge von innen oder von auſſen bewirkt werden, ſpielt manch- mal ihre Rolle ſo im Hinterhalt, daß es geradezu un- moͤglich iſt, aus ihren Wirkungen von ihrer Natur, oder ihrem Zuſammenhang einige Vorſtellung zu erhal- ten. Wie oft ſind wir ohne angeblichen Grund guter und uͤbler Laune? Ein paar Winde, der Abgang ei- nes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/67
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/67>, abgerufen am 22.11.2024.