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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Wirkung des Blatterngiftes, des Lustseuchengiftes,
des Pestgiftes weniger spezifisch, weniger von andern
Giften unterschieden, wenn wir Blattern, Tripper-
materie und Leustenbeulen sehen? -- Zu was also
dergleichen widersinnige Einschränkungen?

Sollte endlich die Kraft eines Mittels darum
nicht spezifisch heißen, weil sie ihm nicht einzig und
allein eigen ist? -- Zuverläßig hat jedes Ding et-
was Eignes, wodurch es von allen übrigen Dingen
unterschieden ist; Jedes hat aber auch manches, was
es mit mehr oder weniger andern gemein hat. Wer
kann aber fordern, daß jedes Ding seine ausgezeich-
nete Eigenschaft gerade auf den Menschen äußere?
Das Euphorbium (Euphorbium esula) ist für ihre
schöne große Raupe ein treffliches Nahrungsmittel,
obschon es beym Menschen einstweilen bloß als ein
scharfes, ätzendes Gift bekannt ist etc. Andere Din-
ge, obschon sie eine allgemeine Wirkung auf ein gan-
zes Geschlecht haben, äußern dennoch ganz besondere
Wirkungen auf gewiße Einzelnheiten des nämlichen
Geschlechtes. So sind die Krebsaugen bey allen Men-
schen, wie alle Kalkerden, säureverschluckend; indeßen
erregen sie einigen heftige Krämpfe und garstige Aus-
schläge; der Geruch der Rose, einer Katze; der Ge-
nuß einer gewissen Art Aepfel, des Käses; der An-
blick einer Spiane; das Gefühl des Sammets etc. etc.
erregt einigen gewaltige Uebelkeiten, Ohnmachten,
Zuckungen u. d. gl. Diese Erscheinungen heißen Idio-
sinkrasien
, und müßen als einzelne spezifische Verhält-
niße angesehen werden.


Uebri-

Wirkung des Blatterngiftes, des Luſtſeuchengiftes,
des Peſtgiftes weniger ſpezifiſch, weniger von andern
Giften unterſchieden, wenn wir Blattern, Tripper-
materie und Leuſtenbeulen ſehen? — Zu was alſo
dergleichen widerſinnige Einſchraͤnkungen?

Sollte endlich die Kraft eines Mittels darum
nicht ſpezifiſch heißen, weil ſie ihm nicht einzig und
allein eigen iſt? — Zuverlaͤßig hat jedes Ding et-
was Eignes, wodurch es von allen uͤbrigen Dingen
unterſchieden iſt; Jedes hat aber auch manches, was
es mit mehr oder weniger andern gemein hat. Wer
kann aber fordern, daß jedes Ding ſeine ausgezeich-
nete Eigenſchaft gerade auf den Menſchen aͤußere?
Das Euphorbium (Euphorbium eſula) iſt fuͤr ihre
ſchoͤne große Raupe ein treffliches Nahrungsmittel,
obſchon es beym Menſchen einſtweilen bloß als ein
ſcharfes, aͤtzendes Gift bekannt iſt ꝛc. Andere Din-
ge, obſchon ſie eine allgemeine Wirkung auf ein gan-
zes Geſchlecht haben, aͤußern dennoch ganz beſondere
Wirkungen auf gewiße Einzelnheiten des naͤmlichen
Geſchlechtes. So ſind die Krebsaugen bey allen Men-
ſchen, wie alle Kalkerden, ſaͤureverſchluckend; indeßen
erregen ſie einigen heftige Kraͤmpfe und garſtige Aus-
ſchlaͤge; der Geruch der Roſe, einer Katze; der Ge-
nuß einer gewiſſen Art Aepfel, des Kaͤſes; der An-
blick einer Spiane; das Gefuͤhl des Sammets ꝛc. ꝛc.
erregt einigen gewaltige Uebelkeiten, Ohnmachten,
Zuckungen u. d. gl. Dieſe Erſcheinungen heißen Idio-
ſinkraſien
, und muͤßen als einzelne ſpezifiſche Verhaͤlt-
niße angeſehen werden.


Uebri-
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[695/0714] Wirkung des Blatterngiftes, des Luſtſeuchengiftes, des Peſtgiftes weniger ſpezifiſch, weniger von andern Giften unterſchieden, wenn wir Blattern, Tripper- materie und Leuſtenbeulen ſehen? — Zu was alſo dergleichen widerſinnige Einſchraͤnkungen? Sollte endlich die Kraft eines Mittels darum nicht ſpezifiſch heißen, weil ſie ihm nicht einzig und allein eigen iſt? — Zuverlaͤßig hat jedes Ding et- was Eignes, wodurch es von allen uͤbrigen Dingen unterſchieden iſt; Jedes hat aber auch manches, was es mit mehr oder weniger andern gemein hat. Wer kann aber fordern, daß jedes Ding ſeine ausgezeich- nete Eigenſchaft gerade auf den Menſchen aͤußere? Das Euphorbium (Euphorbium eſula) iſt fuͤr ihre ſchoͤne große Raupe ein treffliches Nahrungsmittel, obſchon es beym Menſchen einſtweilen bloß als ein ſcharfes, aͤtzendes Gift bekannt iſt ꝛc. Andere Din- ge, obſchon ſie eine allgemeine Wirkung auf ein gan- zes Geſchlecht haben, aͤußern dennoch ganz beſondere Wirkungen auf gewiße Einzelnheiten des naͤmlichen Geſchlechtes. So ſind die Krebsaugen bey allen Men- ſchen, wie alle Kalkerden, ſaͤureverſchluckend; indeßen erregen ſie einigen heftige Kraͤmpfe und garſtige Aus- ſchlaͤge; der Geruch der Roſe, einer Katze; der Ge- nuß einer gewiſſen Art Aepfel, des Kaͤſes; der An- blick einer Spiane; das Gefuͤhl des Sammets ꝛc. ꝛc. erregt einigen gewaltige Uebelkeiten, Ohnmachten, Zuckungen u. d. gl. Dieſe Erſcheinungen heißen Idio- ſinkraſien, und muͤßen als einzelne ſpezifiſche Verhaͤlt- niße angeſehen werden. Uebri-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/714>, abgerufen am 24.11.2024.