hitzen fast bis zum Kochen, sowie durch fleißiges Rühren ist unter Umständen wenigstens ein Teil des Indigos zu retten. Die Waidküpen sind in dieser Beziehung die schlimmsten infolge des Stickstoffgehalts des Waids.
Da nun aber die Waidküpe keinerlei besondere Vorteile gegenüber den andern Küpen aufzuweisen hat, so liegt doch gar kein Grund vor, uns auf die Waidküpe zu steifen, und es wäre doch geratener, von der Waid- küpe ganz Abstand zu nehmen und die vernunftwidrigste aller Küpen der wohlverdienten Vergessenheit anheimzugeben.
Die Vitriolküpe ist die älteste und bekannteste und wohl auch die verbreitetste. Sie ist eine sogenannte kalte Küpe; die Erzeugung von Indig- weiß geschieht hier ohne Gärung. Die Farbekufen für die Vitriolküpe sind gemeinhin nicht cylindrisch rund, sondern haben mehr die Form vier- eckiger Kästen und sind aus. Gußeisen, Holz oder Stein gebaut, entweder quadratische oder längliche Tröge.
Der chemische Prozeß spielt sich hierbei etwas anders ab. Ein Teil des Kalkes zerlegt den Eisenvitriol, indem er Gyps und Eisenoxydulhydrat bildet:
[Formel 1]
Eisenvitriol Kalkhydrat Gyps Eisenoxydulhydrat.
Letzteres wirkt zersetzend auf 2 Moleküle Wasser, indem es sich zu Eisenoxydhydrat verbindet und dabei Wasserstoff entbindet:
[Formel 2]
Eisenoxydulhydrat Wasser Eisenoxydhydrat Wasserstoff.
Letzterer lagert sich direkt an das Indigblaumolekül und bildet damit Indig- weiß, welches sich in einem weitern Teile des überschüssigen Kalks mit der bekannten goldgelben Farbe löst.
Der Ansatz zur Vitriolküpe lautet nach verschiedenen Autoren, wie folgt:
[Tabelle]
Wir finden auch hier, wo die Verhältnisse durch den bekannten und glatt verlaufenden chemischen Prozeß doch genügend geklärt sein sollten, eine große Unklarheit. Auch diese Vorschriften sind empirisch, und Th. Schier- necker, Dirigent einer der größten deutschen Blaudruckfabriken, spricht sich hierüber in der "Deutschen Färber-Zeitung" 1887, Nr. 15, folgendermaßen aus: "Erst nachdem man die wirkliche prozentische Färbekraft des Indigos kennt, kann man die Menge der Reduktionsmittel feststellen: Die annähern- den Schätzungen auf 1 Teil Indigo 3 Teile Eisenvitriol und 4 Teile Kalk sind grobe Fehlgriffe.
Da man bei der Vitriolküpe den unberechenbaren Zufällen einer Gärung nicht ausgesetzt ist, so gestattet schon das bloße Aussehen der Flotte eine gewisse Regulierung; ist sie dunkelgoldgelb, zeigt sie beim Aufziehen blaue Adern und eine kupferblau schillernde Blume, dann ist sie in gutem Zu-
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hitzen faſt bis zum Kochen, ſowie durch fleißiges Rühren iſt unter Umſtänden wenigſtens ein Teil des Indigos zu retten. Die Waidküpen ſind in dieſer Beziehung die ſchlimmſten infolge des Stickſtoffgehalts des Waids.
Da nun aber die Waidküpe keinerlei beſondere Vorteile gegenüber den andern Küpen aufzuweiſen hat, ſo liegt doch gar kein Grund vor, uns auf die Waidküpe zu ſteifen, und es wäre doch geratener, von der Waid- küpe ganz Abſtand zu nehmen und die vernunftwidrigſte aller Küpen der wohlverdienten Vergeſſenheit anheimzugeben.
Die Vitriolküpe iſt die älteſte und bekannteſte und wohl auch die verbreitetſte. Sie iſt eine ſogenannte kalte Küpe; die Erzeugung von Indig- weiß geſchieht hier ohne Gärung. Die Farbekufen für die Vitriolküpe ſind gemeinhin nicht cylindriſch rund, ſondern haben mehr die Form vier- eckiger Käſten und ſind aus. Gußeiſen, Holz oder Stein gebaut, entweder quadratiſche oder längliche Tröge.
Der chemiſche Prozeß ſpielt ſich hierbei etwas anders ab. Ein Teil des Kalkes zerlegt den Eiſenvitriol, indem er Gyps und Eiſenoxydulhydrat bildet:
[Formel 1]
Eiſenvitriol Kalkhydrat Gyps Eiſenoxydulhydrat.
