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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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Man könnte daher auch das Entschälen der Seide mit überhitztem Wasser-
dampf ausführen; dieser aber macht die Seidenfaser hart und spröde; man
zieht deshalb die Anwendung von Seifenbädern und geringerer Wärme vor,
da sich der Seidenleim in alkalischen Flüssigkeiten besonders gut löst. Bei
vernunftgemäßer Anwendung der Seifenbäder kann man den Seidenleim
vollständig entfernen; der Gewichtsverlust beträgt dann 25 bis 30 Pro-
zent der Rohseide bei europäischen Seiden, dagegen nur 18 bis 22 Prozent
bei chinesischen und japanesischen Seiden. Solche vollständig entschälten Sei-
den heißen Cuits. (Fälschlicherweise werden aber auch die zum Degum-
mieren verwendeten Bäder, also die Bastseifenlaugen cuits genannt.) --
Bei dem teuren Preise der Seide ist den Händlern mit einem Gewichts-
verlust von 25 bis 30 Prozent durch Degummieren häufig nicht gedient.
Deshalb wird das Entschälen sehr häufig nur unvollständig gehand-
habt und, indem man auf 1 kg Rohseide nur 100 bis 125 g Seife rechnet,
eine degummierte Seide erzielt, welche einen Gewichtsverlust von nur 8 bis
12 Prozent gibt; solche Seiden heißen Souples. Bisweilen wird das
Degummieren durch ein bloßes Waschen mit Wasser ersetzt, wodurch ein Ge-
wichtsverlust von nur 3 bis 4 Prozent entsteht; solche Seiden heißen Crus.

Das Abkochen oder Weißkochen der degummierten Seiden soll die
Entfernung der letzten Reste von Seidenleim und die Erzielung der größten
Weichheit und Geschmeidigkeit bezwecken. Es wird in offenen kupfernen
Kesseln ausgeführt, die degummierte Seide in haufene Säcke gethan und
dann mit einer schwachen Seifenlösung (10 bis 15 kg auf 100 kg degum-
mierte Seide) 1/2 Stunde bis zu 3 Stunden richtig gekocht. -- Dieses
Verfahren ist durch langjährige Praxis gewissermaßen geheiligt. Nichtsdesto-
weniger halte ich das "Weißkochen" für eine verfehlte Operation. Zunächst
begreife ich nicht, was die hanfenen oder leinenen Säcke dabei sollen. Es
wäre doch weit vernunftgemäßer, wenn man die Seide an Holzstöcken in
Strängen in das Seifenbad hängen ließe und darin umzöge. Sodann er-
reicht man die Entfernung der letzten Reste von Seidenleim auch ohne
Kochen. Somit kennzeichnet sich diese Operation als weiter nichts, als ein
drittes Seifenbad zum Zweck der Degummierung und sie beweist lediglich,
daß die Degummierung zuvor nicht mit der nötigen Sorgfalt ausgeführt
worden ist. Daß ferner zur Erzielung eines möglichst hohen Grades von
Geschmeidigkeit und Glanz das Kochen notwendig sei, ist bisher wenigstens nicht
bewiesen. Sollte aber zur Erzielung dieses Effekts ein Kochen nötig sein,
so möchte ich empfehlen, dasselbe mit einer höchst dünnen Seifenlauge
(2 Prozent Seife auf 100 Seide) auszuführen und die Seide nicht länger als
eine halbe Stunde kochen zu lassen, darauf aber in einem lauwarmen Wasser-
bade (ohne Sodazusatz) zu spülen, abzuwinden und zu trocknen. In Süd-
frankreich und in der Schweiz wird nach dem Abkochen noch in einem Soda-
bade, dann in einem kalten Wasserbade gespült und getrocknet. Die vom
Abkochen der Seide resultierende Seifenlauge kann wieder zum Entschälen
benutzt werden.

