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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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absolut genau zu ermitteln. Aber hier ist die Stelle, wo fast alle sterblich
sind; hier ist die Achillesferse! Kaum 1 Prozent aller Färber und Blau-
drucker hält es für notwendig, den Indigo auf seinen Gehalt an Indigblau
untersuchen zu lassen. Indigo ist für sie Indigo! Da darf es nachher
nicht Wunder nehmen, wenn "die Küpe durchgeht".

Sobald wir den Indigblaugehalt eines Indigos kennen, wissen wir
ferner genau, wieviel Wasserstoff wir zur Reduktion in Indig-
weiß nötig haben
. Es fehlt uns aber keineswegs an Methoden, Wasser-
stoff im Entstehungszustand auch in regulierbaren Mengen zur Reduktion
zu verwenden und damit die Küpenbildung endlich in vernunftgemäße Bahnen
zu lenken, und der jetzigen Unwissenschaftlichkeit und Willkürlichkeit zu entrücken.
Dann werden die Launen und Krankheiten schon von selber vergehen und
das Wirtschaften "ins Blaue hinein" (hier gilt es wörtlich) hat eine Ende.
Die jetzige Handhabung warmer Küpen steht wahrhaftig nicht auf der Höhe
der Situation.

Die Vermeidung abnormer Zustände hängt von der Erfahrung
und von der Beobachtungsgabe des die Küpe Beaufsichtigenden ab. Kennt
er die Entstehungsursachen eines Fehlers, oder ist er imstande, auf Grund
seiner Beobachtung auf die Ursache zu schließen, so ist die Abhilfe nicht
schwer.

Eine zu scharf gewordene Küpe vermag nicht richtig zu gären;
die Auflösung des Indigos wird unterbrochen oder hört ganz auf; der Küpen-
schlamm wie die Adern werden bräunlich und der Geruch wird scharf. Will
man Zeit gewinnen, so kann man durch vorsichtigen Zusatz von Oxalsäure
schnell Abhilfe schaffen; auch ist Einleiten von Kohlensäure durchaus am
Platze; bei mäßig verschärften Küpen ist Zusatz von Kleie und Erwärmen
schon genügend.

Eine zu mild gewordene Küpe (durch zu häufige Benutzung oder
ungenügendes Nachschärfen) ist durch einfachen Kalk- resp. Sodazusatz zu
bessern; eine derartige milde Küpe kennzeichnet sich durch zu langsames Ver-
grünen eines herausgenommenen Tropfens.

Eine gebrochene Küpe zeigt keine goldgelbe Färbung mehr, sondern
eine olive Färbung, ein Beweis, daß das Reduktionsmittel nicht in genügend
reichlicher Menge vorhanden, oder daß die Temperatur nicht hoch genug
gewesen war, so daß die Gärung nicht hat in Fluß kommen können. Hier
pflegt Zuthun neuer Anteile des Gärungsmittels (Kleie, Krapp, event. selbst
Waid oder Melasse) und Erwärmen gute Dienste zu leisten.

Eine durchgegangene Küpe, entstanden durch zu großen Mangel
an Kalk verbunden mit gleichzeitigem Ueberhitzen, verursacht einen fauligen
Geruch; bei einer solchen Küpe ist die Zersetzung dann bereits soweit ge-
diehen, daß der Indigo als endgültig verloren zu betrachten ist. Eine solche
durchgegangene Küpe kommt vornehmlich bei Waidküpen, seltener bei
Pottasche- oder Sodaküpen vor; die Flotte besitzt dann eine rötlichgelbe
Farbe, ist trüb und zeigt keine "Blume" mehr; sie charakterisiert sich aber
vornehmlich dadurch, daß ein mit Indigo gefärbtes Stück Zeug, in die Flotte
getaucht, entfärbt wird. Die genannten Anzeichen treten samt und sonders
nicht plötzlich auf, sondern zeigen sich erst allmählich, so daß bei einiger Auf-
merksamkeit wohl gemerkt werden kann, wenn eine Küpe Neigung zeigt,
"durchzugehen". Durch tüchtiges Ausschärfen mit Kalk oder Soda und Er-

abſolut genau zu ermitteln. Aber hier iſt die Stelle, wo faſt alle ſterblich
ſind; hier iſt die Achillesferſe! Kaum 1 Prozent aller Färber und Blau-
drucker hält es für notwendig, den Indigo auf ſeinen Gehalt an Indigblau
unterſuchen zu laſſen. Indigo iſt für ſie Indigo! Da darf es nachher
nicht Wunder nehmen, wenn „die Küpe durchgeht“.