Letzteres wirkt zerſetzend auf 2 Moleküle Waſſer, indem es ſich zu Eiſenoxydhydrat verbindet und dabei Waſſerſtoff entbindet:
[Formel 2]
Eiſenoxydulhydrat Waſſer Eiſenoxydhydrat Waſſerſtoff.
Letzterer lagert ſich direkt an das Indigblaumolekül und bildet damit Indig- weiß, welches ſich in einem weitern Teile des überſchüſſigen Kalks mit der bekannten goldgelben Farbe löſt.
Der Anſatz zur Vitriolküpe lautet nach verſchiedenen Autoren, wie folgt:
[Tabelle]
Wir finden auch hier, wo die Verhältniſſe durch den bekannten und glatt verlaufenden chemiſchen Prozeß doch genügend geklärt ſein ſollten, eine große Unklarheit. Auch dieſe Vorſchriften ſind empiriſch, und Th. Schier- necker, Dirigent einer der größten deutſchen Blaudruckfabriken, ſpricht ſich hierüber in der „Deutſchen Färber-Zeitung“ 1887, Nr. 15, folgendermaßen aus: „Erſt nachdem man die wirkliche prozentiſche Färbekraft des Indigos kennt, kann man die Menge der Reduktionsmittel feſtſtellen: Die annähern- den Schätzungen auf 1 Teil Indigo 3 Teile Eiſenvitriol und 4 Teile Kalk ſind grobe Fehlgriffe.
Da man bei der Vitriolküpe den unberechenbaren Zufällen einer Gärung nicht ausgeſetzt iſt, ſo geſtattet ſchon das bloße Ausſehen der Flotte eine gewiſſe Regulierung; iſt ſie dunkelgoldgelb, zeigt ſie beim Aufziehen blaue Adern und eine kupferblau ſchillernde Blume, dann iſt ſie in gutem Zu-
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hitzen faſt bis zum Kochen, ſowie durch fleißiges Rühren iſt unter Umſtänden
wenigſtens ein Teil des Indigos zu retten. Die Waidküpen ſind in dieſer
Beziehung die ſchlimmſten infolge des Stickſtoffgehalts des Waids.
Da nun aber die Waidküpe keinerlei beſondere Vorteile gegenüber den
andern Küpen aufzuweiſen hat, ſo liegt doch gar kein Grund vor, uns auf
die Waidküpe zu ſteifen, und es wäre doch geratener, von der Waid-
küpe ganz Abſtand zu nehmen und die vernunftwidrigſte aller
Küpen der wohlverdienten Vergeſſenheit anheimzugeben.
Die Vitriolküpe iſt die älteſte und bekannteſte und wohl auch die
verbreitetſte. Sie iſt eine ſogenannte kalte Küpe; die Erzeugung von Indig-
weiß geſchieht hier ohne Gärung. Die Farbekufen für die Vitriolküpe
ſind gemeinhin nicht cylindriſch rund, ſondern haben mehr die Form vier-
eckiger Käſten und ſind aus. Gußeiſen, Holz oder Stein gebaut, entweder
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Der chemiſche Prozeß ſpielt ſich hierbei etwas anders ab. Ein Teil
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Der Anſatz zur Vitriolküpe lautet nach verſchiedenen Autoren, wie
folgt:
Wir finden auch hier, wo die Verhältniſſe durch den bekannten und
glatt verlaufenden chemiſchen Prozeß doch genügend geklärt ſein ſollten, eine
große Unklarheit. Auch dieſe Vorſchriften ſind empiriſch, und Th. Schier-
necker, Dirigent einer der größten deutſchen Blaudruckfabriken, ſpricht ſich
hierüber in der „Deutſchen Färber-Zeitung“ 1887, Nr. 15, folgendermaßen
aus: „Erſt nachdem man die wirkliche prozentiſche Färbekraft des Indigos
kennt, kann man die Menge der Reduktionsmittel feſtſtellen: Die annähern-
den Schätzungen auf 1 Teil Indigo 3 Teile Eiſenvitriol und
4 Teile Kalk ſind grobe Fehlgriffe.
Da man bei der Vitriolküpe den unberechenbaren Zufällen einer Gärung
nicht ausgeſetzt iſt, ſo geſtattet ſchon das bloße Ausſehen der Flotte eine
gewiſſe Regulierung; iſt ſie dunkelgoldgelb, zeigt ſie beim Aufziehen blaue
Adern und eine kupferblau ſchillernde Blume, dann iſt ſie in gutem Zu-
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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/595>, abgerufen am 21.11.2024.
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