Das Souplieren oder Assouplieren der Seide bezweckt die Ge-
winnung einer Seide, welche in der Mitte steht zwischen degummierter, ge-
kochter und Rohseide. Die letztere eignet sich zu Färberoperationen nur in
beschränktem Maße, die erstere büßt durch das Entschälen zu viel an Ge-
wicht ein. Es hat sich daher in der Praxis eine Mittelstufe eingebürgert,

Man könnte daher auch das Entſchälen der Seide mit überhitztem Waſſer-
dampf ausführen; dieſer aber macht die Seidenfaſer hart und ſpröde; man
zieht deshalb die Anwendung von Seifenbädern und geringerer Wärme vor,
da ſich der Seidenleim in alkaliſchen Flüſſigkeiten beſonders gut löſt. Bei
vernunftgemäßer Anwendung der Seifenbäder kann man den Seidenleim
vollſtändig entfernen; der Gewichtsverluſt beträgt dann 25 bis 30 Pro-
zent der Rohſeide bei europäiſchen Seiden, dagegen nur 18 bis 22 Prozent
bei chineſiſchen und japaneſiſchen Seiden. Solche vollſtändig entſchälten Sei-
den heißen Cuits. (Fälſchlicherweiſe werden aber auch die zum Degum-
mieren verwendeten Bäder, alſo die Baſtſeifenlaugen cuits genannt.) —
Bei dem teuren Preiſe der Seide iſt den Händlern mit einem Gewichts-
verluſt von 25 bis 30 Prozent durch Degummieren häufig nicht gedient.
Deshalb wird das Entſchälen ſehr häufig nur unvollſtändig gehand-
habt und, indem man auf 1 kg Rohſeide nur 100 bis 125 g Seife rechnet,
eine degummierte Seide erzielt, welche einen Gewichtsverluſt von nur 8 bis
12 Prozent gibt; ſolche Seiden heißen Souples. Bisweilen wird das
Degummieren durch ein bloßes Waſchen mit Waſſer erſetzt, wodurch ein Ge-
wichtsverluſt von nur 3 bis 4 Prozent entſteht; ſolche Seiden heißen Crus.

Das Abkochen oder Weißkochen der degummierten Seiden ſoll die
Entfernung der letzten Reſte von Seidenleim und die Erzielung der größten
Weichheit und Geſchmeidigkeit bezwecken. Es wird in offenen kupfernen
Keſſeln ausgeführt, die degummierte Seide in haufene Säcke gethan und
dann mit einer ſchwachen Seifenlöſung (10 bis 15 kg auf 100 kg degum-
mierte Seide) ½ Stunde bis zu 3 Stunden richtig gekocht. — Dieſes
Verfahren iſt durch langjährige Praxis gewiſſermaßen geheiligt. Nichtsdeſto-
weniger halte ich das „Weißkochen“ für eine verfehlte Operation. Zunächſt
begreife ich nicht, was die hanfenen oder leinenen Säcke dabei ſollen. Es
wäre doch weit vernunftgemäßer, wenn man die Seide an Holzſtöcken in
Strängen in das Seifenbad hängen ließe und darin umzöge. Sodann er-
reicht man die Entfernung der letzten Reſte von Seidenleim auch ohne
Kochen. Somit kennzeichnet ſich dieſe Operation als weiter nichts, als ein
drittes Seifenbad zum Zweck der Degummierung und ſie beweiſt lediglich,
daß die Degummierung zuvor nicht mit der nötigen Sorgfalt ausgeführt
worden iſt. Daß ferner zur Erzielung eines möglichſt hohen Grades von
Geſchmeidigkeit und Glanz das Kochen notwendig ſei, iſt bisher wenigſtens nicht
bewieſen. Sollte aber zur Erzielung dieſes Effekts ein Kochen nötig ſein,
ſo möchte ich empfehlen, dasſelbe mit einer höchſt dünnen Seifenlauge
(2 Prozent Seife auf 100 Seide) auszuführen und die Seide nicht länger als
eine halbe Stunde kochen zu laſſen, darauf aber in einem lauwarmen Waſſer-
bade (ohne Sodazuſatz) zu ſpülen, abzuwinden und zu trocknen. In Süd-
frankreich und in der Schweiz wird nach dem Abkochen noch in einem Soda-
bade, dann in einem kalten Waſſerbade geſpült und getrocknet. Die vom
Abkochen der Seide reſultierende Seifenlauge kann wieder zum Entſchälen
benutzt werden.