Sobald wir den Indigblaugehalt eines Indigos kennen, wiſſen wir
ferner genau, wieviel Waſſerſtoff wir zur Reduktion in Indig-
weiß nötig haben
. Es fehlt uns aber keineswegs an Methoden, Waſſer-
ſtoff im Entſtehungszuſtand auch in regulierbaren Mengen zur Reduktion
zu verwenden und damit die Küpenbildung endlich in vernunftgemäße Bahnen
zu lenken, und der jetzigen Unwiſſenſchaftlichkeit und Willkürlichkeit zu entrücken.
Dann werden die Launen und Krankheiten ſchon von ſelber vergehen und
das Wirtſchaften „ins Blaue hinein“ (hier gilt es wörtlich) hat eine Ende.
Die jetzige Handhabung warmer Küpen ſteht wahrhaftig nicht auf der Höhe
der Situation.

Die Vermeidung abnormer Zuſtände hängt von der Erfahrung
und von der Beobachtungsgabe des die Küpe Beaufſichtigenden ab. Kennt
er die Entſtehungsurſachen eines Fehlers, oder iſt er imſtande, auf Grund
ſeiner Beobachtung auf die Urſache zu ſchließen, ſo iſt die Abhilfe nicht
ſchwer.

Eine zu ſcharf gewordene Küpe vermag nicht richtig zu gären;
die Auflöſung des Indigos wird unterbrochen oder hört ganz auf; der Küpen-
ſchlamm wie die Adern werden bräunlich und der Geruch wird ſcharf. Will
man Zeit gewinnen, ſo kann man durch vorſichtigen Zuſatz von Oxalſäure
ſchnell Abhilfe ſchaffen; auch iſt Einleiten von Kohlenſäure durchaus am
Platze; bei mäßig verſchärften Küpen iſt Zuſatz von Kleie und Erwärmen
ſchon genügend.

Eine zu mild gewordene Küpe (durch zu häufige Benutzung oder
ungenügendes Nachſchärfen) iſt durch einfachen Kalk- reſp. Sodazuſatz zu
beſſern; eine derartige milde Küpe kennzeichnet ſich durch zu langſames Ver-
grünen eines herausgenommenen Tropfens.

Eine gebrochene Küpe zeigt keine goldgelbe Färbung mehr, ſondern
eine olive Färbung, ein Beweis, daß das Reduktionsmittel nicht in genügend
reichlicher Menge vorhanden, oder daß die Temperatur nicht hoch genug
geweſen war, ſo daß die Gärung nicht hat in Fluß kommen können. Hier
pflegt Zuthun neuer Anteile des Gärungsmittels (Kleie, Krapp, event. ſelbſt
Waid oder Melaſſe) und Erwärmen gute Dienſte zu leiſten.

Eine durchgegangene Küpe, entſtanden durch zu großen Mangel
an Kalk verbunden mit gleichzeitigem Ueberhitzen, verurſacht einen fauligen
Geruch; bei einer ſolchen Küpe iſt die Zerſetzung dann bereits ſoweit ge-
diehen, daß der Indigo als endgültig verloren zu betrachten iſt. Eine ſolche
durchgegangene Küpe kommt vornehmlich bei Waidküpen, ſeltener bei
Pottaſche- oder Sodaküpen vor; die Flotte beſitzt dann eine rötlichgelbe
Farbe, iſt trüb und zeigt keine „Blume“ mehr; ſie charakteriſiert ſich aber
vornehmlich dadurch, daß ein mit Indigo gefärbtes Stück Zeug, in die Flotte
getaucht, entfärbt wird. Die genannten Anzeichen treten ſamt und ſonders
nicht plötzlich auf, ſondern zeigen ſich erſt allmählich, ſo daß bei einiger Auf-
merkſamkeit wohl gemerkt werden kann, wenn eine Küpe Neigung zeigt,
„durchzugehen“. Durch tüchtiges Ausſchärfen mit Kalk oder Soda und Er-

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[546/0594] abſolut genau zu ermitteln. Aber hier iſt die Stelle, wo faſt alle ſterblich ſind; hier iſt die Achillesferſe! Kaum 1 Prozent aller Färber und Blau- drucker hält es für notwendig, den Indigo auf ſeinen Gehalt an Indigblau unterſuchen zu laſſen. Indigo iſt für ſie Indigo! Da darf es nachher nicht Wunder nehmen, wenn „die Küpe durchgeht“. Sobald wir den Indigblaugehalt eines Indigos kennen, wiſſen wir ferner genau, wieviel Waſſerſtoff wir zur Reduktion in Indig- weiß nötig haben. Es fehlt uns aber keineswegs an Methoden, Waſſer- ſtoff im Entſtehungszuſtand auch in regulierbaren Mengen zur Reduktion zu verwenden und damit die Küpenbildung endlich in vernunftgemäße Bahnen zu lenken, und der jetzigen Unwiſſenſchaftlichkeit und Willkürlichkeit zu entrücken. Dann werden die Launen und Krankheiten ſchon von ſelber vergehen und das Wirtſchaften „ins Blaue hinein“ (hier gilt es wörtlich) hat eine Ende. Die jetzige Handhabung warmer Küpen ſteht wahrhaftig nicht auf der Höhe der Situation. Die Vermeidung abnormer Zuſtände hängt von der Erfahrung und von der Beobachtungsgabe des die Küpe Beaufſichtigenden ab. Kennt er die Entſtehungsurſachen eines Fehlers, oder iſt er imſtande, auf Grund ſeiner Beobachtung auf die Urſache zu ſchließen, ſo iſt die Abhilfe nicht ſchwer. Eine zu ſcharf gewordene Küpe vermag nicht richtig zu gären; die Auflöſung des Indigos wird unterbrochen oder hört ganz auf; der Küpen- ſchlamm wie die Adern werden bräunlich und der Geruch wird ſcharf. Will man Zeit gewinnen, ſo kann man durch vorſichtigen Zuſatz von Oxalſäure ſchnell Abhilfe ſchaffen; auch iſt Einleiten von Kohlenſäure durchaus am Platze; bei mäßig verſchärften Küpen iſt Zuſatz von Kleie und Erwärmen ſchon genügend. Eine zu mild gewordene Küpe (durch zu häufige Benutzung oder ungenügendes Nachſchärfen) iſt durch einfachen Kalk- reſp. Sodazuſatz zu beſſern; eine derartige milde Küpe kennzeichnet ſich durch zu langſames Ver- grünen eines herausgenommenen Tropfens. Eine gebrochene Küpe zeigt keine goldgelbe Färbung mehr, ſondern eine olive Färbung, ein Beweis, daß das Reduktionsmittel nicht in genügend reichlicher Menge vorhanden, oder daß die Temperatur nicht hoch genug geweſen war, ſo daß die Gärung nicht hat in Fluß kommen können. Hier pflegt Zuthun neuer Anteile des Gärungsmittels (Kleie, Krapp, event. ſelbſt Waid oder Melaſſe) und Erwärmen gute Dienſte zu leiſten. Eine durchgegangene Küpe, entſtanden durch zu großen Mangel an Kalk verbunden mit gleichzeitigem Ueberhitzen, verurſacht einen fauligen Geruch; bei einer ſolchen Küpe iſt die Zerſetzung dann bereits ſoweit ge- diehen, daß der Indigo als endgültig verloren zu betrachten iſt. Eine ſolche durchgegangene Küpe kommt vornehmlich bei Waidküpen, ſeltener bei Pottaſche- oder Sodaküpen vor; die Flotte beſitzt dann eine rötlichgelbe Farbe, iſt trüb und zeigt keine „Blume“ mehr; ſie charakteriſiert ſich aber vornehmlich dadurch, daß ein mit Indigo gefärbtes Stück Zeug, in die Flotte getaucht, entfärbt wird. Die genannten Anzeichen treten ſamt und ſonders nicht plötzlich auf, ſondern zeigen ſich erſt allmählich, ſo daß bei einiger Auf- merkſamkeit wohl gemerkt werden kann, wenn eine Küpe Neigung zeigt, „durchzugehen“. Durch tüchtiges Ausſchärfen mit Kalk oder Soda und Er-

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/594>, abgerufen am 21.11.2024.