Das Souplieren oder Aſſouplieren der Seide bezweckt die Ge-
winnung einer Seide, welche in der Mitte ſteht zwiſchen degummierter, ge-
kochter und Rohſeide. Die letztere eignet ſich zu Färberoperationen nur in
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[37/0063] Man könnte daher auch das Entſchälen der Seide mit überhitztem Waſſer- dampf ausführen; dieſer aber macht die Seidenfaſer hart und ſpröde; man zieht deshalb die Anwendung von Seifenbädern und geringerer Wärme vor, da ſich der Seidenleim in alkaliſchen Flüſſigkeiten beſonders gut löſt. Bei vernunftgemäßer Anwendung der Seifenbäder kann man den Seidenleim vollſtändig entfernen; der Gewichtsverluſt beträgt dann 25 bis 30 Pro- zent der Rohſeide bei europäiſchen Seiden, dagegen nur 18 bis 22 Prozent bei chineſiſchen und japaneſiſchen Seiden. Solche vollſtändig entſchälten Sei- den heißen Cuits. (Fälſchlicherweiſe werden aber auch die zum Degum- mieren verwendeten Bäder, alſo die Baſtſeifenlaugen cuits genannt.) — Bei dem teuren Preiſe der Seide iſt den Händlern mit einem Gewichts- verluſt von 25 bis 30 Prozent durch Degummieren häufig nicht gedient. Deshalb wird das Entſchälen ſehr häufig nur unvollſtändig gehand- habt und, indem man auf 1 kg Rohſeide nur 100 bis 125 g Seife rechnet, eine degummierte Seide erzielt, welche einen Gewichtsverluſt von nur 8 bis 12 Prozent gibt; ſolche Seiden heißen Souples. Bisweilen wird das Degummieren durch ein bloßes Waſchen mit Waſſer erſetzt, wodurch ein Ge- wichtsverluſt von nur 3 bis 4 Prozent entſteht; ſolche Seiden heißen Crus. Das Abkochen oder Weißkochen der degummierten Seiden ſoll die Entfernung der letzten Reſte von Seidenleim und die Erzielung der größten Weichheit und Geſchmeidigkeit bezwecken. Es wird in offenen kupfernen Keſſeln ausgeführt, die degummierte Seide in haufene Säcke gethan und dann mit einer ſchwachen Seifenlöſung (10 bis 15 kg auf 100 kg degum- mierte Seide) ½ Stunde bis zu 3 Stunden richtig gekocht. — Dieſes Verfahren iſt durch langjährige Praxis gewiſſermaßen geheiligt. Nichtsdeſto- weniger halte ich das „Weißkochen“ für eine verfehlte Operation. Zunächſt begreife ich nicht, was die hanfenen oder leinenen Säcke dabei ſollen. Es wäre doch weit vernunftgemäßer, wenn man die Seide an Holzſtöcken in Strängen in das Seifenbad hängen ließe und darin umzöge. Sodann er- reicht man die Entfernung der letzten Reſte von Seidenleim auch ohne Kochen. Somit kennzeichnet ſich dieſe Operation als weiter nichts, als ein drittes Seifenbad zum Zweck der Degummierung und ſie beweiſt lediglich, daß die Degummierung zuvor nicht mit der nötigen Sorgfalt ausgeführt worden iſt. Daß ferner zur Erzielung eines möglichſt hohen Grades von Geſchmeidigkeit und Glanz das Kochen notwendig ſei, iſt bisher wenigſtens nicht bewieſen. Sollte aber zur Erzielung dieſes Effekts ein Kochen nötig ſein, ſo möchte ich empfehlen, dasſelbe mit einer höchſt dünnen Seifenlauge (2 Prozent Seife auf 100 Seide) auszuführen und die Seide nicht länger als eine halbe Stunde kochen zu laſſen, darauf aber in einem lauwarmen Waſſer- bade (ohne Sodazuſatz) zu ſpülen, abzuwinden und zu trocknen. In Süd- frankreich und in der Schweiz wird nach dem Abkochen noch in einem Soda- bade, dann in einem kalten Waſſerbade geſpült und getrocknet. Die vom Abkochen der Seide reſultierende Seifenlauge kann wieder zum Entſchälen benutzt werden. Das Souplieren oder Aſſouplieren der Seide bezweckt die Ge- winnung einer Seide, welche in der Mitte ſteht zwiſchen degummierter, ge- kochter und Rohſeide. Die letztere eignet ſich zu Färberoperationen nur in beſchränktem Maße, die erſtere büßt durch das Entſchälen zu viel an Ge- wicht ein. Es hat ſich daher in der Praxis eine Mittelſtufe eingebürgert,

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/63>, abgerufen am 23.11.2024.